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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München: Bruckmann, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.66814#0195
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Textile Kunst. Stoffe. Seide.

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ständen durch Stickerei verzierten Seidenstoffe erwähnen. — Auch
diese folgten erst auf noch früher übliche, aus einfachen ungemusterten
Seidenstoffen oder auch aus Leinwand und Baumwolle bestehende Dra-
perieen. Diess erhellt aus den Berichten des Anastasius Biblioth. über
die Schenkungen der ältesten Päpste. So schenkt Sergius (687) tetra-
velia octo, quatuor ex albis, quatuor ex coccino; Gregorius III. (731)
Altarkleider und Vorhänge von weisser Seide mit Purpur verziert (ornata
blatto, das heisst hier wahrscheinlich mit Purpurrändern umsäumt),
St. Zacharias (742) Vorhänge zwischen den Säulen des Ciborium ex
palliis Sericis. Kurz es ist bei diesen älteren Schenkungsnachrichten nie
die Rede von Stickerei und Muster.
Dasselbe scheint auch für die übrigen
Seidenstoffe, die für liturgische Gewänder
bestimmt waren, zu gelten, auch sie
waren wahrscheinlich ganz glatt ge-
gründet oder mit einfachen Gold- oder
Damastmustern versehen und ihren wah-
ren Schmuck erhielten sie erst durch
Stickerei.
So liess Stephan IV. für die Kirche
von St. Peter ein wunderschönes Mess-
kleid aus Gold und Gemmen mit der
Geschichte des hl. Petrus, wie er durch
den Engel aus dem Kerker befreit wird,
ausführen; derselbe Papst (der 768 ge-
wählt wurde) stiftete auch für die grossen
silbernen Thore dieses Tempels Vor-
hänge, die so hoch waren wie die Mauer und aus gekreuzten oder qua-
drirten Zeugen bestanden (de palliis stauracinis seu quadrapolis). Auch
schenkte er fünfundsechzig grosse syrische und goldgegrundete Vorhänge
für die Arkaden der Basilika (die die Seitenschiffe von dem Mittelschiffe
trennten). Auf dem Pluviale des Papstes St. Coelestinus waren die Bilder
der Heiligen Peter und Paul in Seide und Gold mit der Nadel gestickt,
„ein Werk cyprischer oder englischer Kunstfertigkeit“.
Alle hier angeführten Stoffe sind entweder einfach, oder mit linea-
rischen Mustern gewebt, oder gestickt, nirgend ist noch die Rede von
wunderbaren eingewebten Thierbildern. Das Bestiarium des Orientes
wird nun erst eingeführt und in den Berichten wimmelt es von nun an
von seltsamen und barbarischen technischen Benennungen, die zum Theil
 
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