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Viertes Hauptstück.
des letztem von Kugler sehr scharfsinnig citirt. — So bekannt sie ist, so
wäre ohne ihn diese kostbare Stelle mir dem Ungelehrten in ihrer Bedeutung für
unsere Frage unerkannt geblieben ! Also auch hier zwei Gegensätze: Feld-
herr und Schutzflehend er, kriegerischer Purpur und Blässe der Furcht.
Was will man zur Bestätigung der von mir gesehenen doppelten Gegensätze
in dem Orakelspruche der Siphnier mehr? Ja ich glaube zuversichtlich dass
Aristophanes mit seinen Versen direkt auf jenen Orakelspruch anspielt oder
dass ihm derselbe wenigstens als formelles Vorbild seiner Figur vorschwebte.
Kugler wird mir wieder den Vorwurf machen in den Autor alles Mög-
liche hineinzulegen, und von sich behaupten die Worte einfach genommen
zu haben wie sie sind — warum aber hat er sich dann anstatt an den griechi-
schen Text an die immer nicht genaue Uebersetzung dieser Worte gehalten?1
Ich wundre mich übrigens, wie diesem gelehrten und christlichen Schrift-
steller bei dem weissen Keryxmantel die weissgekleideten Engel der Apokalypse
und die an dem Grabe des Herrn nicht eingefallen sind. — Und es liesse sich aus
den apokryphischen Schriften und der Ikonographie der frühen christlichen Jahr-
hunderte noch äusser dem gar vieles mit diesen weissen Herolden (Boten, Engeln)
in Parallele stellen; auch werden letztere sich vielleicht an den Wandgemälden
Pompeji’s oder sonst an antiken Bildern fortverfolgen lassen, — was mir hier-
in dem an Hülfsmitteln des Kunststudiums armen Zürich unmöglich ist.
Noch mache ich auf eine Stelle im Pollux aufmerksam, wonach die Nomo-
phylaken, wenn sie die Pompa der Göttin anführten, mit weisser Kopfbinde
(SQOcpicp) bekrönt waren. (Pollux VIII. 94.) Die Nomophylaken waren aber
eine Art von Weibeln oder Gesetzeswächtern bei den Spartanern und wie die
englischen Konstabler zugleich Herolde; auch diese tragen noch immer, viel-
leicht nach alter indogermanischer Ueberlieferung, bei vorkommenden Pompen
ihre weisse Binde am Aermel.
Nicht viel glücklicher werden gewisse Stellen aus dem Lukian von den
Gegnern der Polychromie in der Plastik und in der Malerei benützt; was zum
Theil schon Ch. Walz in der bereits citirten Recension der Schriften über
Polychromie in den Heidelberger Jahrbüchern nachgewiesen. Diese hat aber
Ulrichs nicht gelesen oder der Berücksichtigung nicht für würdig gehalten,
denn in seinen Reisen und Forschungen macht er dieselben Stellen nochmals
in dem alten Sinne geltend, als wären sie zuerst von ihm in diesem Zusammen-
hänge erwähnt worden. Mich veranlasste diess die so oft citirten Stellen einmal
nach ihrer weiteren Sinnesverknüpfung zu prüfen, und ich vertiefte mich dabei
in die so interessante Lektüre des geistreichen Sophisten aus Samosata, der es
liebt seine Bilder und Gleichnisse aus dem Gebiete der Technik der bildenden
1 Ich muss bei dieser Gelegenheit gegen eine gewisse Unart des Text-
citirens Einspruch thun, nämlich gegen die orthodoxe Manier, nach der Weise
wie die Candidaten der Theologie ihre Bibelverse anziehen. Oft, ja in den
meisten Fällen, wird der wahre Sinn eines Satzes erst in seinem Zusammen-
hänge mit Vorhergehendem, Folgendem, selbst mit sehr Entferntem, deutlich,
und daher ist es nicht räthlich, oder, wenn diess, nicht redlich ihn äusser
diesem Zusammenhänge zu geben.
Was den mir gemachten Vorwurf des Hineinlegeus in die Autoren be-
trifft, so ist es immer gut, wenn man noch etwas einzulegen hat. Ausserdem
war jeder richtige Ausleger zu rechter Zeit ein tüchtiger Einleger.
