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Siebmacher, Johann [Bibliogr. antecedent]; Seyler, Gustav A. [Oth.]
J. Siebmacher's großes und allgemeines Wappenbuch: in einer neuen, vollständig geordneten u. reich verm. Aufl. mit heraldischen und historisch-genealogischen Erläuterungen (Band 1,5,2): Klöster — Nürnberg, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.27249#0059
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BISTHÜMER UND KLÖSTER, n. reihe; klöster

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nicht zu Gunsten des Stiftes endigten. Die Appenzeller
wurden von K. Ruprecht zu Constanz 1408 von der Herr-
schaft des Abtes förmlich freigesprochen, worauf sie sich
1411 in ein Burg- u. Landrecht mit den Eidgenossen
begaben.

Der friedliebende Abt Caspar von Landenberg been-
dete die alten Schwierigkeiten dadurch, dass er am
15 Aug. 1451 mit den vier Orten Zürich, Luzern,
Schwytz und Glarus ein Burg- u. Landrecht schloss,
jedoch mit Vorbehalt der Pflicht, womit er dem Papst
und dem Kaiser beigethan, aller Vorrechte der Geist-
lichkeit und aller Freiheiten seiner Leute und Untertbanen.

Sein Nachfolger Ulrich Rösch brachte 1462 die Herr-
schaft Rorschach völlig an das Stift, erkaufte das halbe
Gericht zu Waldkirch, erlangte von K. Friedrich III. den
Blutbann erkaufte 1468 die Grafschaft Toggenburg mit
aller Herrlichkeit für 14,500 Gulden von den Freiherrn
Petermann und Wilhelm v. Raron, welche diesen Besitz
von dem Grafen Friedrich v. Toggenburg ererbt hatten.

Abt Eranz Geissberger iiess sich 1504 zuerst vom
Papst zu Rom bestätigen, entzog sich der bischöflichen
Jurisdiction und wurde unmittelbar dem päpstlichen Stuhl
unterworfen.

Als die Orte Zürich und Glarus zur Zeit der Reli-
gionsspaltung dem Abt Kilian die Annahme der Refor-
mation zumutheten, zog sich dieser mit seinem Convente
1520 nach Bregenz zurück, worauf die gedachten Orte
das Kloster der Stadt St. Gallen verkauften Jedoch
brachten es die Orte Schwytz und Luzern dahin, dass
Abt Diethelm A. 1532 (1. März) wieder in das Kloster
eingesetzt und ihm von der Stadt ein Schadenersatz von
10,000 Gulden gewährt wurde.

Für die hohe Bedeutung des Stiftes zeugen ferner
folgende Verträge. Abt Franciscus trat 1511 in die ewige
Erbvereinigung mit dem Erzhause Oesterreich und 1511
in den ewigen Frieden, welche mit der Krone Frankreich
geschlossen wurde. Im J. 1604 u. 1634 errichtete der
Abt mit dem Könige von Spanien und 1634 u. 1686 mit
den Herzogen von Savoyen ein ßündniss, welche letztere
aus dieser Veranlassung die Aebte mit dem Orden de
l’Annunciata zu beehren pflegten.

Seit dem Kaufe der Grafschaft Toggenburg behaup-
teten die Aebte die unumschränkte Herrschaft über die
Landlcute der Herrschaft. In der Folge sahen sich diese
zu Anfang des 18. Jahrh. veranlasst ihre alten Ereiheiten
hervorzusuchen, worüber es 1712 zu einem ordentlichen
Kriege kam. Der Abt hatte die 5 katholischen Orte
Luzern, Uri, Schwj'z, Unterwalden und Zug auf seiner,
die Toggenburger Landleute Bern und Zürich auf ihrer
Seite. Der Abt Leodegar Bürgisser wurde aus dem
Lande vertrieben und starb 1717 zu Neu-Ravenspurg in
Schwaben. Ihm folgte am 8. Dec. 1717 P. Joseph v. Ru-
dolphi, welchem durch den Frieden vom 15. Juni 1718,
zu Baden geschlossen, seine Lande völlig wieder zuge-
stellt wurden.

Das Stift hatte seine eigenen Erz- und Erbämter,
nämlich

Truchsessen; die Herzoge von Schwaben (?) Unter-
truchsessen: die von Singenberg u. die v. Bichelsee.

Schenken: die Grafen v. Hohenberg, Unterschen-
ken: die Schenken v. Landegg -

Mar sc halle: die Grafen v. Hohenzollern, Unter-
marschälle: die v. Mammertshofen u. die v. Thurn und
Valsassina.

Kämmerer: die Freien v. Regensberg; Unterkäm-
merer: die v. Truburg, später die Gielen von Glattburg.

