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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0571
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Textile Kunst. Schlussbemerkungen. 523
So färbten die Römer selbst das was sie weiss liessen mit durchscheinen-
dem Purpurlichte; das Weiss ist ihnen in diesem Falle, wie auch bei der ge-
färbten Politio, die überall nothwendige Grundlage des Colorits, die ihren
candor mit letzterem keineswegs einbüsst. Dieses Bild des Ovid ist wieder,
wie die vorhercitirten des Lukian, gleichsam in die antike Polychromie ge-
taucht, die Form ist mit tiefeindringenden transparenten Farben gesättigt,
Form und Farbe ist Eins. Nur der Schmuck, der ornatus, hier das Haupt-
haar, die talaria und die genualia, mit dem gemalten oder gestickten Limbus,
lösen sich noch von der Lokalfarbe besonders ab und sind emaillirt, enkau-
stisch gemalt: sie sind die operosa et picturae in modum variata Circumlitio
des Seneka. — Es lässt sich kaum bezweifeln dass dem Dichter bei seinem
Bilde irgend eine polychrome Atalanta, das damals allgekannte Werk eines
berühmten Bildhauers, vorschwebte.1

Die Akten über die polychrome Frage sind noch nicht als geschlossen
zu betrachten, und somit ist jeder Beitrag der sie betrifft zu berücksichtigen;
ich übergebe daher hier zum Schluss noch einen Brief der Oeffentlichkeit
den Schinkel an mich richtete als ich ihm meine erste Bröchiire über den
hier verhandelten Gegenstand geschickt hatte. An und für sich ist schon
Alles was berühmte Männer über ihr Fach äusserten der Aufzeichnung werth,
und dieser Brief gewiss um so mehr als er des grossen Architekten eigene
Ueberzeugungen über die streitige Frage ausspricht und gleichsam das Progno-
stiken ihres nächsten Schicksales enthält.
Als zweite Zugabe folgt eine von dem Chemiker Wilhelm Semper, dem
Bruder des Verfassers, bereits im Jahre 1834 veranstaltete qualitative Analyse
von Farbenüberresten, entnommen von einem Stücke Plafond vom Theseus-
tempel, das, in die christliche Nische dieses Tempels eingemauert und so Jahr-
hunderte lang geschützt, einen Theil seiner Farben sehr frisch erhalten hatte ;
sowie von einem Stück des Ueberzugs der Trajanssäule, das der Verfasser
ablöste und mit nach Deutschland brachte. Sie liefert einen interessanten
Beitrag zu den sonstigen bereits bekannt gemachten Untersuchungen der Che-
miker über antike Farben.

Brief des Hm. Oberbaudirektors Schinkel an den Verfasser.
Ew. Wohlgeboren
haben mir durch die gütige Uebersendung Ihrer Schrift über die bemalte
Architektur und Plastik bei den Alten eine ganz besondere Freude gemacht,
indem ich mit Vergnügen sah dass Sie nicht zögerten die vorläufigen Er-
öffnungen über diesen wichtigen in unserer modernen Architektur vielfach
1 Kugler wird mich auch hier wieder des Hineinlegens in die Worte des
Textes beschuldigen. — Immerhin! Ich mache ihm den entgegengesetzten
Vorwurf.
 
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