SEHRREALISTISCHE PERSPEKTIVE
Ich bin auch zu lange im Walde geblieben.
Ich lerne jetzt Surrealismus. Ich habe gar nicht gewußt, wie einfach das ist. Wäre ich
nicht so lange im Wald geblieben, dann könnte ich ihn schon.
Und so beginne ich ihn jetzt erst zu erlernen: von meinen beiden Jüngsten. Von Gole,
die bald sechs Jahre alt wird, und von Gerrit, der erst ein kleiner Hosenmatz von vier
Jahren ist.
Denn Surrealismus ist nicht so sehr eine Kunstanschauung, sondern eine Lebensform, ja,
geradezu eine Weltanschauung. Vor allem von Kindern. Oder solchen, die es wieder
werden wollen.
Und Väter, die allzu lange im Wald geblieben waren und mit ihrem Leben noch ein-
mal von vorne anfangen müssen, sollten bei dem einfachen Kindestum ihrer Kinder
beginnen.
Erst aber muß ich noch, was mich und meine Kinder anbetrifft, ein Geständnis machen.
Gole und Gerrit haben eine unglückselige Veranlagung. Sie malen. Mit Farbstiften und
bunten Kreiden. Sie malen Häuser, die wie ein alter Hut eingebeult sind. Sie malen be-
drohlich rote, menschengesichtige Tiere um die Häuser herum, auf sie drauf und in sie
hinein. Und sie malen gummigliedrige, tiergesichtige Menschen, denen sie manchmal
eine tröstlich buttergelbe Hautfarbe verleihen. Und auf jedem Bildblatt flattern vor
einem unschuldsweißen Himmel blaue, vogelhafte Wolken, die wie ein aufgeregter
Spatzenschwarm umherschwirren.
Gole und Gerrit haben diese unglückselige Veranlagung, alle weißen Flächen farbig
bebildern zu müssen, leider von ihrem gleichermaßen unglückselig veranlagten Maler-
vater geerbt. Ich wußte das bislang noch gar nicht. Meine Frau hatte es mir wohl in
ihren Briefen berichtet, aber ich hatte es nicht so wichtig genommen. Bis ich es nun,
nachdem ich so lange im Wald geblieben war und endlich auch heimkehren konnte, mit
eigenen Augen sah: Das Uberwirkliche ihrer Bildchen, das in Tiefen hineinspricht, in
die der Verstand nicht mehr hinunterreicht.
Neulich jedoch fühlte ich mich von dem Bildeifer meiner beiden Jüngsten gleichsam
kompromittiert. Unsere Älteste, die schon ein verläßliches und ganz aufs Nützliche
und Schickliche bedachtes Hausmütterchen ist und die beiden Kleinen morgens immer
zum Kindergarten bringt und sie mittags von dort wieder abholt, berichtete uns neulich
voller Empörung, daß Gole der Tante Gisela, der Kindergartentante, die sie sehr liebt,
erzählt habe, der Papa hätte ein großes Bild gemalt: eine rote Frau steige aus einer
anderen, einer weißen Frau, die oben ganz kaputt sei, heraus. Und die Hände und Füße
der kaputten Frau spielten ganz allein Klavier. Und ihr Kopf schwebe körperlos über
den Händen, während eine blaue Katze mit feuerroten Augen miauend auf dem Kla-
vier säße. Ein Mann sei auch noch auf dem Bilde, dem vor Schreck darüber der rote
Wein aus dem Glase kippe.
Unsere Älteste schämte sich sichtbarlich, daß Gole dies Bild, das doch ganz verrückt sei,
wie sie tadelnd und strikt ablehnend meinte, der Tante Gisela erzählt habe. Ja, auf
unsere Älteste, die heute schon vernünftiger ist als ihr unglückselig veranlagter Maler-
papa, können wir stolz sein .
