Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Siebmacher, Johann [Begr.]; Gritzner, Maximilian [Bearb.]; Seyler, Gustav A. [Bearb.]
J. Siebmacher's großes und allgemeines Wappenbuch: in einer neuen, vollständig geordneten u. reich verm. Aufl. mit heraldischen und historisch-genealogischen Erläuterungen (Band 1,2): Die Wappen der außerdeutschen Souveraine und Staaten — Nürnberg, 1857

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27909#0025
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ALT - FRANKREICH.

11

Taf. 23

Lndnig Pliilip]» vor und liach «1er
Cliarte.

Ludwig Philipp, Herzog von Orleans (geb. zu
Paris 1773 als der Sohn des gleichnamigen Yaters, der
in der Revolution sich seines herzoglichen Namens ent-
schlug und dafür den des „Bürgers Egalite“ annahm,
dennoch aber am 6. Nov. i793 sein Leben auf dem
Schaffot der Republik enden musste), wurde durch die
Kamrner der Abgeordneten zu Paris 9. August 1830 zum
„König der Franzosen“ proklamirt.

Er führte nach seinem Regierungsantritt den Scliild
Orleans*) mit der französischen Königskrone bedeckt,
hinter dem Schild den alt-französischen Zepter und die
main de justice, hinter dem Ganzen aber sechs, je drei,
r., s., b. Fahnen **), an deren Stangen oben ein g. Hahn,
gekreuzt, Es lässt sich in diesem Wappen schon eine
bedeutende Hinneigung zur Gunst und dem Willen des
Volkes erkennen , noch mehr aber ist dies der Fall in
dem zweiten Wappen, das er nach Ertheilung der
Charte durch Ordonnanz vom 16. Febr. 1831 annahm
und bis zu seiner Vertreibung durch die Februarrevo
lution 1848 führte.

Die Franzosen wollten keine Lilien mehr sehen,
und Louis Philippe beeilte sich in Folge dessen, sie zu
entfernen. Nicht nur dass er sein altes angestammtes
Wappen Orleans aufgab und dafür einen Schild an-
nahm, in welchem die Cha-rte mit ihren vier ersten Pa-
ragraphen repräsentirt war, so veränderte er auch die
alte Königskrone und den Zepter gänzlich, um jede
Spur der altehrwürdigen Lilien bei Seite zu scliaffen ;
nur die Fahnen hinter dem Schilde blieben sich gleich.

Die zwei s. Geseztafeln im b. Felde führen die
Inschrift;

C li a r t c d c 1 8 3 0.

Article I. Les francais sont egaux devant la loi,
quelsque soient d’ailleurs leurs titres et leurs
rangs.

A r t i c 1 e II. Ils contribuent indistinctement dans
la proportion de leur fortune aux charges de
l'Etat.

Article III. Ils sont tous egalement admissibles
aux emplois civiis et militaires.

Artiele IV. Leur liberte individuelle est egale-
ment varantie, personne ne pouvant etre poursuivi
ni arrete C|ue dans les cas prevus par la loi et
dans la forme qu’elle prescrit.

Ich bemerke noch, dass auf den Originalsiegeln
Louis Philipps der lezte Paragraph der Charte nicht
ganz auf den Tafeln steht, und dass man auf einigen
Abbildungen (auf dem Öriginalsiegel jedoch nicht)
den Orden der Ehrenlegion um den Schild gehängt
findet.

Taf. 24-

Daupltiii. — Orleaits. —Anjoti. —
Rotii’I»on.

Nachdem ich nun in fünf vorhergehenden Tafeln
die Heraldik der jeweilig regierenden Linie inAlt-Frank-
reich dargestellt, werde ich in den nächstfolgenden die
Wappen der Sölme dcs Königs, der Prinzen von Ge-
blüt, und deren Nebenlinien, zulezt aber noch die
Wappen einiger der bedeutendsten Kron-Vasallen und
Provinzen Altfrankreichs geben.

*) Weiteres hierüber siehe unten Taf. 24.

