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Sieglin, Ernst von; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 1,1): Die Nekropole von Kôm-esch-Schukâfa — Leipzig, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27160#0276
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254

KAPITEL XVIII

offenbar nach älterer Sitte dem Toten in das Grab gelegt wurden, finden sich häufig
kleine tönerne Nischen oder Kapellen, die wie Nachbildungen jener altägyptischen, die
Standbilder des Ka enthaltenden Nischen aussehen. Eine Probe wiederholen wir nach
einer aus Aegypten stammenden Terrakotta des Bonner akademischen Museums in Ab-
bildung 188. Es ist eine 0,1 15 m hohe Platte aus braunem Ton, nur auf der Vorder-
seite bildlich geschmückt, und zwar mit einem kleinen Naiskos, der
aus einem Sockel, zwei glatten, mit rohen, kelchartigen Kapitälen
geschmückten Säulen und der üblichen Hohlkehle besteht. In der
Nische steht eine nackte männliche Figur im Schema altägyptischer
Grabstatuen, also mit gesenkten anliegenden Armen, geschlossenen
Händen und Vorgesetztem linken Bein; auch Gesicht und Haar
scheinen zu ägyptisieren.

Das Berliner Museum enthält andere Beispiele, in denen die
Nische reicher ausgestaltet ist, und sich zum Teil schon den aus
alexandrinischen Grabstelen bekannten Formen nähert. Einmal tritt
an Stelle des nackten Aegypters in gleicher Haltung ein nacktes
Weib.3 Da der Porträtcharakter der Figuren keine Beziehung auf
göttliche Wesen zulässt, werden sie als Doppelgänger des Toten, die
in der Grabestür stehen, aufzufassen sein. Es sind Verkleinerungen
der Grabstatuen, die dem Teilhaber eines Massengrabes in den
loculus gelegt werden können.

Die Vorsorge für den Toten verfällt noch auf andere Hilfsmittel. Wie man zur
Zeit der Pharaonen die Ka-Bilder im Serdab reihenweise aufstellt und so die Möglich-
keiten für die Fortdauer des Ka vervielfacht, wie die Armen sich begnügen Kästen mit
Holzpuppen als Ersatz solcher Grabfiguren in die Grube zu legen1 und auch die Reichen
vorsorglich den Totenstatuen einige Reserveköpfe beifügen, so behilft man sich in
hellenistischer und römischer Zeit gern mit verkürzten Ton-
figuren, indem man nur die Köpfe in ganzen Serien, wohl
auch an Schnüre gereiht, dem Toten beigibt. Dass die Sitte
uralt ist, haben Steindorffs letzte Ausgrabungen bei der
Cheopspyramide und diejenigen Borchardts auf dem
Pyramidenfeld von Abusir erwiesen. In beiden Fällen, denen
sich andere anreihen lassen, fand sich in Mastabagräbern

aus der Zeit der fünften Dynastie an Stelle der gewöhnlichen Totenstatuen je ein aus
Kalkstein gearbeiteter, fast lebensgrosser Kopf, der unten am Halse eine glatte Schnitt-
fläche aufweist (vergl. Beiblatt III Figur/})5, genau wie sie den hellenistischen Tonköpfen
eigentümlich ist. In den Nekropolen von Antinoe hat Albert Gayef’ einmal neben zwei
weiblichen Leichen, deren gesamte Grabausstattung sich unberührt erhalten hatte, eine
oder mehrere Ketten mit 15 weiblichen Tonköpfen gefunden. Die Anordnung des
ganzen, hier sehr mannigfaltigen Totenmobiliars veranschaulichen unsere Abbildungen auf

Abb. 188. Nische mit dem
Bild des Ka. Terrakotta.
(Bonn, Akad. Museum.)

Abb. 189.

Abb. 190.
 
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