Übrigens werde ich wohl gelegentlich verschiedene ältere Zeichnungen, die so ganz und
gar unvernünftige Titel tragen, vor den Kindern verschließen müssen. Denn wie ver-
nichtend würde unsere Älteste über ein Blatt urteilen, das von dem Selbstmord einer
Erbse erzählt! Und was sollte sie von der Zeichnung halten, nach der einmal ein Bild
entstehen soll mit dem Titel „Die Groschenangst oder die heimliche Liebe"? Ganz zu
schweigen übrigens von der Bildskizze „Leda und die Schnirkelschnecke", in welcher
das seit Jahrhunderten bewährte und dankbare Bildthema von der klassischen Leda
mit ihrem göttlichen Liebesschwan in einer abgewandelten Form behandelt wird: Zeus
erlaubt sich hier den Spaß (an dem wahrscheinlich der alte Proteus seine Freude ge-
habt hätte), sich der rosig entschürzten Leda als schwa-
g ^ - nengroße Schnirkelschnecke zu nähern.
Nein, den späteren Genuß an den klassischen Bildwer-
ken mit ihren erprobten Themen will ich meiner Älte-
sten durch meine Zeichnungen nicht verderben. Sonst
käme sie vielleicht noch auf die Vermutung, i c h hätte
den Surrealismus erfunden und es nur heimtückisch ver-
schwiegen.
Aber das könnte ich beeiden: ich wußte vom Surrealis-
mus bis dato noch gar nichts. Weil ich ja viel zu lange
im Wald geblieben war. Wie sollte ich da wohl von ihm
etwas gehört oder ihn gar erfunden haben können!
Und dann: der echte Surrealismus ist keine Kunstform,
die, wie manche meinen, die Franzosen erfunden hätten,
sondern eine Lebensform, ja, geradezu eine Weltanschau-
ung, wie sie vor allem Kinder haben. Wie sie auch meine
Kinder haben. Die beiden Jüngsten wenigstens.
Gestern zum Beispiel hatte ein netter Onkel den Gerrit
in einem grauen Auto mit in die Stadt genommen. Mit
glühenden Wangen erzählte er mir nachher: „So schnell
sind die Häuser vorbeigefahren!" Und er machte dabei
eine Bewegung mit seiner Hand, die das schnelle Vor-
überhuschen der Häuser andeuten sollte. „Ja, waren
denn die Häuser auf Rädern?" fragte ich. „Ja, auf soldi
großen Rädern!" sagte er und umschrieb mit einer weiten
Armbewegung die Größe der Räder. „Und ganz hart
aus Stein war das Auto! Und innen mit Stoff!"
Ehe ich meine alten Zeichnungen vor den Kindern weg-
schließe, werde ich sie doch wohl noch um diese eine ver-
mehren: in einem steinernen, räderlosen Auto sitzt ein
kleiner Hosenmatz, der jubelnd eine beräderte Welt an
sich vorübersausen läßt: Häuser auf Rädern, Bäume auf
Rädern, Menschen auf Rädern, Pferde auf Rädern, —
eine ganze auf Rädern vorüberbrausende Welt!
Auch die surreale Welt des Kindes rollt offensichtlich
ebenso rund und richtig dahin wie unsere reale Welt, —
nur die Räder sind vertauscht.
Übrigens will ich dann Gerrits surrealistische Räderwelt
in das sanfte und liebliche Licht von Godeles „Leermond"
tauchen, der, wie sie meint, auf den Vollmond folge. —
Wir Großen sind unserer realen Welt oft allzu gewiß
und sicher. Den Kindern ist sie durchaus noch fragwürdig
und auch jederzeit umwertbar.
Als ich mir mit einer neuerworbenen Drehmaschine eine Zigarette drehte und unsere
drei, die solch ein Ding noch nicht kannten, mir gespannt bei meinem Tun zuschauten,
fragte Gole plötzlich: „Und wenn es nun kein e Zigarette wird?"
Ich war in meiner erprobten und langerfahrenen Realitätssicherheit zutiefst erschüttert.
Und obwohl es dann doch eine Zigarette geworden war, freute es midi gar nicht mehr.
All meine Wirklichkeitserfahrung, auf der sich ja auch meine ganze familienväterliche
Sicherheit und mein Lebensvertrauen gründete, war mir schal und billig geworden durch
diese kindhaft einfache und klare Fragefestigkeit und fast gläubige Erwartung des
Mehr-als-Wirklichen, des Surrealen.
So lerne ich langsam um. Wenn ich nicht so lange im Walde geblieben wäre, würde ich
heute wohl schon ein sattelfester Surrealist sein. Aber nun muß ich mich durch die sur-
reale Erlebniswelt noch eine Weile der Führung meiner beiden Jüngsten anvertrauen.
