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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0322
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272 Viertes Hauptstück.
sich darunter die Helena des Zeuxis befand, welches beiläufig
gesagt beweist dass das grosse Publikum sich stets gleich blieb.
Er scheint in drei Abtheilungen bestanden zu haben: in der
Mitte waren Götter und Göttinnen, darüber Schlachten und Jagd-
scenen, darunter Männer von Susa und Perser, alle in ihren
Nationalkostümen und mit ihren Attributen.1 Die Karthager kauf-
ten später nach Polemon diesen Teppich für 120 Talente.
Nach Plinius2 waren die alexandrinischen Fabrikanten die
Erfinder der eigentlichen Teppichwirkerei, er hält also die älteren
Teppiche Asiens durchweg für Stickereien? —- Es wird immer
mehr oder weniger unbestimmt bleiben, ob man an gestickte oder
gewirkte Tapeten zu denken habe, wenn die alten Schriftsteller
dieser Werke erwähnen, doch habe ich meine Ueberzeugung be-
reits dahin ausgesprochen, dass alle ältesten Werke der Art
Stickereien waren, von denen der Uebergang zur eigentlichen
Buntwirkerei an den Mustern der Kleider der assyrischen
Könige, die auf den Basreliefs von Nimrud, Chorsabad u. s. w.
abgebildet sind und die sich im Charakter so sehr von ein-
ander unterscheiden je nachdem sie der älteren oder der neueren
Periode des assyrischen Reiches angehören, wahrnehmbar ist.
Ein merkwürdiges sicher uraltes Motiv für gestickte (später
oft bloss gemalte) Tapeten von ungewöhnlicher Höhe und Aus-
dehnung hatte seinen Ursprung in der Sitte dieselben durch Die-
ner so lange ausgebreitet halten zu lassen als die feierliche Hand-
lung dauerte die an dem Orte vor sich ging den sie zu um-
schliessen, zu weihen und zu schmücken bestimmt waren. 3
1 Aristot. Memorab. cp. XCIX. p. 200. Athenaeus. XII. 541.
2 Plinius nat. VIII. 48. Plurimis liciis texere quae polymita appellant
Alexandria instituit.
3 Als Beispiel wie im Orient alle ältesten Motive der Kunst sich noch in
ihrer ursprünglichsten Frische lebendig erhielten dient eine Scene, die sich bei
Gelegenheit eines Besuches der Königin von Oude in England im September
1856 im Bahnhofe zu Southampton zutrug. Damit sie und ihr weiblicher
Hofstaat von den neugierigen Blicken der englischen Ungläubigen nicht
verunreinigt werde bildeten Eunuchen mit ausgebreiteten prachtvollen Shawls
und Teppichen auf dem Wege, der von den geschlossenen Kutschen in das
Coupe des Eisenbahnwagens führte, doppeltes Spalier und standen gleich Sta-
tuen unbeweglich bis zur Abfahrt des Zuges. Siehe Abbildung und Be-
schreibung dieser Scene in den Illustrated London News, Sept. 6. 1856.
 
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