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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0195
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Textile Kunst. Stoffe, Seide.

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Wirkereien und Stickereien werden noch einige historische No-
tizen später nachfolgen.
Irgend ein gründlicher Kenner der Rohwolle sollte sie nicht
bloss in ihren chemischen und mikroskopischen Eigenschaften;
sondern besonders in dem, was sich meistens diesen wissenschaft-
lichen Experimenten entzieht und auf indefinirbaren Eigentümlich-
keiten des Erscheinens der Stoffe beruht (die richtig zu erkennen
und in ihren wahren Bedeutungen zu schätzen und zu beurteilen
eine ebenso sehr künstlerische wie wissenschaftliche Auffassung er-
forderlich ist), einer Untersuchung und Vergleichung unterwerfen,
und in einer Monographie dasjenige dem Techniker und Fabri-
kanten praktisch-lehrreich entwickeln, was ich hier, aus Mangel
an gründlicherer Waarenkenntniss und zugleich in Berücksich-
tigung des Programmes, das ich mir stellte, nur andeuten kann.
Dasselbe gilt von dem letzten Faserstoffe, der mir jetzt noch
zur Besprechung übrig bleibt, nämlich der Seide.
§. 40.
Die Seide. 1
Der Seidenstil ungriechisch.
Nach der Versicherung des Hrn. Stanislas Julien, der die In-
dustrie der Chinesen zum Gegenstände seiner gemeinnützigen
1 Es liegt nicht in der Aufgabe dieses Buches , eine geschlossene
und detaillirte Technologie und Geschichte der Seidenmanufaktur zu geben,
wesshalb bei den folgenden Betrachtungen über die Seidenstoffe, wie sie
sich in ästhetischer Beziehung aus den Eigenschaften des Rohmateriales ver-
schiedentlich entwickelten, eine gewisse Bekanntschaft mit ersteren voraus-
gesetzt und der Leser aufgefordert wird, die bezüglichen, bereits notirten
Bücher nachzusehen, unter denen für den mehr künstlerischen Theil dieses
■Studiums, das gleichfalls schon angeführte noch nicht vollständig erschie-
nene Werk des Herrn F. Bock gewiss verdient hervorgehoben zu werden.
Man darf die Entwicklungsgeschichte der Seidenmanufaktur auf dem west-
lichen Theile der alten Welt in 5 Hauptperioden eintheilen, nämlich die latei-
nische, die persisch-byzantinische, die sarazenisch-romantische, die gothische
und zuletzt die Renaissance-Periode.
Jene erstere, die lateinische nämlich, berührt die Grenzen des Heiden-
thums und mag bis in das 7. und 8. Jahrhundert hinab für einzelne Erschei-
nungen ausgedehnt werden. Die Stoffe dieser Periode waren leicht, und
erinnerten weit mehr an indische Vorbilder, denn an den Stil, der seit Urzei-
ten in Westasien (Assyrien, Persien, Phrygien, Phönizien etc.) seinen Sitz hatte.
Semper. p 9
 
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