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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0132
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LETZTE WARNUNG AN DIE MENSCHHEIT

Am 29. Juni des Mondjahres 1946 erschien in der Nacht-
ausgabe des „Lunakuriers" folgender Aufruf aus der
Feder des bekannten, damals vierundneunzigjährigen
Astronomen Prof. Dr. Dr. Salvatius Pax:
„Bewohner des Mondballes, wenige Tage bevor die ge-
fährlichen Atombombenwürfe im großen Kraterozean
stattfinden sollen, wende ich mich mit einer letzten,
ernsthaften und dringenden Bitte an die Weltöffentlich-
keit. Meine Worte möchten die Vernunft und das Ge-
wissen aller Mondbürger wachrufen, um sie in der
einzig noch möglichen Minute zu einem einstimmigen
Protest gegen die geplante Unternehmung zu veran-
lassen.

Meine Warnung stützt sich auf die Ergebnisse jahrelan-
ger wissenschaftlicher Arbeiten, die das Werk meines
langen Lebens ausmachen. Sie geben umfassenden Auf-
schluß über die Entwicklungsgeschichte der Menschheit
und werden im folgenden zum erstenmal bekanntge-
geben: in der Hoffnung, daß es noch zur rechten Zeit
geschieht.

Seit langem ist offenbar, daß unser Mond den einzigen
nicht leuchtenden Himmelskörper im gesamten Weltall
darstellt. Auf allen anderen Körpern, die wir Sonnen
oder Sterne nennen, herschen ungewöhnlich hohe Tem-
peraturen, die — wie wir heute wissen — durch fort-
gesetzte Spaltung von Atomen an der Oberfläche dieser
Körper entstehen.

Bisher war man allgemein der Ansicht, daß dieser Zu-
stand seit undenklichen Zeiten derselbe gewesen ist. Ge-
naue, von mir seit dreiundsiebzig Jahien betriebene Be-
obachtungen unserer nächstgelegenen Sonne, der Erde,
beweisen nun jedoch eindeutig, daß ursprünglich alle
Himmelskörper normale Temperaturen hatten und von
Menschen besiedelt waren. Wie bei uns auf dem Mond

fand überall eine etwa gleichartige Entwicklung statt,
die von der Steinzeit über den Beginn der Zivilisation
zur Periode der Technik führt. Am Ende dieser letzten
Periode steht die Entdeckung der Atomkraft. Es ist der
Menschheit bisher auf keinem Stern unseres Universums
gelungen, über diesen Zeitpunkt hinauszukommen.
Immer hat die Möglichkeit der Atomzertrümmerung zur
Katastrophe geführt, die durch ungeheure radioaktive
Kettenreaktionen bei großen atomwissenschaftlichen
Versuchen die Sterne zum Glühen gebracht und die auf
ihr lebenden Menschen im Augenblick vernichtet haben.
Auf der Erde, dem letzten außer dem Mond noch be-
wohnt gewesenen Weltkörper, fand die Atomkata-
strophe vor etwa drei bis vier Millionen Jahren statt.
Im 20. Jahrhundert der damals auf der Erde üblichen
Zeitrechnung hatten zwei große Kriege die Erdbewoh-
ner heimgesucht. Am Ende des zweiten Krieges, im
Jahre 1945, war der „Atompunkt" erreicht, ein damals
mächtiger Staat warf die beiden ersten radioaktiven
Bomben auf Städte eines feindlichen Inselreiches und
konnte es dadurch besiegen. Ein Jahr später, am 1. Juli
1946, warf man nach umfangreichen Vorbereitungen
eine dritte Bombe über einer Versuchsflotte ausgedienter
Schiffe ab.

GEPRESSTES

Der Dichter sitzt im Schüttelraum
und destilliert den ltüttelschaum.
Behend tut er die Falle stellen,
sobald sich die Kristalle fällen,
preßt sie sodann in Leinewand
und unter''s Volk. — Oh, weine, Land !

O. Strauß

WUT AUF DAS KIPPENSAMMELN

Weil die Wirkung geringer war, als man erwartete,
wagte man nach wenigen Monaten, eine bedeutend grö-
ßere Bombe im Ozean unter Wasser auszulösen. Dabei
zertrümmerten die berstenden Bombenatome die benach-
barten Wasserstoffatome des Meerwassers, und im Bruch-
teil einer Sekunde war der bis dahin kühle Planet Erde
in einen glühenden, atomsprühenden Stern verwandelt,
als der er uns heute noch erscheint.

