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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0527
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Textile Kunst. Verdrängung der Wandmalerei durch die Tafelmalerei. 479

scheinende Wände das Licht in der Cella gleichsam gefangen
hielten. Doch gehört diess schon in den nächsten Artikel über
römische Kunst, zu welcher die der Diadochenzeit den bedeut-
samen üebergang bezeichnet.
Die Aufnahme des Gewölbes und des Bogens in die Zahl der
Kunstformen musste letztens ein noch mächtigeres Movens sein
welches die Baukunst in die konstruktive Richtung hineintrieb,
die so sehr dem Genius der weltbeherrschenden Roma entsprechend
war und durch ihn zu vollster Ausbildung gedieh.
Das Gewölbe und der Bogen (vornehmlich der Stichbogen
als Uebergangsform) wurden vielleicht zuerst bei dem Baue von
Alexandria in Aegypten zuerst von Griechen in dekorativer Weise
aufgefasst; hier waren auch die Dächer im Stichbogen gewölbt und
mit Estrich belegt, oder söllerartig abgeflacht und mit künstlich aus-
gelegten Fussböden gepflastert.1 Ein räthselhaftes Propylaion, das zu
der Burg führte, hatte einen kuppelartigen Aufbau. Manches Aegyp-
tische (der Stichbogen z. B. als Dachform ist altägyptisch) mochte
hier sich mit Asiatischem und Griechischem vermischen. Leider
ist äusser dem berühmten Mosaikboden von Präneste nichts er-
halten was geeignet wäre uns diesen merkwürdigen Stil zu ver-
gegenwärtigen.
Das Zusammenwirken aller oben bezeichneten glänzenden
Mittel, über welche die Kunst unter der Laune kunstliebender
und unermesslich reicher Herrscher verfügen durfte, tritt aus den
Beschreibungen der Prachtzelte, Prachtwagen und Riesenschiffe
hervor, die uns der Polyhistor Athenäos erhalten hat, die aber,
wie alle Beschreibungen von Kunstwerken, der willkürlichen Aus-
legung zu grossen Spielraum lassen und nicht immer plastische
Gestalt annehmen wollen.
§. 80.
Die Römer. Frühe Zeit.
Die früheren voralexandrinischen Einwirkungen Griechenlands
auf römische Baukunst werden meistens zu sehr überschätzt, da-
gegen zwei andere mindestens eben so wichtige Faktoren, welche
dem mächtigen architektonischen Ausdrucke des Weltherrschafts-
gedankens zur Grundlage dienen, nicht hinreichend beachtet.
1 Hiritus B Alex. 1. 3.
 
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