Textile Kunst. Technisch-Historisches. Thierfelle.
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würde, liesse sich eine bessere Richtung des Geschmackes auf den unteren
Gebieten des Kunstschaffens vorbereiten, und auf solch populärer Basis
würde sodann erst ein weitergreifender, über die höhere Kunst sich aus-
dehnender, Plan der praktischen Schönheitslehre fussen können.
Der Mensch lernte frühe die Felle der Thiere so zubereiten, dass
sie der Fäulniss widerstanden und die Geschmeidigkeit erlangten, wodurch
sie geeignet wurden, als Ueberwürfe und zur Kleidung zu dienen.
Bei der Zubereitung der Felle, besonders wenn sie von erlegtem
Wilde grösserer und edlerer Gattung gewonnen waren, suchte man den
Charakter dieser Thiere möglichst zu erhalten, man liebte es frühzeitig,
durch die Exuvien der Bestien, die man auf den Schultern trug und über
den Kopf zog, auf die eigene Kraft, Gewandtheit und Kampfgier anzu-
spielen. Mit Löwen- und Pantherfellen, Bären- und Wolfshäuten, auch selbst
mit den Schuppenfellen der Fische und Lacerten bekleidete der Mythus
der antiken Völker, die das Mittelmeer um wohnten, ihre Heroen und He-
roinen. Die ägyptischen und assyrischen Priester kostümirten sich mit
ihnen, ein sicheres Zeichen historisch begründeten und uralten Herkom-
mens, denn stets hat die Priesterschaft dieses zu erhalten und sich durch
dasselbe mit dem ehrwürdigen Nimbus des Uranfänglichen zu umgeben
gewusst. — Das Gleiche sehen wir bei den alten Germanen und den
skythischen Völkern, die, obschon sie das Pelzwerk und das Leder auch
auf andere und zwar sehr raffinirte Weise zu bereiten und zu gestalten
geschickt genug waren, dennoch bei kriegerischen Körperbekleidungen
und wohl auch bei Priesterornaten die Form und den Charakter des
Thieres, dessen Pelz dazu diente, möglichst zu erhalten wussten, letzteren
woh] noch schreckbarer hervortreten liessen und dessen furchterweckende
Wirkung steigerten. Beliebte Symbole waren bei diesen nordischen Völ-
kern das Fell des Urs, dessen ellenlange Hörner über dem Haupte als
kriegerischer Kopfschmuck emporstiegen, die Haut des Flenn und des
Bären, auch wohl die Exuvie des Steinadlers, dessen Fittige eine furchtbar
schöne Helmzierde bildeten. Die Gimbern trugen, nach Plutarch (Ma-
rius 25), Helme, die den Rachen fürchterlicher Thiere glichen und andere
seltsame Gestalten hatten; auf diesen standen hohe Federbüsche in Form
der Flügel, wodurch sie um Vieles grösser erschienen.
So verstecken die Indianer der Prairie bei ihren wilden Krieges-
tänzen noch jetzt ihr Haupt hinter fürchterlichen Thiermasken, dem
Bison oder dem Bären entnommen. Aehnlichen Maskenschmuck findet
man bei den Wilden der Südseeinseln. Diese scheusslichen Thiermasken
treten bei den ägyptischen Priestern in feinerer Ausbildung als hieratischer
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würde, liesse sich eine bessere Richtung des Geschmackes auf den unteren
Gebieten des Kunstschaffens vorbereiten, und auf solch populärer Basis
würde sodann erst ein weitergreifender, über die höhere Kunst sich aus-
dehnender, Plan der praktischen Schönheitslehre fussen können.
Der Mensch lernte frühe die Felle der Thiere so zubereiten, dass
sie der Fäulniss widerstanden und die Geschmeidigkeit erlangten, wodurch
sie geeignet wurden, als Ueberwürfe und zur Kleidung zu dienen.
Bei der Zubereitung der Felle, besonders wenn sie von erlegtem
Wilde grösserer und edlerer Gattung gewonnen waren, suchte man den
Charakter dieser Thiere möglichst zu erhalten, man liebte es frühzeitig,
durch die Exuvien der Bestien, die man auf den Schultern trug und über
den Kopf zog, auf die eigene Kraft, Gewandtheit und Kampfgier anzu-
spielen. Mit Löwen- und Pantherfellen, Bären- und Wolfshäuten, auch selbst
mit den Schuppenfellen der Fische und Lacerten bekleidete der Mythus
der antiken Völker, die das Mittelmeer um wohnten, ihre Heroen und He-
roinen. Die ägyptischen und assyrischen Priester kostümirten sich mit
ihnen, ein sicheres Zeichen historisch begründeten und uralten Herkom-
mens, denn stets hat die Priesterschaft dieses zu erhalten und sich durch
dasselbe mit dem ehrwürdigen Nimbus des Uranfänglichen zu umgeben
gewusst. — Das Gleiche sehen wir bei den alten Germanen und den
skythischen Völkern, die, obschon sie das Pelzwerk und das Leder auch
auf andere und zwar sehr raffinirte Weise zu bereiten und zu gestalten
geschickt genug waren, dennoch bei kriegerischen Körperbekleidungen
und wohl auch bei Priesterornaten die Form und den Charakter des
Thieres, dessen Pelz dazu diente, möglichst zu erhalten wussten, letzteren
woh] noch schreckbarer hervortreten liessen und dessen furchterweckende
Wirkung steigerten. Beliebte Symbole waren bei diesen nordischen Völ-
kern das Fell des Urs, dessen ellenlange Hörner über dem Haupte als
kriegerischer Kopfschmuck emporstiegen, die Haut des Flenn und des
Bären, auch wohl die Exuvie des Steinadlers, dessen Fittige eine furchtbar
schöne Helmzierde bildeten. Die Gimbern trugen, nach Plutarch (Ma-
rius 25), Helme, die den Rachen fürchterlicher Thiere glichen und andere
seltsame Gestalten hatten; auf diesen standen hohe Federbüsche in Form
der Flügel, wodurch sie um Vieles grösser erschienen.
So verstecken die Indianer der Prairie bei ihren wilden Krieges-
tänzen noch jetzt ihr Haupt hinter fürchterlichen Thiermasken, dem
Bison oder dem Bären entnommen. Aehnlichen Maskenschmuck findet
man bei den Wilden der Südseeinseln. Diese scheusslichen Thiermasken
treten bei den ägyptischen Priestern in feinerer Ausbildung als hieratischer