Ein winziges Stück seiner Oberfläche wurde gegen den
Mond geschleudert, der vorher kalt und unbewohnt ge-
wesen war. Ein Teil der Erdatmosphäre hüllte sich um
ihn. Etwa dreihundert auf dem Stück Erdoberfläche her-
übergekommene Menschen blieben am Leben und wur-
den zu Stammeltern der Mondbevölkerung.
Die Entwicklungsgeschichte auf dem Mond ist allgemein
bekannt und verlief ähnlich wie auf anderen Sternen
auch. Die für den 1. Juli angekündigten Versuche zei-
gen mahnend an, daß wir kurz vor dem kritischen
Punkt stehen und damit — falls meine Warnung nicht
gehört wird —: vor dem Ende der Menschheit."
Der Aufruf des Professors Pax erregte auf dem ganzen
Mond größtes Aufsehen. Am gleichen Abend noch wurde
er in allen Mondsprachen über sämtliche Rundfunksen-
der des Gestirns verbreitet und stand am folgenden
Morgen in allen Ländern auf Extrablättern nachge-
druckt. Die Bevölkerung protestierte in großen Demon-
strationen gegen die Atomexperimente.
Eine Abordnung bedeutendster Wissenschaftler aller
Nationen forderte auf einer eilends eingerufenen Ta-
gung des Mondsicherheitsrates die Einstellung der Ver-
suche. In einer sofort vorgenommenen Abstimmung ent-
schieden sich 46 Delegierte für, 45 gegen das Unter-
nehmen.

Vierundzwanzig Stunden später erschütterte ein Knall
den Himmelskörper. Der Mond war zur Sonne gewor-
den. Abermilliarden platzender Atome sprangen ins
Weltall hinaus, die letzte Kolonie der Menschheit in
sengender Glut vernichtend. H. J. Hansen

Da sind die Leidenschaften!

Mißtraue jedem, der nicht irgendein kleines Laster offen
zur Schau trägt! Er ist bestimmt ein lasterhafter Mensch!
Irgendwo, ganz im Verborgenen! Wer nicht liebt, nicht
raucht, nicht trinkt, kein Fleisch ißt (solange die Möglich-
keiten gegeben sind), ist unheimlich und gefährlich! Wir
haben Beispiele . ..

Da bückt sich einer, ohne viel Aufhebens, nach einem
Stummel, der wenig gebraucht und geraucht am Boden
liegt. Du wirfst Dich erhaben in Dein bißchen Brust und
dankst irgendeinem unbekannten Gotte, daß Du nicht
bist wie jener .. .

Ich denke hierbei nicht unbedingt an jene Aasgeier, die
hinter jedem rauchenden Yankee her sind. (Obwohl ge-
rechterweise von jedem sich im obigen Sinne als laster-
haft Bekennenden eingesehen werden wird, daß nichts
menschlicher Würde und Selbstachtung so abträglich sein
kann wie die Sucht nach Nikotin. Weit mehr jedenfalls,
so lehrten mich die letzten Monate, als die nach Alkohol.
Auch hier sind natürlich die Unterschiede graduell, wo
Scham und Ekel schwinden. So bückt sich wohl einer be-
denkenlos nach einer Brotkruste im Rinnstein, wozu ein
anderer sich erst am 3., ein Dritter gar erst am 8. Tage
nach der letzten Mahlzeit überwindet.)

Auf jeden Fall hat dieMP von vornherein keinen Grund,
jenen tiefgebeugten Kippenleser des Schwarzhandels zu
verdächtigen. Er hat sicher noch keinen Anschluß an den

Schwarzen Markt gefunden. Ich verdächtige ihn sogar,
daß er hierfür ein zu anständiger Kerl ist. Vielleicht
könnte er hagere Kinderchen nicht ungerührt um Brot
jammern sehen, während bei ihm Kisten mit Butter
unter dem Bett stehen.

Wahrscheinlich ist er unreinlich und bestimmt kein
Ästhet. Ich will Dich auch nicht überreden, ihm die
Hand zur Freundschaft hinzureichen. Aber dürfen wir
ihn verachten? Dürfen es jene besseren Herren, die, auf
Kosten des Wirtschaftsgeldes für ihre Familie, täglich
glauben, sich Zigaretten, das Stück zu 5 Mark, leisten zu
können?