Denn Kinder sind wohl die natürlichsten Seher und Deuter des Uberwirklichen. Sie
erwarten zum Beispiel von unserm ehemals goldenen Münchener Friedensengel, daß er
unsern bisherigen Halbfrieden, in dem wir leben müssen, in einen richtigen Ganzfrieden
verwandeln könne, wo es wieder Schokolade, Kuchen und Guttis geben werde. Womit
Gole, was ihr zu wünschen wäre, recht haben sollte, damit die surrealistische Welt-
anschauung auch einmal ihre praktische, ihre reale Brauchbarkeit bewiese.
Günter Pähl
Nachtgesang eines Hottentottenmädchens
Im Gegensatz zu allen anderen Gattungen der Dichtung zeigt die Lyrik als
letzter, äußerster Ausdruck der Gefühle, als eine Art hilflosen Seelengestam-
mels, bei allen Rassen und Völkern eine gewisse Homogenität. Das folgende
Gedicht „Nachtgesang eines Hottentottenmäddiens" wurde zwar, einer alten
Büffelhaut aufgebrannt, in einem Kral des Kaplandes aufgefunden, doch for-
dert es mit seiner Unmittelbarkeit der Empfindung und dem sanften, aber
vom Gehirn nie kontrollierten Strom seelischer Emanation unwillkürlich zu
Vergleichen mit neudeutscher Lyrik heraus.
O mein Geliebter,
Der
Vom Sternenrausch der blauen Harfen überstäubt,
Jiie
Aus des Mondes iveißem, Träufellicht sehr zart gewebt,
Das
Im Oranje nachtschwarzdunkel jäh ertrinkt,
Wo
Deiner grünen Trillerflöte roter Silbermund
Und
Der Gazelle honiggelber Trippelschritt vom Kral geschlürft
Im
Gold des braunen Husch verglimmt, wo du mich kannst
Am
Abend meine dunklen Zehen
Waschen sehen. a us tlcrn Alt-Hottentottischen übersetzt von Martha Stern
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Ich bin auch zu lange im Walde geblieben.
Ich lerne jetzt Surrealismus. Ich habe gar nicht gewußt, wie einfach das ist. Wäre ich
nicht so lange im Wald geblieben, dann könnte ich ihn schon.
Und so beginne ich ihn jetzt erst zu erlernen: von meinen beiden Jüngsten. Von Gole,
die bald sechs Jahre alt wird, und von Gerrit, der erst ein kleiner Hosenmatz von vier
Jahren ist.
Denn Surrealismus ist nicht so sehr eine Kunstanschauung, sondern eine Lebensform, ja,
geradezu eine Weltanschauung. Vor allem von Kindern. Oder solchen, die es wieder
werden wollen.
Und Väter, die allzu lange im Wald geblieben waren und mit ihrem Leben noch ein-
mal von vorne anfangen müssen, sollten bei dem einfachen Kindestum ihrer Kinder
beginnen.
Erst aber muß ich noch, was mich und meine Kinder anbetrifft, ein Geständnis machen.
Gole und Gerrit haben eine unglückselige Veranlagung. Sie malen. Mit Farbstiften und
bunten Kreiden. Sie malen Häuser, die wie ein alter Hut eingebeult sind. Sie malen be-
drohlich rote, menschengesichtige Tiere um die Häuser herum, auf sie drauf und in sie
hinein. Und sie malen gummigliedrige, tiergesichtige Menschen, denen sie manchmal
eine tröstlich buttergelbe Hautfarbe verleihen. Und auf jedem Bildblatt flattern vor
einem unschuldsweißen Himmel blaue, vogelhafte Wolken, die wie ein aufgeregter
Spatzenschwarm umherschwirren.
Gole und Gerrit haben diese unglückselige Veranlagung, alle weißen Flächen farbig
bebildern zu müssen, leider von ihrem gleichermaßen unglückselig veranlagten Maler-
vater geerbt. Ich wußte das bislang noch gar nicht. Meine Frau hatte es mir wohl in
ihren Briefen berichtet, aber ich hatte es nicht so wichtig genommen. Bis ich es nun,
nachdem ich so lange im Wald geblieben war und endlich auch heimkehren konnte, mit
eigenen Augen sah: Das Uberwirkliche ihrer Bildchen, das in Tiefen hineinspricht, in
die der Verstand nicht mehr hinunterreicht.
