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Viertes Hauptstück.
unregelmässig geordnete Quadergefüge an sich unschön hervortreten und
die Züge der Hieroglyphenschrift undeutlich machen würde. — Nicht
nur die vertieften Reliefs sind mit feinem Stucco präparirt und dann
bemalt; auch die ganze Wandfläche ist damit bekleidet und hierauf
farbig abgetont. Diess bemerkten schon die Architekten von der
exp^dition d’Egypte und findet durch spätere Reisende volle Bestätigung.
Auch der jetzt weissscheinende Stuck zeigt Spuren einer Tränkung;
einer ßacpr], d. i. eines firnissähnlichen UeberzugS; der ihn fester machte 1
und meistens gefärbt war. Die Sockelplatten an den Füssen der Mauern
sind schwarz mit darauf gemalten Lotos- und Papyrosstauden; auch die
Hauptfläche der Mauer ist nicht selten dunkelfarbig; wie an Theilen des
Tempels zu Deir el Bahri (Theben); die mit bunten Darstellungen auf
dunklem Grunde ausgemalt sind. Dergleichen dunkelgründige Wand-
malereien aus Aegypten sind auch in den europäischen Sammlungen
nichts Seltenes; — doch ist im Allgemeinen das Hellgrüne vorherrschend;
wegen der Deutlichkeit des Lesens, denn die ägyptische Polychromie
hatte aufgehört der Absicht des Schmückens zu dienen, war das Mittel
geworden; den Sinn der Darstellung deutlich sprechen zu lassen, wobei
sie dem strengen Kanon der Hieroglyphik zu folgen hatte. Nicht mehr
Farbenmusik; sondern Farbenrhetorik wird hier aufgeführt. — Diesen
Vorschriften widersprach es nicht, für die Plafonds die uralt traditionelle
himmelblaue Farbe mit dem Sternenschmucke beizubehalten. Nur be-
reicherte sich das einfache Himmelszelt, mit wachsendem Umsichgreifen
der Bilderschrift, mit geflügelten Sonnen, kolossalen Geyern, Thierkreisen
und sonstigen, zum Theil höchst seltsamen, astronomischen Symbolen.
Um zu resümiren: Die zu Anfang des §. 75 angeführte Aeusserung
des Herodot bewahrheitet sich vollständig in Beziehung auf den ägyp-
tischen Baustil, insofern er das Umgekehrte desjenigen anderer Völker
des Alterthums dadurch wird, dass bei diesen die Konstruktion immer
mehr den Kern verlässt, äusserlich wird, sich sichtbar darlegt und mit
der Dekoration identificirt, dass dagegen in Aegypten die Konstruktion
auf den Kern zurückverwiesen wird und die Dekoration, d. h. die Kunst-
form in keiner direkten Beziehung zu der Konstruktion steht. Dem ent-
spricht auch in höchst bemerkenswerther Weise die Tendenz der übrigen
1 Die Granitquader einiger Tempel sind zum Thei] innerlich zerfressen und nur
ihre Kruste hat sich gegen die zerstörenden Einflüsse der Feuchtigkeit und der Luft
erhalten, wegen der im Texte erwähnten Tränkung oder Glasirung des Steins. (Minutoli
und andere Reisende.)
Viertes Hauptstück.
unregelmässig geordnete Quadergefüge an sich unschön hervortreten und
die Züge der Hieroglyphenschrift undeutlich machen würde. — Nicht
nur die vertieften Reliefs sind mit feinem Stucco präparirt und dann
bemalt; auch die ganze Wandfläche ist damit bekleidet und hierauf
farbig abgetont. Diess bemerkten schon die Architekten von der
exp^dition d’Egypte und findet durch spätere Reisende volle Bestätigung.
Auch der jetzt weissscheinende Stuck zeigt Spuren einer Tränkung;
einer ßacpr], d. i. eines firnissähnlichen UeberzugS; der ihn fester machte 1
und meistens gefärbt war. Die Sockelplatten an den Füssen der Mauern
sind schwarz mit darauf gemalten Lotos- und Papyrosstauden; auch die
Hauptfläche der Mauer ist nicht selten dunkelfarbig; wie an Theilen des
Tempels zu Deir el Bahri (Theben); die mit bunten Darstellungen auf
dunklem Grunde ausgemalt sind. Dergleichen dunkelgründige Wand-
malereien aus Aegypten sind auch in den europäischen Sammlungen
nichts Seltenes; — doch ist im Allgemeinen das Hellgrüne vorherrschend;
wegen der Deutlichkeit des Lesens, denn die ägyptische Polychromie
hatte aufgehört der Absicht des Schmückens zu dienen, war das Mittel
geworden; den Sinn der Darstellung deutlich sprechen zu lassen, wobei
sie dem strengen Kanon der Hieroglyphik zu folgen hatte. Nicht mehr
Farbenmusik; sondern Farbenrhetorik wird hier aufgeführt. — Diesen
Vorschriften widersprach es nicht, für die Plafonds die uralt traditionelle
himmelblaue Farbe mit dem Sternenschmucke beizubehalten. Nur be-
reicherte sich das einfache Himmelszelt, mit wachsendem Umsichgreifen
der Bilderschrift, mit geflügelten Sonnen, kolossalen Geyern, Thierkreisen
und sonstigen, zum Theil höchst seltsamen, astronomischen Symbolen.
Um zu resümiren: Die zu Anfang des §. 75 angeführte Aeusserung
des Herodot bewahrheitet sich vollständig in Beziehung auf den ägyp-
tischen Baustil, insofern er das Umgekehrte desjenigen anderer Völker
des Alterthums dadurch wird, dass bei diesen die Konstruktion immer
mehr den Kern verlässt, äusserlich wird, sich sichtbar darlegt und mit
der Dekoration identificirt, dass dagegen in Aegypten die Konstruktion
auf den Kern zurückverwiesen wird und die Dekoration, d. h. die Kunst-
form in keiner direkten Beziehung zu der Konstruktion steht. Dem ent-
spricht auch in höchst bemerkenswerther Weise die Tendenz der übrigen
1 Die Granitquader einiger Tempel sind zum Thei] innerlich zerfressen und nur
ihre Kruste hat sich gegen die zerstörenden Einflüsse der Feuchtigkeit und der Luft
erhalten, wegen der im Texte erwähnten Tränkung oder Glasirung des Steins. (Minutoli
und andere Reisende.)