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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 3.1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.6590#0170
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Fr. Bilek

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DIE WOCHE DER NATIONALEN SOLIDARITÄT

Eines Tages hieß es im Lande der, Austriaken, so
könne es nicht mehr weitergehen. Die Mißwirtschaft
jeweils vergangener Systeme, Krieg und Parteien-
hader hatten das Land an den Rand des Abgrundes
gebracht. Steigende Preise, steigende Not, Mißgunst,
Haß, Denunziation und Korruption kennzeichneten
jene dunklen Tage.

Da entschloß sich die Regierung zu einem gewal-
tigen Schritt. Unter feierlichem Glockengeläute wurde
die kommende Woche zur Woche der nationalen Soli-
darität erklär*. In dieser Woche sollten Gewinnsucht,
Neid, Dünkel, Heuchelei, Lüge und Verrat durch den
guten Willen jedes einzelnen überwunden und der
Weg zu einer wahren Volksgemeinschaft freigemacht
werden.

So_ kam die Woche der nationalen Solidarität im
Lande der Austriaken heran. Den Austriaken stan-
den die Tränen in den Augen und wildfremde Men-
schen umarmten einander auf den Straßen. Es war
nur die Zahl der Taschendiebstähle, die an diesem
Tage um das Dreifache stieg. Sie sank aber schon
am nächsten Tage wieder auf das normale Ausmaß,
da sich die Menschen nicht mehr umarmten. Denn
an diesem Tage wurde der soziale Friede gesetzlich
verankert. Die Unternehmer wurden gehalten, die
Löhne um 10 Prozent zu erhöhen, und Streiks wur-
den ab nun verboten. So geschah es. Daß zugleich
die Arbeitszeit um 25 Prozent verlängert und die
Preise um 30 bis 40 Prozent erhöht wurden, merk-
ten die Austriaken erst, als das Streikverbot wirk-
sam wurde.

Auch der dritte Tag war ein Tag freudiger Ueber-
raschungen. Denn der Staat selbst erklärte, daß auch

er ein Opfer zu bringen bereit sei. In feierlichem
Staatsakt wurden die bisher eingehobenen Gebühren
auf die Ausstellung von Jagdscheinen, Ansuchen um
Errichten von Flugplätzen, Vogelbrutanstalten und
Tiefseetaucherschulen erlassen. Um den Ausfall der
Einnahmen wieder hereinzubringen, verfügte ein
interner Erlaß des Finanzministeriums die Erhöhung
der Steuer auf Brotgetreide, Molkereiprodukte,
Fleisch und Tabakwaren.

Noch war den braven Austriaken die Freude über die
Ueberraschung des dritten Tages nicht vergangen, da
brachte der vierte Tag einen neuen Beweis der
nationalen Solidarität. Zur Wiederherstellung des
inneren Friedens wurde eine allgemeine Amnestie
erlassen, von der nur jene Personen" ausgeschlossen
waren, die wegen politischer Vergehen verhaftet und
noch nicht abgeurteilt worden waren. Um einem Miß-
brauch der Amnestie vorzubeugen, wurden die Haft-
anstalten intern angewiesen, die Freilassungen nur
in besonders würdigen Fällen durchzuführen bzw.
die Freigelassenen der Polizei zur Sicherungsverwah-
rung zu überstellen. Um auch geistig die Amnestie

SPORTBERICHT

Die Hecke lief im schnellen Schritt
Den Weg entlang, der Weg lief mit.
Am Kurvenanfang wurde sie verwirrt
Und hat sich in ein Feld verirrt.
Obgleich der Umweg kurz und ungewollt,
Hat sie die Straße nicht mehr eingeholt.

M. Krafil

im Volke zu verankern, wurde alles verboten, was
bisher erlaubt war. Sondergenehmigungen und hier-
für zuständige Aemter wurden in Aussicht gestellt.
Der fünfte Tag stand im Zeichen des braven Sparers.
Auch er sollte seine Freude haben und wieder Ver-
trauen zu seinem Staat» fassen. Das war nur mög-
lich, wenn er ganz neu und unbeschwert von seinen
alten, ersparten Geldern beginnen konnte. Dies ge-
schah am besten durch eine 'gründliche Währungs-
reform. Um unnötige Härten zu vermeiden, wurde
den Besitzern größerer Vermögen Gelegenheit gegeben,
einen Teil ihrer Bestände zu retten. An die Einsicht
des Volkes wurde bei dieser Gelegenheit appelliert.
Am sechsten Tage flatterten die Fahnen im Zeichen
der Einigkeit der Parteien. Einstimmig wollten sie in
festlicher Sitzung im Parlament ein Gesetz zum
Schutz der Rede- und Gedankenfreiheit und der per-
sönlichen Ehre des politischen Gegners beschließen,
doch kam es bei den Beteuerungen der friedlichen
und demokratischen Absichten und Methoden der
einzelnen Parteien zu heftigen Meinungsverschieden-
heiten, die in Schlägereien ausarteten.
Dadurch wurde die Woche der nationalen Solidarität
im Lande der Austriaken vorzeitig unterbrochen und
dem Volke blieb der siebente Tag, der Tag-der Wahr-
heit, erspart. Die Öffentlichkeit erfuhr daher-nur,
daß die Woche der nationalen Solidarität ein voller
Erfolg gewesen sei, worauf die Regierung zum
Schutze des neuen Gemeinschaftsbewußtseins ein Ge-
setz erließ, das jede Kritik und jeden Zersetzungs-
versuch mit schweren Strafen belegte.
Weitere Veranstaltungen ähnlicher Art.erlesen sich
in Hinkunft als überflüssig. Herbert Zoster

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"New Look"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 15, S. 170.
 
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