Neulich jedoch fühlte ich mich von dem Bildeifer meiner beiden Jüngsten gleichsam
kompromittiert. Unsere Älteste, die schon ein verläßliches und ganz aufs Nützliche
und Schickliche bedachtes Hausmütterchen ist und die beiden Kleinen morgens immer
zum Kindergarten bringt und sie mittags von dort wieder abholt, berichtete uns neulich
voller Empörung, daß Gole der Tante Gisela, der Kindergartentante, die sie sehr liebt,
erzählt habe, der Papa hätte ein großes Bild gemalt: eine rote Frau steige aus einer
anderen, einer weißen Frau, die oben ganz kaputt sei, heraus. Und die Hände und Füße
der kaputten Frau spielten ganz allein Klavier. Und ihr Kopf schwebe körperlos über
den Händen, während eine blaue Katze mit feuerroten Augen miauend auf dem Kla-
vier säße. Ein Mann sei auch noch auf dem Bilde, dem vor Schreck darüber der rote
Wein aus dem Glase kippe.
Unsere Älteste schämte sich sichtbarlich, daß Gole dies Bild, das doch ganz verrückt sei,
wie sie tadelnd und strikt ablehnend meinte, der Tante Gisela erzählt habe. Ja, auf
unsere Älteste, die heute schon vernünftiger ist als ihr unglückselig veranlagter Maler-
papa, können wir stolz sein .
Übrigens werde ich wohl gelegentlich verschiedene ältere Zeichnungen, die so ganz und
gar unvernünftige Titel tragen, vor den Kindern verschließen müssen. Denn wie ver-
nichtend würde unsere Älteste über ein Blatt urteilen, das von dem Selbstmord einer
Erbse erzählt! Und was sollte sie von der Zeichnung halten, nach der einmal ein Bild
entstehen soll mit dem Titel „Die Groschenangst oder die heimliche Liebe"? Ganz zu
schweigen übrigens von der Bildskizze „Leda und die Schnirkelschnecke", in welcher
das seit Jahrhunderten bewährte und dankbare Bildthema von der klassischen Leda
mit ihrem göttlichen Liebesschwan in einer abgewandelten Form behandelt wird: Zeus
erlaubt sich hier den Spaß (an dem wahrscheinlich der alte Proteus seine Freude ge-
habt hätte), sich der rosig entschürzten Leda als schwa-
g ^ - nengroße Schnirkelschnecke zu nähern.
Nein, den späteren Genuß an den klassischen Bildwer-
ken mit ihren erprobten Themen will ich meiner Älte-
sten durch meine Zeichnungen nicht verderben. Sonst
käme sie vielleicht noch auf die Vermutung, i c h hätte
den Surrealismus erfunden und es nur heimtückisch ver-
schwiegen.
Aber das könnte ich beeiden: ich wußte vom Surrealis-
mus bis dato noch gar nichts. Weil ich ja viel zu lange
im Wald geblieben war. Wie sollte ich da wohl von ihm
etwas gehört oder ihn gar erfunden haben können!
Und dann: der echte Surrealismus ist keine Kunstform,
die, wie manche meinen, die Franzosen erfunden hätten,
sondern eine Lebensform, ja, geradezu eine Weltanschau-
ung, wie sie vor allem Kinder haben. Wie sie auch meine
Kinder haben. Die beiden Jüngsten wenigstens.
Gestern zum Beispiel hatte ein netter Onkel den Gerrit
in einem grauen Auto mit in die Stadt genommen. Mit
glühenden Wangen erzählte er mir nachher: „So schnell
sind die Häuser vorbeigefahren!" Und er machte dabei
eine Bewegung mit seiner Hand, die das schnelle Vor-
überhuschen der Häuser andeuten sollte. „Ja, waren
denn die Häuser auf Rädern?" fragte ich. „Ja, auf soldi
großen Rädern!" sagte er und umschrieb mit einer weiten
Armbewegung die Größe der Räder. „Und ganz hart
aus Stein war das Auto! Und innen mit Stoff!"
