Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Semper, Hans
Das Fortleben der Antike in der Kunst des Abendlandes — Führer zur Kunst, Band 3: Esslingen: Paul Neff Verlag (Max Schreiber), 1906

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.67330#0071
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Anfänge romanischer Baukunst

59

Obwohl die kirchlichen Hauptgründungen Heinrichs L, der
Dom von Merseburg, und Ottos L, der Dom von Magdeburg,
späteren Umbauten vollständig weichen mußten, so ist uns
doch in der Stiftskirche von Gernrode im Harz, einer Gründung
des tapferen Slawenbesiegers, Markgrafen Gero, ein schönes
Beispiel der neuerstandenen sächsischen Kirchenbaukunst er-
halten, in welchem alle bezeichnenden Eigenschaften derselben
schon klar vorgezeichnet, wenn auch noch nicht in voller
Strenge ausgebildet sind. Die Anlage der flachgedeckten
Basilika ist beibehalten und bleibt auch die herrschende in
der niedersächsischen Architektur. Langhaus, Querschiff und
Chor bilden ein lateinisches Kreuz, indem zwischen
Querschiff und Chorapsis noch ein quadratischer, erhöhter
Raum gelegt ist, zu dem eine Treppe zwischen den zwei
gemauerten Kanzeln emporführt, während unter der links-
seitigen Kanzel eine Bogentür sich auf eine schmale Treppe
öffnet, die zur Krypta hinunterführt. Auch an die Seiten-
schiffe legen sich neben den Chor kleine Apsiden. An
der Westseite schließt sich eine Vorhalle mit zwei seitlichen
runden Treppentürmen davor an, ein Motiv, das vom Aachener
Münster stammen dürfte, ebenso wie die Empore mit Arkaden
auf kurzen Säulen zwischen Eckpfeilern, welche über den
schmalen Seitenschiffen als Frauentribüne liegt. Eine
wichtige, für die sächsische Baukunst typische Anlage ist auch
der Wechsel von Pfeilern und Säulen zwischen Mittel- und
Seitenschiffen (Abb. 15).
Von außen bildet die Stiftskirche von Gernrode trotz ihrer
einfach gegliederten Mauermassen und des sparsamen Schmuckes
von Fenstersäulchen und Lesenen (Wandpfeilern) mit Rund-
bogen und Dreieckgiebeln durch die klar ausgeprägten ver-
schiedenen Höhenverhältnisse der einzelnen Bauteile eine
imposante, zugleich ernste und malerische Wirkung, welche
ein besonderer künstlerischer Vorzug der größeren romanischen
Kirchenanlagen Deutschlands bleibt.
In Süddeutschland sind als erhaltene Beispiele des früh-
 
Annotationen