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Fr. Bilek

Dieser Mensch ist sichtlich böse,

(was man ja verstehen kann);

reißt das Maul auf — fletscht die Zähne,

pfeift und zischt und spuckt dich an.

Ist's dein Trambahngegenüber?

Ist's der Mann vom Schalter vier?

Ist's dein Hauswirt, dein Bürochef,

oder der Gerichtsvollzieh'r?

Ist's dein Vormann in der Schlange?

Ist's ein Mensch, der Zahnweh hat?

Ist's ein alter sturer Nazi

oder schon ein Demokrat? ■

Ist's vielleicht ein Preußenfresser?
Ist's ein allzu frommer Christ?
Ist's wohl ein Normalverbraucher
oder gar ein Kommunist?
Ist's ein Ketzer, ist's ein Hetzer?
Ist's dein Nachbar nebenan?
Ist's nicht ein Gerüchtemacher
oder der Klabautermann? —
Ueberall die gleiche Fratze! ♦
Täglich, stündlich. — Dieser Kopf
pfeift und zischt und spuckt dir ewig
in den deutschen Suppentopf.

Halt mal.--Schau mal in die Brühe

langsam und bedächtig rein:

Solltest du vielleicht am Ende

selber solch ein Miesnick sein??

Sind die andern nicht nur SPIEGEL,

die dir- zeigen DEIN Gesicht?

Du verlangst, daß alle lächeln,

und du tust es selber nicht!

Na, ab morgen wird es anders!

Nehmen wir uns das mal vor.

Und versuchen wir's ein wenig,

ganz klein wenig---mit Humor!

Heinz Hartwig

BELEHRUNGEN

Gestern gab mir der Verlag das Beschwerdebuch in die Hand, das er für mich
in der Presseausstellung ausgelegt hatte; ich solle es genau durchlesen und
mich in Zukunft darnach richten. Ha, der hat gut reden!
Aber urteilen Sie selbst, wonach ich mich richten soll: „Der Simpl ist der Aus-
bruch eines geistig niederstehendeh Menschen." (Muß der sich gut unter diesen
Menschen auskennen!) „Ohne den Simpl wird's in Bayern niemals hell." (So ein
Optimist!) „Der Simpl ist ein Schandblatt für Deutschland." (Ist's wirklich
schon wieder so schlimm?) „Der Simpl ist einer der wenigen, die man zur Zeit
noch ernst nehmen kann." (Na, der übertreibt auch nicht wenig.) „Der Simpl
nicht sehr populär, ist mir jetzt oft zu ordinär." (Abbestellen, mein Lieber, ab-
bestellen!) „Der Simpl ist natürlich schwer in Ordnung, nur bekommt man ihn
nicht." (Schreiben Sie uns sofort, Sie bekommen das Exemplar von dem Herren
gerade vor Ihnen.) „Mehr Objektivität wäre sehr am Platz." (Sie,
das ist fei gar nicht so einfach.) „Der Simpl muß noch viel deut-
licher werden!" (Das'ist sogar noch schwieriger.) „Haben wir hier
Pressefreiheit?" (—) „Zu viel Wissen beschwert." (Hm.)
Einer schreibt einfach: Grausam! Der andere: Zu wenig scharf!
Fällt euch nicht etwas besseres ein, wieder einer und: wie ihr's
bloß machen könnt um dös Geld, ein anderer. Einige verlangen
nach mehr Niveau, andere nach mehr Schärfe. Ein Unbekannter
schreibt: Grüßt Dr. Hundhammer, was hiermit geschehen sein soll.
Zwischendurch steht noch da: „Gogo ist ein dummer H . . ." Wenn
ich nur wüßte, wem ich das ausrichten soll. Ob der ganz einfach
mich meint? — Darnach soll ich mich also in Zukunft richten.
Mehr Niveau und mehr Schärfe? Gut, bleiben wir gleich beim ersten. Seit 1945
bemühen sich nun alle Autoren, Verleger-, Schriftsteller-, Journalisten- und
sonstige einschlägige Verbfinde um den Wiederaufbau eines sogenannten Niveaus.
D. h. genau genommen kümmern sie sich nach hohem Vorbild gar nicht so sehr
um den Wiederaufbau dieses Etwas, sondern sind auf der Suche nach einem seit
eineinhalb Jahrzehnten verschütteten, dafür aber fix und fertigen Niveau. Als
Ergebnis zahlloser Schriftstellertagungen, Preisausschreiben und umfangreicher
Diskussionen zu den) Thema: Wo bleibt die junge deutsche Literatur?, förderten
sie dann auch etwas zutage, nämlich eine Reihe von altbewährten Namen, deren
Aufzählung nur ein Zusätzliches zu der für sie ohnehin schon schwunghaft
betriebenen Reklame bedeuten würde, sowie eine Unzahl leerer Schubladen.
Am Rande dieser Ausgrabungen und Hebungsversuche tobt ein zäher Kampf
Dm geistige Plattformen. Da gibt es humanistische, materialistisch-dialektische,
christliche, mystizistische, existentielle, sozialistische und sonstige ideologische
Platt-Formen, deren Verteidigung zumindestens schon ein beachtliches Niveau von
Intoleranz erreicht hat. Zwar versucht die eigentliche Literatur sich inmitten