Viertes Hauptstück.
des letztem von Kugler sehr scharfsinnig citirt. — So bekannt sie ist, so
wäre ohne ihn diese kostbare Stelle mir dem Ungelehrten in ihrer Bedeutung für
unsere Frage unerkannt geblieben ! Also auch hier zwei Gegensätze: Feld-
herr und Schutzflehend er, kriegerischer Purpur und Blässe der Furcht.
Was will man zur Bestätigung der von mir gesehenen doppelten Gegensätze
in dem Orakelspruche der Siphnier mehr? Ja ich glaube zuversichtlich dass
Aristophanes mit seinen Versen direkt auf jenen Orakelspruch anspielt oder
dass ihm derselbe wenigstens als formelles Vorbild seiner Figur vorschwebte.
Kugler wird mir wieder den Vorwurf machen in den Autor alles Mög-
liche hineinzulegen, und von sich behaupten die Worte einfach genommen
zu haben wie sie sind — warum aber hat er sich dann anstatt an den griechi-
schen Text an die immer nicht genaue Uebersetzung dieser Worte gehalten?1
Ich wundre mich übrigens, wie diesem gelehrten und christlichen Schrift-
steller bei dem weissen Keryxmantel die weissgekleideten Engel der Apokalypse
und die an dem Grabe des Herrn nicht eingefallen sind. — Und es liesse sich aus
den apokryphischen Schriften und der Ikonographie der frühen christlichen Jahr-
hunderte noch äusser dem gar vieles mit diesen weissen Herolden (Boten, Engeln)
in Parallele stellen; auch werden letztere sich vielleicht an den Wandgemälden
Pompeji’s oder sonst an antiken Bildern fortverfolgen lassen, — was mir hier-
in dem an Hülfsmitteln des Kunststudiums armen Zürich unmöglich ist.
Noch mache ich auf eine Stelle im Pollux aufmerksam, wonach die Nomo-
phylaken, wenn sie die Pompa der Göttin anführten, mit weisser Kopfbinde
(SQOcpicp) bekrönt waren. (Pollux VIII. 94.) Die Nomophylaken waren aber
eine Art von Weibeln oder Gesetzeswächtern bei den Spartanern und wie die
englischen Konstabler zugleich Herolde; auch diese tragen noch immer, viel-
leicht nach alter indogermanischer Ueberlieferung, bei vorkommenden Pompen
ihre weisse Binde am Aermel.
Nicht viel glücklicher werden gewisse Stellen aus dem Lukian von den
Gegnern der Polychromie in der Plastik und in der Malerei benützt; was zum
Theil schon Ch. Walz in der bereits citirten Recension der Schriften über
Polychromie in den Heidelberger Jahrbüchern nachgewiesen. Diese hat aber
Ulrichs nicht gelesen oder der Berücksichtigung nicht für würdig gehalten,
denn in seinen Reisen und Forschungen macht er dieselben Stellen nochmals
in dem alten Sinne geltend, als wären sie zuerst von ihm in diesem Zusammen-
hänge erwähnt worden. Mich veranlasste diess die so oft citirten Stellen einmal
nach ihrer weiteren Sinnesverknüpfung zu prüfen, und ich vertiefte mich dabei
in die so interessante Lektüre des geistreichen Sophisten aus Samosata, der es
liebt seine Bilder und Gleichnisse aus dem Gebiete der Technik der bildenden
1 Ich muss bei dieser Gelegenheit gegen eine gewisse Unart des Text-
citirens Einspruch thun, nämlich gegen die orthodoxe Manier, nach der Weise
wie die Candidaten der Theologie ihre Bibelverse anziehen. Oft, ja in den
meisten Fällen, wird der wahre Sinn eines Satzes erst in seinem Zusammen-
hänge mit Vorhergehendem, Folgendem, selbst mit sehr Entferntem, deutlich,
und daher ist es nicht räthlich, oder, wenn diess, nicht redlich ihn äusser
diesem Zusammenhänge zu geben.
Was den mir gemachten Vorwurf des Hineinlegeus in die Autoren be-
trifft, so ist es immer gut, wenn man noch etwas einzulegen hat. Ausserdem
war jeder richtige Ausleger zu rechter Zeit ein tüchtiger Einleger.