Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (2.1947)

MALEREI IMMER NOCH POPULÄR

leb fordere die Mcrzbühne. Ich fordere die restlose
Zusammenfassung aller künstlerischen Kräfte zur Erlangung
des Gesamtkunstwerke». Ich fordere die prinzipielle Gleich-
berechtigung aller Materialien, Gleichberechtigung zwischen Voll-
menschen, Idiot, pfeifendem Drahtnetz und Gedankenpumpe. Ich
fordere die restlose Erfassung aller Materialien vom Doppelschienen-
ichweißer bis zur Dreiviertelgeige. Ich fordere die gewissenhafteste
Vergewaltigung der Technik bis zur vollständigen Durchführung der ver-
»chmelzenden Verschmelzungen. Ich fordere die abstrakte Verwendung der
Kritiker und die Unteilbarkeit aller ihrer Aufsätze über die Veränderlichkeit des
Bühnenbildes und die Unzulänglichkeit der menschlichen Erkenntnisse überhaupt.
Ich fordere den Bismarckhering. Man setze riesenhafte Flächen, erfasse sie
bis zur gedachten Unendlichkeit, bemäntele sie mit Farbe, verschiebe sie
drohend und zerwölbe ihre glatte Schamigkeit. Man zerknicke und turbuliere end-
liche Teile und krümme löchernde Teile des Nichts unendlich zusammen. G w lattende
Flächen überkleben. Man drahte Linien Bewegung, wirkliche Bewegung steigt wirk-

liches Tau eines Drahtgeflechtes. Flammende Linien, schleichende L inien, flächende

Linien überquert. Man lasse Linien miteinander kämpfen und sich 5T streicheln in schen-
kender Zärtlichkeit. Punkte sollen dazwischen Sternen, sich reigend ^ und einander verwirkli-
chen zur Linie. Man biege die Linien, knacke und zerknicke Ecken, würgend wirbelnd um einen
Punkt. In Wellen wirbelnden Sturmes rausche vorbei eine Linie, ä greifbar aus Draht. Man kugele
Kugeln, wirbelnd Luft, berühren sich. Einander durchdringend, zerreinen Flächen. Kisten kanten
empor, gerade und schief und bemalt. In sich Klappzylinder ^»» versinken erdrosselt Kisten Kasten. Man
•«tze Linien ziehend zeichnen ein Netz Iasurierend. Netze um fassen verengen Qual des Antonius. Man
Usse Netze brandenwogend und zerfließen in Linien dich ten in Flächen, netzen die Netze. Man lasse
Schleier wehen, weiche Falten fallen, man lasse Watte tropfen und Wasser sprühen. Luft bäume man weich
und weiß durch tausendkerzige Bogenlampen. Dann neh me man Räder und Achsen, bäume sie auf und lasse
ile «ingen (Wasserriesenüberstände'r). Achsen tanzen, 4^ mitterad rollen Kugeln Faß. Zahnräder wittern Zähne, finden
«Ine Nähmaschine, welche gähnt. Empordrehend oder geduckt, die Nähmaschine köpft sich selbst, die Füße zu oben.
Man nehme Zahnarztbohrmaschine, Fleischhackma schine, Ritzenkratzer von der Straßenbahn, Omnibusse und Auto
mobil«, Fahrräder, Tandems und deren Bereifung, auch Kriegsersatzreifen, und deformiere sie. Man nehme Lichte und
deformiere sie in brutalster Weise. Lokomotiven ^» lasse man gegeneinanderlaufen, Gardinen und Portieren lasse man Spinnweb-
faden mit Fensterrahmen tanzen und zerbreche tfj winselndes Glas. Dampfkessel bringe man zur Explosion zur Erzeugung von
Eisenbahnqualm. Man nehme Unterröcke und ^» andere ähnliche Sachen, Schuhe und falsche Haare, auch Schlittschuhe, und werfe sie
■n die richtige Stelle, wohin sie gehören. und zwar immer zur richtigen Zeit. (K. Schwitters - Anna Blume - 1921)

Klassizismus, Impressionismus, Expressionismus, Kompressionismus,

Dadaismus, Gagaismus, Nabismus, Fauvismus, Rheumatismus,
Naturismus, Pointiiiismus, Naturalismus, Romantismus,

Surrealismus, Magischer Realismus, Klerikalismus,
Radikalismus, Konstruktivismus, Kretinismus,

Symbolismus, Intimismus, Mystizismus,
Traditionismus, Dämonismus, Fetischismus,
Eklektizismus, Infantilismus,
Abstraktionismus, Barbarismus,

Folklorismus, Futurismus,
Pleinairismus

lind die neueste Richtung:
Depressionismus?

T.Trepte: KUNSTGESPRÄCHE

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