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Fr. Bilek: SCHÖNHEIT DES FREISTILS

MAILKORß KRWtSSCHT

In allen Ländern ist der Angehörige des
Politikerberufes am empfindlichsten, wenn
man ihm zumutet einzusehen, wie komisch
er ist. Th. 1h. Heine.

Der Humor ist eine jener kostbaren Gaben, die von den
gütigen Feen recht spärlich in die deutschen Wiegen
gelegt werden. Wir haben vorgeschriebenermaßen Hal-
tung, Pflichtgefühl und für weichere Regungen das be-
rühmte deutsche Gemüt. Wenn wir an leitender Stelle
stehen, verlangen wir, daß wir mit dem uns gebührenden
Respekt betrachtet und behandelt werden.. Wenn wir
aber in der Politik, vorzüglich in der Landespolitik, mit
geringsten Machtbefugnissen tätig sind, dann tritt an-
stelle der kleinen, im Privatleben noch vorhandenen
Humörchen der amtliche tierische Ernst.
Das bayerische Parlament, das wenig von dem durch
seine trockene Selbstironie so sympathischen und er-
frischenden Humor des bayerischen Volksstammes spü-
ren läßt, zelebriert diese amtliche Würde in vorbild-
licher Weise. Mit vor Empörung bebender Stimme rufen
unsere Landesväter immer wieder nach einem Gesetz,
das'der Preise verbietet, sie — oder vielmehr das, was
sie ihre „Ehre" nennen — anzugreifen. Das ist eines der
wenigen Themen, das auch die älteren Herren Abge-
ordneten veranlaßt, die Zeitung wegzulegen, in der sie
während der Sitzungen zu lesen pflegen, und das die
jüngeren aus den „Wandelgängen" hereinruft, darin sie
sich zur Einnahme der schwerverdienten Brotzeit er-
gehen. Ehre ist alles, was sie sagen, tun oder lassen,
kurz, alles, was man kritisieren kann.
Würde man beispielsweise fragen: „Warum muß der
Herr Abgeordnete Soundso immer mit dem benzin-
schluckenden Auto seine Freunde am Wagingersee be-
suchen?" so wäre damit die Ehre des Abgeordneten
angetastet, weil zu dessen Ehre nun einmal das Auto-
fahren gehört. (Das ist, übrigens, eine der wenigen Er-
rungenschaften des Dritten Reiches, die geblieben sind,
denn vor 33 gingen in Bayern auch Minister häufig zu
Fuß.) Aber nach solchen Reifen- und Benzinlappalien

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fragt man ohnehin nicht mehr. Kriegt jedoch ein an-
derer nicht gleich recht in einem Beleidigungsprozeß,
wobei die Beleidigung wiederum in der Kritik an einer
Amtsmaßnahme zu eigenen Gunsten bestand, so er-
kennt er nicht wie andere Staatsbürger die Unabhängig-
keit des Richters an, sondern beklagt sich darüber bei
seinen Brüdern im Landtag, die nun mit seltenem Tem-
perament die Debatte zu einem einmütigen Chor der
Märtyrer werden lassen. Ein Gesetz muß her, rufen sie
und meinen — einen Maulkorb. Am liebsten wohl einen,
der innen mit Stacheln verziert wäre, die man mit Hilfe
einer artigen Gängclleinc dem bissigen Hund in die
Lefzen drücken könnte. Und das alles hatten wir schon
so schön unter Adolf Hitler und haben's uns unvor-

KURZMONOLOG

eines angeschlagenen Berufsboxers beim Utelfight
9. RUNDE

____Aas elendes — meinst wohl, weil du mehr Reich-
weite hast... uff —-uff — — an die Seile drängeln

gibts nicht--uff.. . deutscher Meister? — unfaires

Mistvieh! — — uff — uff... au!--na, laß d u

mal die Deckung offen---au! he, mit der offenen

Hand!... Ringrichter!--uff — uff. .. der schläft

wohl ... du kriegst auch gleich--einen rechts-Iinks

--so .. . aufgepaßt! — uff--uff ... au!--

--------was — der zählt? ... sechs?

sieben? . . . acht — achtzigtausend dem Sieger!---

auf, marsch marsch — — jetzt... jetzt! ... so, die

langt für 'ne Weile, haha — uff — uff--verziehst

die Visage?--Aas elendes--— was, Clinch?

könnte dir passen — uff — au! Leber...---nu

Revanche — Vergeltung — — au! Mistvieh, nochmal

Leber — — uff — uff--uuüff — achtzigtausend

dem Sieger---uff —■ Verlierer bloß die Hälfte?--

uuuff — na warte!............au! aaaau. — — —

--sieben? acht? ... achtzigtausend . .. neunzigtausend

....---neun — neun--neune---aaaalle

neune — neu-n%^W^V^.^— — — — — —

kschschschschschscjv^—^--aaaaä»ab ... pr

/ Universitäts-A
I Bibliothek |
\ Heidelberg J

.sichtigerweise nehmen lassen! Zu dumm. Aber keine
Angst, das Gesetz kommt. Es kommt so sicher, wie
das Gesetz über die Pflicht zur Anmeldung von Früh-
geburten gekommen ist (höchst wichtig für die Neu-
ordnung des Staatswesens und die Linderung der all-
gemeinen Not!) und wie ein durchgreifendes Gesetz
über die Sozialisicrung nicht gekommen ist.
Denn unsere Politiker nehmen sich wichtig wie Prima-
donnen und sind empfindlich wie die betagten Insas-
sinnen eines adligen Fräulein-Stifts. Sie stehen hoch,
hoch über allen anderen Arbeitenden, weil sie nicht
für sich, sondern nur für die Gemeinschaft denken,
handeln und werkeln. Sie vergessen freilich manchmal,
daß ihr Sitz nicht der Wollsack des Lordkanzlers im
englischen Parlament noch der kurulische Stuhl alt-
römischer Würdenträger ist, sondern daß sie mit allen
andern schlicht und einfach — in der Tinte sitzen. Es
stünde ihnen daher an, etwas umgänglicher, ja, etwas
populärer zu werden durch persönliche Anstrengungen
aufrichtiger Art, etwas mehr auf gleich und gleich mit
ihren Wählern umzugchen, zu denen auch die Presse-
leute gehören, als so von oben nach unten.
Sie aber haben nichts gelernt und nichts vergessen. Ich
könnte mir vorstellen: wenn man einen Tropfen Land-
tag unters Mikroskop legte, man sähe die Abgeordneten
darin wichtig umcinandcrwirbeln wie die Pantoffeltier-
chen in einem Wassertropfen und man könnte aus
dieser Perspektive vergessen, daß ihr Bereich eben nur
ein Tröpfchen im Weltall ist und nicht der Welten-
ozean selber. Vielleicht sehen sie selber sich stets so
unterm Vergrößerungsglas, vielleicht glauben auch die
Pantoffeltierchen, sie beherrschten die Meere? Was
weiß man denn, was in Wesen vorgeht, die man nach
eigenem Gefallen vergrößert hat? Sie müssen ja
ihre Wichtigkeit überschätzen und nach einem Maul-
korb schreien für andere, in der Meinung, alles Sinnen
und Trachten gelte nur ihnen und der Absicht, sie zu
beißen. Denn, wie gesagt, Humor ist selten und ver-
pönt und sein Besitz würde zweifellos den Verzicht auf
jene Würde bedeuten, die wie ein unantastbarer Hei-
ligenschein die mehr oder minder bedeutenden Köpfe
unserer Politiker zu umstrahlen hat. Vim

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schönheit des Freistils"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 1, S. 2.
 
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