Der Abt hatte ausserdem einen eigenen weltlichen
Hofstaat, nämlich einen Hofmarschall, Landeshofmeister,
Kanzler, dann einen Landvogt im Toggenburg, Reichs-
vogt in Wyl, Obervögte zu Rorschach, Oberberg, Romis-
horn, Blatten, u. Neu - Ravenbnrg, sowie Lehenvögte zu
St. Gallen und Wyl. Das Stift ernannte aus seiner Mitte

Statthalter nach St. Gallen, Wyl, Rorschach, Neu St Jo-
hann, u. Ebringen im Breisgau, Pröpste nach Alt St. Jo-
hann u. Peterszell.

Die Benedictinerabtei Alt St. Johann im Thürthal
wurde um 1152 von den Edeln Wenzel, Eticho und Lu-
thold von Gantersschwyl gestiftet und wurde 1549 dem
Abt Diethelm Blarer von St. Gallen übergeben und am
6. Dez. 1555 dem Stifte förmlich einverleibt.

Bei der Revolution im J. 1798 verlor die Abtei alle
Hoheitsrechte und am 8. Mai 1805 erfolgte die definitive
Aufhebung des Stifts durch die Regierung des Cantons
St. Gallen.

Wappen.

Das Capitulum Sancti Galli führte im g. Felde den
hl. Gallus rechtsgewendet in einem Stuhle sitzend und
in der Rechten einen Stab haltend; vor ihm steht auf-
recht ein Bär, welcher einen Ast mit den Vorderpranken
auf der Schulter hält*) (Taf. 72).

Heinrich I1L von Gundelfingen 1411 —1417
nach dem Constanzer Concilienbuch.

Quadrirt 1. u. 4. der Bär, einen Ast auf der Schul-
ter haltend 2. u. 3. eine interessante Variante des Gun-
delfinger Wappens: ein geästeter Baumstamm. Neben
dem Schilde steht die Inful, durch welche der Krumm-
stab gesteckt ist (Taf. 71).

Hiezu ist zu bemerken, dass in allen Abtswappen die
mir sonst vorgekommen sind, der Bär keinen Ast zu
tragen pflegt. Es wird einfach ein aufgerichteter 4T Bär
in G. geführt,

Johann Stumpf giebt in seiner „Schweytzer Chronik“
(Zürich 1606) ein hierhergehöriges Wappen mit der Be-
zeichnung „Ulrich VII". Ohne Zweifel ist aber gemeint:

Ulrich VIII. Rösch 1463 1457, der Käufer der

Grafschaft Toggenburg.

3 Schilde 1 der Bär 2. (in G.) ein Hund (Dogge)
als das Wappen der Grafschaft Toggenburg

3. zwei ins Andreaskreuz gelegte Stäbe (?). Ueber den
Schilden schwebt die Inful, durch welche der Krummstab
gesteckt ist (Taf. 72).

Othmar II. Kuonz 1564—1577. Nach einem

gleichzeitigen, gemalten Wappen:

Quadrirt: 1. der Bär 2. in ß. ein n. (s.) Lamm mit

*) Diese Darstellung bezieht sich auf folgende Le-
gende und Wappensage, die ich mit den Worten meines
Gewährsmannes erzähle. Als der hl. Gallus den Platz
zu seiner Zelle gefunden hatte, machte er ein Kreuz von
einem abgeschnittenen jungen Baum, bezeichnete damit
den Ort, und verrichtete davor sein Gebet. Hierauf ass
er mit seinem Gefährten, einem Diacone. „Als sie sich
nach dem Abendessen auf die Erde zur Ruhe niedergelegt
hatten, sähe der noch nicht eingeschlaflene heil. Gallus
einen ungeheuren Bären herbeikommen, der die von ihnen
übrig gelassenen Brocken Brods begierig auffrass. Er
erschrack über denselben gar nicht, sondern sprach viel-
mehr zu ihm: Bestia, ich gebiethe dir im Namen des
Herrn, dass du mir Holtz zum Feuer herbringest. Der
Bär gehorchte dieser Stimme und brachte gleich ein
grosses Stück Holtz herbeigeschleppet und warff es ins
Feuer. Der heil. Gallus wollte sich nichts umsonst thun
lassen, sondern gab aus seiner Taschen dem Bären noch
ein grosses Stück Brod, befahl ihm aber aus diesem Thal
zu weichen und auf den umliegenden Bergen sich aufzu-
halten, jedoch weder Menschen noch Vieh zu beleidigen,
worauf derselbe sogleich seinen Rückweg nahm“. — Diese
Legende erzählt bereits der 840 lebende Abt Walafried
zu Reichenau im „Leben des heil. Gallus“ ^Goldast,
Script, rer. Alemann. T. I).
 
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