Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (3.1948)

Tragischer Tod eines Schwarzhändlers

ZWEI HEIMATLICHE BILDER VON ERNST HOFERICHTER

Dramatis personae: Josef Flacksel, Schwarzhändler v
Marie, seine Frau
Maxi, beider Sohn
Dusch el, Schwarzhändler
Händler

Zeit: Gegenwart ,
ERSTES'BILD

In der Wohnküche liegt Josef Flacksel auf dem Kanapee, ins Bett gehüllt.

FLACKSEL (mit matter Stimme): Marie, mit mir geht's dahin ...! I spür
so an komischen Druck auf 'm Herzen — —

MARIE: Um Gaodswill'n, Josef, was fehlt da denn? Hast's z' vui Oel-
sardinen g'gessen oder war dö Majonäs' verdorb'n . . .?

JOSEF: Na...! 's Herz druckt's ma schier ab, wenn i denk, daß--

MARIE: .. daß da Brillant a Kohle g'habt hat oder gar bloß a Glas-
scherb'n war ...?

JOSEF: Was viel Aergeres siech i kumma — Marie, es kimmt bald 's neue
Göid . .. und dann is aus und zuadraht mit 'm Schöna Handel ... AU's
werd's wieder im Laden z' kafa geb'n und in dö Auslag'n kann sich jeder
'raussuacha, was er nur will--

MARIE: Geh zua, Josef, ma derf doch net glei ans Allerschlimmste
denka ...! '

JOSEF: Jessas ...! Jetzt sieg i no was Aergers ...! Jetzt mag is selba
nimma leb'n ... I sieg 's ganz deitli und allaweil näher kimmt 's auf
mi zua ...

MARIE: O mei, Josef, was is denn Furchtbar's ...? Is eppa gar da
Deifi--?

JOSEF: Na ...! Viel was Aergers ist 's ... I sieg ... i sieg pfeilgrad —
d' Arwat auf mi zuakemma ...! Ja,*arbat'n muaß i bald ... I ..! Du ...!
Und alle meine Freind--

MARIE: U™ Godswiü'n, da Vata kriagt Hallizinaziona... Er red't schon
ganz wirr.. . Maxi, da geh her, der Vata kimmt in Himmi...!
MAXI: Was kost't denn da a Dosen Neß .. .?

JOSEF: O mei, Bua, sei no recht brav und schreib ,Hofbräuhaus' net alla-
weil mit zwoa eff, du Rotzkerl, du dreckata ...! Auf daß d' aa amal in Himmi
kimmst, wo's koa neies Göid und koa Arwat gibt... Auweeeh...! Jetzt
ziagt's ma all's z'samm...! I kenn's, dös is da Achtstundentag mit seiner
Pein .. .!

MARIE: Maxi, laaf schnell und hol' an Dokta...!

JOSEF: Geh' aber übern Isartorplatz und frag an Duschel Petern — —

wias achtzehner Gold steht und ob er dö Autoreifen schon---

MAXI: Ja — und gib ma für'n Dokta a Backerl Luckistricke mit, daß er
schneller kimmt . ..! (Maxi geht ab.)

JOSEF: Ah, jetzt werd's ma ganz leicht und schwebend ...
MARIE: Josef...! Josef...! Fliag ma net davon...!

JOSEF: I sieg schon lauter lupenreine Engerl um mi herum flattern... Da
is da Erzengel Saphir, na — der Seraph in Platin gfaßt... Herr Engel,
an Aug'nblick! ... Da hätt i am schön Einsteina, prima Qualität, bisher

getragen von an Generalfeldmarschall--- Wos .. .? Der Stoa soll a Bra-

siliana sei...?--Wenn's nix verstenga von dem schwarzen G'schäft,

dann werd'n S' a Beamter oder Arweita und verdeanas Eahna Göid
redli...! Eahm schaugt's on...! Mir was sag'n woll'n, daß dös bloß a
Brasiliana war, wo i weg'n drei falsche Stoa schon zwoamal g'sessen bin ...
MARIE: ...dreimal! Di verlaßt ja schon dei Geist...!
JOSEF: ...und für die magern Engerl hätt i no a paar Krankenzulag-
karten ä vierhundert Markel... Oder a schöne Kombensazion: a echt
gotisches Fahrrad gegen a halbe Barocksau ... sechs Kanister Kanarien-
vögel gegen zwei Stangen Benzin ... ein Paket Klaviere gegen eine frische
Camel... Und ... und — —

MARIE: Josef .. .! Josef ...! Du bist nimmer bei Dir ...! Wo nur da Dokta
so lang bleibt...?

MAXI: Da bin i ja schon...! Da Duschel Petern laßt dir sag'n, daß Acht-
zehnergold auf zwoahundertzehn steht und daß er dö Autoreifen gegen

hundert Flaschen französischen Cognac--

MARIE: Da Dokta ...! Da Doktä, wann kimmt da Dokta ...?
MAXI: Jessas, da hab i jetzt ganz vergessen, daß i hinganga wär' ...
MARIE: Jeßmariaundjosef! Da Vata stirbt schon...!

