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Sieglin, Ernst von; Schreiber, Theodor [Editor]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 1,1): Die Nekropole von Kôm-esch-Schukâfa — Leipzig, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27160#0255
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KAPITEL XVII

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Lieblingstieren (Hunde, Vögel, Reittiere), vielleicht auch irgendwelche Statuetten, die
dem Lebenden schon nichts anderes als Spielzeug gewesen waren. Aus diesem Gedanken-
kreis heraus würde sich ein Teil der Motive der alexandrinischen Koroplastik (z. B. die
weiblichen Gewandfiguren von der Gattung der Tanagräerinnen — einige Beispiele siehe
in Beiblatt IX) erklären lassen, vor allem viele von den auf Tafel LXVI11 abgebildeten
Terrakotten aus dem Gräberfelde von Karmüz.52 „Spielsachen, Tierfigürchen, auch aus
Zeug zusammengenähte Puppen“ hatte Schweinfurth53 bei den Kinderleichen einer der
Grabhügel von Krokodilopolis-Arsinoe im Faijüm gefunden. Offenbar sind danach auch
die Kinderfiguren des Friedhofes von Karmüz (Tafel LVIII, 1—3. 7. 14. 15. 18. 19)
Totengeschenke für früh verstorbene Kinder, Spielgeräte aus der Kinderstube, in denen
sich die Welt der Kleinen wiederspiegelt, das fleissige, im Buch lesende Kind (Figur 7)
ebenso geschildert wird, wie das müssige, das mit seinem Hündchen spielt (Figur 2. 19).

Abb. 166. Sänfte, Tongruppe aus einem
Grabe v. Hawara. (Nach Fiinders Petrie,
Hawara pl. XX, 7.)

Abb. 167. Tonlampe (bilychnos) aus Coli. Lawrence in Alexandrien.

Eine lange Reihe anderer Terrakotten veranschaulicht das Leben der Erwachsenen —
den im Feierkleid lustwandelnden, von seinem Diener begleiteten Bürger sehen wir
unter den Karmüzfiguren auf Tafel LVIII, Figur 10 cf. 5. 6 —, die Berufstätigkeit zum
Teil in satirischer Auffassung, die Possenreissereien der Gasse, die Ergötzungen des
Theaters und der Arena, an denen die Alexandriner so leidenschaftlichen Anteil nahmen.
Alle diese Terrakotten fanden gewiss zunächst ihren Platz in den Wohnungen der
Lebenden54 und erhielten erst später ihre letzte Verwendung, indem man sie zur Er-
heiterung des Toten diesem ins Grab mitgab. Wenn uns eine Terrakotte aus dem Gräber-
felde von Hawara (Textbild 166) schildert, wie sich eine Dame in ihrer Chaise von zwei
Dienern ins Freie tragen lässt, um frische Luft zu schöpfen — die beiden Träger haben
die Sänfte auf den Boden gesetzt, die an der Vorderseite angebrachte Tür ist weit geöffnet
und sie selbst streckt die rechte Hand aus als Zeichen der Freude über den Anblick der
freien Natur —, so ist dieses primitive Erzeugnis eines spätrömischen XsTCToxspafisug wohl
zunächst als Genrebild für den Schmuck eines Wohnzimmersimses bestimmt gewesen.
 
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