**) Die Tricolor schreibt sich aus der französischcn Revolution her.

Es gibt ausser der altfranzösischen Heraldik und
der mit derselben gleichlaufenden englischen, keine, die
die Praxis der Beizeichen so sehr geübt hätte als diese.
Nicht ohne das grösste Interesse verfolgen wir den Geist
und die Entwicklung derselben, um so mehr als sie
(von der eigentiich deutschen gänzlich verschieden) sich
nur auf den Schild allein beschränkt, dagegen die Klei-
node stets als Nebensache behandelte, wie sich durch
die weiter unten folgenden Beispiele hinlänglich erse-
ben wird. &

Unter den „Söhnen des Königs“ nimmt die erste
Stelle der bestimmte Thronfolger, der Dauphin, ein.
Das Deifinat, eine Provinz in Südfrankreich, hatte ehe-
dem seine eigenen Herrn, die sich Dauphins de Viennois
nannten. Der lezte derselben, Humbert, war kinderlos
und vermachte sein Land im J. 1349 an König Phi-
lipp VI. von Frankreieh, unter der Bedfngung, dass
jedesmal der älteste Sohm des Königs von "Frankreich
den Namen Dauphin und das Wappen des Delfinats
neben seinem Schilde f'ühren sollte.

Das Siegel des ersten französischen Dauphins Karl,
aus dem J. 1350, ist rund und das Siegelfeld geviertet
mit Frankreich (gesät) und Delfinat. Das Wappen
dieser Provinz hat in G. einen r.-gewaffheten b. Delfin.

Ein grosseres Siegel desselben Karls hat einen Drei-
eckschild von Frankreich und Deifinat geviertet. Später
als _ man den besäten Schiid allmählig gegen den der
drei Liiien aufgab*) erscheinen auf dem Schilde des
Dauphin im 1. und 4. Feld blos die drei Lilien.

Das vorliegende Wappen ist nach einer gemaiten
Abbildung des Dauphin’s Ludwig aus dem J. 1450 bei
Montfaucon. Der H e 1 m hat eine Decke die ganz in
Theiiung und Farben des Schildes gehalten ist. Als
Kleinod findet sich eine doppelte g. Lilie, jedes Blatt
oben mit einem Pf'auenspiegel besteckt. **)

Palliot p. 428 sagt zwar; „tous princes de sang por-
tent pour cimier la double fleur - de - lis, l’un surmontee
de l’autre“, ich habe jedoch viele gegentheilige Beispiele
auf Siegeln gefunden , wie auf einem Siegel Caroli pri-
mogeniti regis Franciae vom J. 1320 (Tresor I. 1.), wo
dieser Prinz auf dem Hefm die Figur eines Bogenschü-
zen trägt, dann auf vielen Reitersiegeln der Dauphins
(ibidem), wo blos eine einfache mit Pfauenspiegeln oder
Schellen besteckte Lilie als Ivleinod sich zeigt.

In spätern Zeiten lindet das Wappen des Dauphins
sich blos mit Schild, darauf' die französische Königs-
krone und um den Schild die Orden St. Michael und
St. Esprit y „welche der Dauphin allein und sein Sohn
in der Wiege empfangen.“

Orleans, Grafschaft, seit 1356 Herzogthum, wurde
im gedachten Jahre von König Philipp seinem zweitge-
bornen Sohne übergeben, nach dessen kinderlosem Tode
kam es an aen zweiten Sohn Karl’s VI., Ludwig, der
es bei seinem Regierungsantritt ais Ludwig XII. , 1498,
mit der Krone vereinigte. Fortan führte jedesmal der
zweitgeborne Sohn des Ivönigs und Bruder des Dauphins
Titel und Wappen eines Herzogs von Orleans.

W a p p e n ; Frankreich ***) mit. einem dreiläzigon
s. Turnierkragen. Auf' dem Helm ein b., g. Wulst,
daraus eine g. Lilie mit Pfauenspiegeln besteckt wachsend.
Die Decken sind b., g., finden sich aber nicht selten
auch auf der b. Seite mit g. Lilien bestreut.

Vorliegendes Wappen ist nach einem Siegel Johanns
von Orleans aus dem J. 1467. Schildhalter sind dort
zwei Schwanen.

A n j o u, eine Provinz zwischen Poitou und der
Bretagne gelegen, hatte vor Alters seine eigenen Grafen.
Ludwig IX., der IJeilige, erhob es 1246 zum Herzog-
thum und gab es seinem Bruder lvarl. Als Philipp
von Anjou als Philipp VI. den französischen Thron

*) Siehe oben Taf. 20.

**) Ich finde statt der Pfauenspiegel auch zuweilen g. Schellen.
Oefters fehlen heide.

***) Ich brauche nicht besonders mehr zu erwähnen, dass der Schild,
wie alle Schilde Frankreichs in ältesten Zeiten, besät erscheint.

3 *
 
Annotationen