des Tumultes gegen diese Art von Niveau zu verwahren, aber auch das gelingt
nur den paar alten, kampferprobten und honorarschweren Autoren; was danach
kommt, ideologisiert bereits munter oder läßt sich von der Massenflucht in die
Lyrik mitreißen.

Also laßt uns zwischen leeren Schubladen und Lyrik weiter nach dem erstrebens-
werten Simpl-Niveau suchen, Ein paar Ansätze finden sich doch hin und wieder.
Gedulden Sie sich, es liegt nun einmal in unserer Zeit, qualitativ anspruchsvoll
zu werden, sobald man sieht, daß etwas noch unbewirtschaftet geblieben ist,
und man vergißt dabei zu leicht, daß auch diese Qualität von der allgemeinen
Zwangswirtschaft nicht ganz unabhängig ist.

Was nun die Schärfe betrifft, so lassen Sie sich gleich sagen: Diese ist streng
bewirtschaftet. Für die Bewirtschaftung sorgen Kontrollratsbestimmungcn, die
Verfassung, die mimosenhafte Empfindsamkeit der im öffentlichen,
Leben stehenden Personen, auch die politische Intoleranz be-
stimmter Religionsgemeinschaften, die würdegeblähte Humorlosig-
keit zahlreicher Parteien, Organisationen und aller Fach- bzw.
Berufsverbände, sowie die Verständnislosigkeit mancher Leser und
der ewige teutsche Unterthanengeist.

Zu der Bewirtschaftung schlagen sich noch technische Schwierig-
keiten oder sogenannte Transportschwierigkeiten, wenn Ihnen
das in diesem Zusammenhange geläufiger klingt. Das bißchen
Schärfe braucht nämlich ganze drei Wochen, bis es zu Ihnen
gelangt. Was sd!l ich Ihnen z. B. von den bayerischen Minister-
zulagen erzählen? Bis meine Worte zu Ihnen gelangen, haben die
Herren in der Regel schon so viele voneinander 'abweichende Zahlen und
Dementis in die Welt gesetzt, daß niemand mehr weiß, was sie sich nun tat-
sächlich zugelagt haben. Und wenn der Pater Gritschneder ein Drehbuch ei^:ns
für kirchliche Zwecke kopiert und sich der Weihbischof Neuhäusler eine ,Vcr-
simpelung" dieses Vorfalles prophylaktisch verbittet, woher soll ich im voraus
wissen, wohin Herrn Käutners „Aepfelchen" schließlich noch rollen wird? Da
heißt es vorsichtig dosieren, denn, geht es wirklich daneben, hinterläßt die
Säure leicht unschöne Flecke.

Aber machen wir es in Zukunft so: Ich werde mir Mühe geben, Ihnen der
Bewirtschaftung zum Trotz künftig etwas mehr Schärfe anzubieten. Bei stär-
kerem Säurekonzentrat bekommen sie eine Art Wattebausch in Kommentar-
form mitgeliefert, um auf jeden Fall größere Schäden zu vermeiden. Im übrigen
will ich mich aber brav nach dem Beschwerdebuch richten, besonders nach
einem Vermerk, der wohl am ehesten der Mittellage aller Beurteilungen und
auch ein wenig meinen eigenen Wünschen entspricht: „Simple nur so weiter,
dich verstehen nur die Narren." — Oder ist das am Ende bös gemeint? DER SIMPL

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Dieser Mensch ist sichtlich böse"; "Belehrungen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 12, S. 134.
 
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