JOSEF: I schaug schon durch die Wolk'n... Pfüat euch Good . .. ver-
fluacht sei dös neie Göid und d'Arwat dazua...! I wer schon himmlisch-
blau, wia a dreikaratiger Südwester . . . Oh, je ...! Grad fein is--Und

aus is ...!----(Er sinkt in die Kissen.)

MARIE: Da Vata is g'storb'n ...! Aber merk d'as, Maxi, wia a Kawalier:
Mit an Brillanten auf den Lipp'n...!

— TRAUERNDE GRUPPE —

ZWEITES BILD
(Zwei Wochen später)

Wohnküche. Ueber dem Kanapee hängt lebensgroß und schwarz umrahmt die
Fotografie von Josef Flacksel. Um den Tisch sitzen Marie, Maxi, Duschel und
noch einige Schwarzhändler.

MARIE (zur Fotografie): Jetzt is schon über acht Tag her und allaweil
muaß i zu eahm naufschaug'n .. .

DUSCHEL (zur Marie): Ja, ja — der is an der falschen Angst g'storb'n
(zu den Schwarzhändlern): fuchz'g Gramm mal fünfundachtz'g, dös
macht...

MARIE: Jetzt hab'n ma s'neue Göid und 's Gschäft am Isartorplatz geht
do weiter .. O mei, Josef, wennst du wüssaßt, du dast di im Grab um-
. drahn, aufikemma und wieder mithandeln .. .!

DUSCHEL: Jawoi.. .! A so — und dös macht also: fünf mal fünf is fünfa-
zwanz'g ...

MAXI: Buab'n in da Schul sag'n, daß d'Preis wieder aufiganga. A Griffel
kost schon — —

MARIE: Und mein Josef hat dö Angst sozusagen das Herz abdruckt.
MAXI: ...und d'Arwat hat da Vata halt so g'schiecha g'habt...
DUSCHEL: Halfst jetzt net dei Maul! ... Und fünf mal acht gibt vier-
zig ... zähl ma's z'samm...! ...fünf, zwoa, vier... macht nach Adam
Riese genau — —

MARIE: Ja, Josef, du hast dein' Beruf zu ernst g'nomma und bist dran
g'storb'n! Ein Vorkämpfer warst du jenes Handels,^ der heut weitergeht.
Tausende von Kunden hast du schwarz gespeist, du bist der ungekannte
aber wahre Ernährungsminister gewesen, während andere Ernährungs-
minister das Volk verhungern ließen ... Und wie hast du für die Deinen

gesorgt: Die Gänseleberpastete, der Thunfisch, der Schokolad'--

MAXI: Hör auf, Muatta, dös Wort ,Schokolad' kann i heut no net hör'n,
sonst speib i mi. '..

DUSCHEL: Ja, Ihr Mann seelig war ein Märtyrer und ist quasi seiner
Zeit voraus geeilt... macht also nach Adam Riese genau: vierhundert -
fünfundzwanz'g Mark ...!

MAXI: In unser Lesebuch g'hört da Vata eini, genau so wie da Kolumpus
und Graf Zeppelin...! Weil er a sogenannter Held war...!
MARIE: Recht hast, Bua, aber sag's net laut, sonst moana d'Leit: er war
a Mitläufa...

DUSCHEL: Also: i krieg von dir vierhundertachtz'g Mark und dazua

kemma zwanz'g Prozent, dös macht:--Ja, sehr richtig, a Held war er,

da Josef... und direkt in d'Walhalla g'hört er...!

MARIE: Ja, Herr Duschel! Sie sind ein Kenner der Seele! Mein Seelen-
freund! ... Derf i Sie für morgen zu Schweinskotlett mit Gurkensalat
einlad'n ...?

DUSCHEL: I sag net na!

MAXI (Duschel umarmend): Papi!

DUSCHEL: Vorher aber woll'n wir auch ehrend des so dragisch Ver-
blichenen gedenken und uns von den Sitzen erheben--

ALLE (stehen feierlich auf).

DUSCHEL (das Schweigen brechend): Josef, du warst a' schlechter Pro-
phet, aber a guater Kenna von Gold und Silber...! Dein Handel geht
weiter . . .!

MARIE (unter Tränen): Ja, Gold und Silber liebte er sehr...!
ALLE (nehmen ihre letzten Worte auf und singen gedämpft und traurig,
indem sie sich gegenseitig in den Arm nehmen und zu Harmoniumbeglei-
tung singen):

Ja, Gold und Silber lieb ich sehr,
Kann's gar gut gebrauchen —
Hätt' ich nur ein ganzes Meer--

(Von dieser Szene mitergriffen): FÄLLT DER VORHANG.

M. Körner

Mit der einen Hand muß ich hören, mit der anderen mich stützen.
Ich kann also niemals mit „Heil Hitler" gegrüßt haben, meine Herren.

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