Ehe ich meine alten Zeichnungen vor den Kindern weg-
schließe, werde ich sie doch wohl noch um diese eine ver-
mehren: in einem steinernen, räderlosen Auto sitzt ein
kleiner Hosenmatz, der jubelnd eine beräderte Welt an
sich vorübersausen läßt: Häuser auf Rädern, Bäume auf
Rädern, Menschen auf Rädern, Pferde auf Rädern, —
eine ganze auf Rädern vorüberbrausende Welt!
Auch die surreale Welt des Kindes rollt offensichtlich
ebenso rund und richtig dahin wie unsere reale Welt, —
nur die Räder sind vertauscht.
Übrigens will ich dann Gerrits surrealistische Räderwelt
in das sanfte und liebliche Licht von Godeles „Leermond"
tauchen, der, wie sie meint, auf den Vollmond folge. —
Wir Großen sind unserer realen Welt oft allzu gewiß
und sicher. Den Kindern ist sie durchaus noch fragwürdig
und auch jederzeit umwertbar.
Als ich mir mit einer neuerworbenen Drehmaschine eine Zigarette drehte und unsere
drei, die solch ein Ding noch nicht kannten, mir gespannt bei meinem Tun zuschauten,
fragte Gole plötzlich: „Und wenn es nun kein e Zigarette wird?"
Ich war in meiner erprobten und langerfahrenen Realitätssicherheit zutiefst erschüttert.
Und obwohl es dann doch eine Zigarette geworden war, freute es midi gar nicht mehr.
All meine Wirklichkeitserfahrung, auf der sich ja auch meine ganze familienväterliche
Sicherheit und mein Lebensvertrauen gründete, war mir schal und billig geworden durch
diese kindhaft einfache und klare Fragefestigkeit und fast gläubige Erwartung des
Mehr-als-Wirklichen, des Surrealen.
So lerne ich langsam um. Wenn ich nicht so lange im Walde geblieben wäre, würde ich
heute wohl schon ein sattelfester Surrealist sein. Aber nun muß ich mich durch die sur-
reale Erlebniswelt noch eine Weile der Führung meiner beiden Jüngsten anvertrauen.
Denn Kinder sind wohl die natürlichsten Seher und Deuter des Uberwirklichen. Sie
erwarten zum Beispiel von unserm ehemals goldenen Münchener Friedensengel, daß er
unsern bisherigen Halbfrieden, in dem wir leben müssen, in einen richtigen Ganzfrieden
verwandeln könne, wo es wieder Schokolade, Kuchen und Guttis geben werde. Womit
Gole, was ihr zu wünschen wäre, recht haben sollte, damit die surrealistische Welt-
anschauung auch einmal ihre praktische, ihre reale Brauchbarkeit bewiese.
Günter Pähl
Nachtgesang eines Hottentottenmädchens
Im Gegensatz zu allen anderen Gattungen der Dichtung zeigt die Lyrik als
letzter, äußerster Ausdruck der Gefühle, als eine Art hilflosen Seelengestam-
mels, bei allen Rassen und Völkern eine gewisse Homogenität. Das folgende
Gedicht „Nachtgesang eines Hottentottenmäddiens" wurde zwar, einer alten
Büffelhaut aufgebrannt, in einem Kral des Kaplandes aufgefunden, doch for-
dert es mit seiner Unmittelbarkeit der Empfindung und dem sanften, aber
vom Gehirn nie kontrollierten Strom seelischer Emanation unwillkürlich zu
Vergleichen mit neudeutscher Lyrik heraus.
O mein Geliebter,
Der
Vom Sternenrausch der blauen Harfen überstäubt,
Jiie
Aus des Mondes iveißem, Träufellicht sehr zart gewebt,
Das
Im Oranje nachtschwarzdunkel jäh ertrinkt,
Wo
Deiner grünen Trillerflöte roter Silbermund
Und
Der Gazelle honiggelber Trippelschritt vom Kral geschlürft
Im
Gold des braunen Husch verglimmt, wo du mich kannst
Am
Abend meine dunklen Zehen
Waschen sehen. a us tlcrn Alt-Hottentottischen übersetzt von Martha Stern
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Sehrrealistische Perspektive"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 8, S. 98.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg