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Viertes Hauptstück.
des Drachenblutes und anderer Pflanzensäfte bediente. Ganz dieselbe
ßacpT] mit Pflanzenfarben kam auch bei Marmorstatuen in Anwendung und
wurde an gewissen Stellen, gerade wie an den Tempeln, durch enkaustische
Malerei ergänzt. Ohne diese allgemeine Lasur, die mit der circumlitio ver-
bunden vorgenommen wurde, würde es unmöglich gewesen sein den kalten
Marmor mit den von meinen Gegnern zugestandenen Farben der Beiwerke und
selbst gewisser Theile des Nackten in Einklang zu bringen. Diess annehmen
und ein naturalistisches Naturnachäffen bei den Hellenen voraussetzen sind
zwei himmelweit verschiedene Dinge, und Kugler brauchte sich nicht gegen
letzteres mir gegenüber zu verwahren.
Was die gegen die Existenz der Farbenreste auf den Säulen etc. der
Tempel geltend gemachte gleiche Färbung des Marmors in den Brüchen be-
trifft so ist diese Gleichheit, wenn sie überhaupt in dem Maasse wie ver-
sichert wird Statt hat, nur scheinbar, nur der Farbe nach, (ein wohlriechen-
des Harz wird man niemals aus den Oberflächen jener Steinbruchbänke heraus-
destilliren,) und beweist sie nichts gegen die Bemalung der Säulen, vielmehr
würde es für den guten Geschmack der Hellenen sprechen wenn diese dem
weissen Marmor denjenigen brillanten Ton zu geben bestrebt waren den er
nur durch die Länge der Zeit auf natürlichem Wege annimmt. Sie sicherten
ihrem Werke dadurch gleichsam die ewige Jugend. 1
Eine grosse Stütze für ihre Lehre glauben die Anhänger der halben Poly-
chromie in den bereits erwähnten von Ulrichs zusammengetragenen Citaten2
gefunden zu haben ; sie sind aber mit dieser Art von Beweisgründen nicht
besonders glücklich. So legt Kugler ein grosses Gewicht auf eine Stelle des
Plinius, die ihm Ulrichs an die Hand gab,3 die wiederum, wie die Geschichte
mit der Pythia, 4 ganz das Gegentheil von dem beweist was er damit darlegen
1 So konnte der Tempel der jungfräulichen Göttin noch nach 51/? Jahr-
hunderten das Aussehen der Neuheit behalten, das Plutarch in seinem Auf-
sätze de gloria Athen, an ihm bewundernd hervorhebt! In dieser Frische er-
hielten sich zum Theil die Monumente Athens bis in das Mittelalter hinein,
wie aus einem dem 14. Jahrhundert angehörigen anonymen Berichte über den
damaligen Zustand derselben hervorgeht, dessen Veröffentlichung der Graf de
Laborde in seinem interessanten Buche, Athenes au XV, XVI et XVII siäcles
besorgt hat. Dort ist von einer Ttor/.iJ.r] , einem polychromen Stile
der Architektur die Rede, in welchem Kekrops diese Werke erbaut habe. —
An den Propyläen war das Innere buntfarbig und das Aeussere vergoldet,
(goldfarbig?) Ebenso wird der farbigen Dekoration des Parthenon erwähnt.
2 Siehe Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechenland. Bremen 1840.
Seite 86.
3 Plin. XXXVI. 5. 2. In magna admiratione est et Hercules Menestrati
et Hecate Ephesi in templo Dianae post aedem, in cujus contemplatione ad-
monent aeditui parcere oculis, tanta marmoris radiatio est.
4 Ich kann es nicht über mich gewinnen, diese bereits zu oft berührte
Geschichte noch einmal zu wiederholen, bitte daher den Leser, der die
Debatten über die betreffende Erzählung des Herodot von dem weissen Markte
und dem gleichen Prytaneum der Siphnier in Beziehung auf den hier ver-
handelten Gegenstand kennen zu lernen wünscht, in Kuglers Schriften über
Polychromie der Alten und in meiner Brochüre : die vier Elemente der Bau-
kunst nachzusehen. Vergl. auch Hittorffs Werk.
Viertes Hauptstück.
des Drachenblutes und anderer Pflanzensäfte bediente. Ganz dieselbe
ßacpT] mit Pflanzenfarben kam auch bei Marmorstatuen in Anwendung und
wurde an gewissen Stellen, gerade wie an den Tempeln, durch enkaustische
Malerei ergänzt. Ohne diese allgemeine Lasur, die mit der circumlitio ver-
bunden vorgenommen wurde, würde es unmöglich gewesen sein den kalten
Marmor mit den von meinen Gegnern zugestandenen Farben der Beiwerke und
selbst gewisser Theile des Nackten in Einklang zu bringen. Diess annehmen
und ein naturalistisches Naturnachäffen bei den Hellenen voraussetzen sind
zwei himmelweit verschiedene Dinge, und Kugler brauchte sich nicht gegen
letzteres mir gegenüber zu verwahren.
Was die gegen die Existenz der Farbenreste auf den Säulen etc. der
Tempel geltend gemachte gleiche Färbung des Marmors in den Brüchen be-
trifft so ist diese Gleichheit, wenn sie überhaupt in dem Maasse wie ver-
sichert wird Statt hat, nur scheinbar, nur der Farbe nach, (ein wohlriechen-
des Harz wird man niemals aus den Oberflächen jener Steinbruchbänke heraus-
destilliren,) und beweist sie nichts gegen die Bemalung der Säulen, vielmehr
würde es für den guten Geschmack der Hellenen sprechen wenn diese dem
weissen Marmor denjenigen brillanten Ton zu geben bestrebt waren den er
nur durch die Länge der Zeit auf natürlichem Wege annimmt. Sie sicherten
ihrem Werke dadurch gleichsam die ewige Jugend. 1
Eine grosse Stütze für ihre Lehre glauben die Anhänger der halben Poly-
chromie in den bereits erwähnten von Ulrichs zusammengetragenen Citaten2
gefunden zu haben ; sie sind aber mit dieser Art von Beweisgründen nicht
besonders glücklich. So legt Kugler ein grosses Gewicht auf eine Stelle des
Plinius, die ihm Ulrichs an die Hand gab,3 die wiederum, wie die Geschichte
mit der Pythia, 4 ganz das Gegentheil von dem beweist was er damit darlegen
1 So konnte der Tempel der jungfräulichen Göttin noch nach 51/? Jahr-
hunderten das Aussehen der Neuheit behalten, das Plutarch in seinem Auf-
sätze de gloria Athen, an ihm bewundernd hervorhebt! In dieser Frische er-
hielten sich zum Theil die Monumente Athens bis in das Mittelalter hinein,
wie aus einem dem 14. Jahrhundert angehörigen anonymen Berichte über den
damaligen Zustand derselben hervorgeht, dessen Veröffentlichung der Graf de
Laborde in seinem interessanten Buche, Athenes au XV, XVI et XVII siäcles
besorgt hat. Dort ist von einer Ttor/.iJ.r] , einem polychromen Stile
der Architektur die Rede, in welchem Kekrops diese Werke erbaut habe. —
An den Propyläen war das Innere buntfarbig und das Aeussere vergoldet,
(goldfarbig?) Ebenso wird der farbigen Dekoration des Parthenon erwähnt.
2 Siehe Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechenland. Bremen 1840.
Seite 86.
3 Plin. XXXVI. 5. 2. In magna admiratione est et Hercules Menestrati
et Hecate Ephesi in templo Dianae post aedem, in cujus contemplatione ad-
monent aeditui parcere oculis, tanta marmoris radiatio est.
4 Ich kann es nicht über mich gewinnen, diese bereits zu oft berührte
Geschichte noch einmal zu wiederholen, bitte daher den Leser, der die
Debatten über die betreffende Erzählung des Herodot von dem weissen Markte
und dem gleichen Prytaneum der Siphnier in Beziehung auf den hier ver-
handelten Gegenstand kennen zu lernen wünscht, in Kuglers Schriften über
Polychromie der Alten und in meiner Brochüre : die vier Elemente der Bau-
kunst nachzusehen. Vergl. auch Hittorffs Werk.