Die Tat ist keine asoziale. Es gibt Kavaliere im Frack
mit blütenweißer Weste, die tief unter ihm stehen. Nur
verzeihen wir eben leider eine erniedrigende Schurkentat
leichter und schneller, als einen Verstoß gegen das Her-
kömmliche und die gute Sitte. Warum? Hier liegt eine
der Wurzeln allen Übels in der Welt. Wenige, die^sich
nie zu der Bekanntschaft des Kippensammlers bekennen
möchten, würden sich durch den freundschaftlichen Gruß
eines innerlich unsauberen Herrn verunehrt fühlen, ins-
besondere solange er noch seine Luxuslimousine fährt.
Mir wäre wohler, der kleine Goebbels wäre ein Jesuit
geblieben und hätte nicht nur sein Maul ungewaschen
gehalten, und der große Adolf würde Stummel gesam-
melt haben statt alle aufbauwilligen Kräfte arisch-ger-
manischer Abstammung. Wir wären weiter gekommen!

Wiscbo

E. Willmann

DIE VERSUCHUNG

DER HERR „ASSISTENZARZT"

März 1945. Im Krankenrevier der Wehrmachtkom-
mandantur stellv. Gen. Kdo. XIII. AK. ist neben einem
Stabsarzt auch ein Assistenzarzt tätig, erkrankte Solda-
ten der unterstellten Dienststellen und im Urlaub er-
krankte Soldaten zu betreuen. *
Dieser Assistenzarzt Dr. L. ist wirklich ein „Assistenz"-
arzt. Er legt besonderen Wert darauf, als Assistenzarzt
angesprochen zu werden.

Ein Soldat, Teilnehmer am ersten Weltkrieg 1914/18,
also ein alter Hase, spricht aus Erfahrung diesen moder-
nen Medizinmann mit „Herr Doktor" an. Darob sei-
tens des Herrn „Assistenz"-Arztes große Empörung.
„Wie reden Sie mit mir! Sind wir im Zivil oder beim
Militär?" faucht er, der 25jährige, den Jahrgang 1895
an. „Sie warten, bis Sie wissen, wie Sie mich anzureden
haben."

Der Jünger Äskulaps hört inzwischen gelangweilt die
Beschwerden der erkrankten Soldaten an, die sie mit
angelegten Händen, strammstehend — so will es der
Herr Assistenzarzt — vorbringen. Wer aber glaubt, er
handle richtig, wenn er dem großen Medizinmann ein
Organ nennt, das ihm Schmerzen verursacht, dem fährt
diese moderne Leuchte der Medizin sofort dazwischen:
„Das werde ich konstatieren, was Ihnen fehlt."
Nun behandelt er einen Rechnungsführer des Gen.Kdos.,
der an Rheuma erkrankt und sichtlich mit Schmerzen
,behaftet ist. Der moderne Dr. Eisenbarth biegt dem
Unteroffizier seine Rheuma-Knochen gerade, daß dieser
vor Schmerz laut aufschreit.

Der Herr Assistenzarzt, der gewohnt ist, daß seine Roß-
kuren widerspruchslos erduldet werden, droht, den
Unteroffizier einsperren zu lassen, zumal dieser erklärt,
sich beschweren zu wollen.

Als sich der Unteroffizier nicht mehr schinden läßt,
macht der edle Menschenfreund — als Arzt ist er dies
ja bekanntlich — im Krankenbuch den Eintrag: „Läßt
sich nicht behandeln."

Die Behand'.ungsweise des Herrn Assistenzarztes ist
übrigens denkbar einfach. 99,9 v.H. aller Soldaten — nach
bekanntem Naziwahlen-Muster — werden dienstfähig
geschrieben, für Lungenbeschwerden gibt es Solvenz-
tabletten. Beweis: das Krankenbuch des stellv. Gen.
Kdo. XIII. AK.

Die Soldaten-Patienten oder Patienten-Soldaten wün-
schen den Herrn Assistenzarzt zum Teufel und be-
dauern diejenigen Privatpatienten, die — sofern er wie-
der Arzt im Zivilleben ist — aus Unkenntnis seine
ärztliche Kunst in Anspruch nehmen müssen.

H. Nestmeier

I32
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Versuchung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Willmann, Ernst
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Der Simpl, 1.1946, Nr. 11, S. 132.

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