PARLAMENTARISCHES
LEXIKON
Um die politische Erziehung der breiten
Öffentlichkeit zu fördern, bringen wir unse-
ren Lesern Auszüge aus einem soeben er-
schienenen „Parlamentarischen Lexikon".
ABGEORDNETER: Mit wenigen Ausnahmen der
spezies ein Mann vorgerückten Alters, dessen
Weisheit sich in den Sitzungen durch bedeutungs-
volles Schweigen kundtut. Seine stoisch,e Ruhe
wird nur ab und zu anläßlich lebhafter Debatten
durch wilde Temperaments-Ausbrüche abgelöst. Er
gibt dann meist ein vernehmliches „Hört, hört"
von sich. Dem fortgeschrittenen Alter ist es ver-
ständlicherweise zuzuschreiben, wenn der A. nach
kurzer Zeit vergessen hat, wer ihn und warum man
ihn gewählt hat.
ABSTIMMUNG: Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Es wird der Eindruck erweckt, als sei mit der A.
der Wille der Mehrheit des Volkes vollzogen. In
Wahrheit folgt jeder Abgeordnete nur dem Bei-
spiel des Fraktionsführers, da er in vielen Fällen
gar nicht weiß, worüber man gerade abstimmt.
DEBATTE: Tumultartige Szene als Folge des Vor-
wurfs der Rechten, die Linke entwickle Nazi-
methoden oder umgekehrt. Endet meist mit dem
demonstrativen Verlassen des Saales durch den
beleidigten Teil.
FRAKTION: Die Ähnlichkeit des Wortes mit dem
aus der Medizin bekannten Wort gleichen Stammes
fiaktur ( = Bruch) darf nicht zu der irrigen An-
sicht verleiten, daß in der Parlaments-Fraktion
(Parlament vom französischen Verbum für „spre-
chen, reden") Bruch geredet wird. Fraktion ist sinn-
gemäß mit Bruchteil (des Plenums s. d.) zu über-
setzen, was auch insofern den Kern der Sache
trifft, als immer nur ein Bruchteil der Fraktions-
angehörigen etwas sagt.
PLENUM: Vollsitzung des Parlaments. Ethymolo-
gisch ein Euphemismus, da bei Plenarsitzungen der
Saal nie voll (= lat. plenum), sondern halb-drei-
viertel leer ist. Die meisten Abgeordneten halten
sich in den Wandelhallen (s d.) auf. die der Presse
wegen im Saal bleibenden Abgeordneten verkür-
zen sich die Zeit durch Zeitungslesen, Brotzeit-
machen oder Schlafen.
PRÄSIDENT: Glockenschwingender, mit dem lau-
testen Organ begabter Parlamentariel, der mit
allen Mitteln gegebenenfalls die Ruhe wieder her-
stellen soll. Muß gewöhnlich naß füttern, da sonst
bei dem anstrengenden unablässigen Herunter-
leiern der protokollarischen Formeln die Gefahr
der Heiserkeit gegeben ist.
WANDELHALLEN: Nach den Gaststätten der wich-
tigste Teil des Parlamentsgebäudes, da hier ge-
raucht werden darf. Aufenthaltsoit der Abgeord-
neten während der nerven tötenden Sitzungen. Hier
ist der Ort, an dem neue Beleidigungsklagen aus-
gedacht und auch sonst Politik gemacht wird. Die
Räumung der W geht meist plötzlich vor sich,
wenn auf den Pfiff des Fraktionsführers hin die Ab-
geordneten fluchtartig in den Plenarsaal zur Ab-
stimmung stürzen. m—
Ansprache eines Heidelberger
Studenten an das Schelfel-Denkmal
Von Rudolf Ernst
Ja, ja. Da stehst du nun, aus Stein gehauen,
Und blickst auf dein Alt-Heidelberg herab.
Du siehst die fremden Autos und die schicken Frauen,
Und ich — ich muß zum Frühstück trockne Semmeln
kauen.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Was da für Menschen durcheinanderlaufen!
Der Bart von wegen „Musenstadt" ist ab.--
Ich möcht' mich mal so schrecklich gern, wie du,
besaufen
Und kann mir nicht mal meine zwei Sack Kohlen
kaufen.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Nun sag' bloß, dir gefällt das ganze Treiben!
Dein Herr von Rodenstein liegt längst im Grab;
Frühmorgens, wenn er umgeht, putz' ich Fenster-
scheiben
Und hacke Holz — an Stelle Salamanderreiben.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Doch nun muß ich mich schleunigst retirieren.
Nimm mir's nicht übel, alter Herr. Ich hab'
Da grad mal eine freie Stunde zum Studieren.
Ich möcht' ja eines Tages auch mal promovieren;
Zeit kostet Geld — und Geist ist heute knapp!
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LEXIKON
Um die politische Erziehung der breiten
Öffentlichkeit zu fördern, bringen wir unse-
ren Lesern Auszüge aus einem soeben er-
schienenen „Parlamentarischen Lexikon".
ABGEORDNETER: Mit wenigen Ausnahmen der
spezies ein Mann vorgerückten Alters, dessen
Weisheit sich in den Sitzungen durch bedeutungs-
volles Schweigen kundtut. Seine stoisch,e Ruhe
wird nur ab und zu anläßlich lebhafter Debatten
durch wilde Temperaments-Ausbrüche abgelöst. Er
gibt dann meist ein vernehmliches „Hört, hört"
von sich. Dem fortgeschrittenen Alter ist es ver-
ständlicherweise zuzuschreiben, wenn der A. nach
kurzer Zeit vergessen hat, wer ihn und warum man
ihn gewählt hat.
ABSTIMMUNG: Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Es wird der Eindruck erweckt, als sei mit der A.
der Wille der Mehrheit des Volkes vollzogen. In
Wahrheit folgt jeder Abgeordnete nur dem Bei-
spiel des Fraktionsführers, da er in vielen Fällen
gar nicht weiß, worüber man gerade abstimmt.
DEBATTE: Tumultartige Szene als Folge des Vor-
wurfs der Rechten, die Linke entwickle Nazi-
methoden oder umgekehrt. Endet meist mit dem
demonstrativen Verlassen des Saales durch den
beleidigten Teil.
FRAKTION: Die Ähnlichkeit des Wortes mit dem
aus der Medizin bekannten Wort gleichen Stammes
fiaktur ( = Bruch) darf nicht zu der irrigen An-
sicht verleiten, daß in der Parlaments-Fraktion
(Parlament vom französischen Verbum für „spre-
chen, reden") Bruch geredet wird. Fraktion ist sinn-
gemäß mit Bruchteil (des Plenums s. d.) zu über-
setzen, was auch insofern den Kern der Sache
trifft, als immer nur ein Bruchteil der Fraktions-
angehörigen etwas sagt.
PLENUM: Vollsitzung des Parlaments. Ethymolo-
gisch ein Euphemismus, da bei Plenarsitzungen der
Saal nie voll (= lat. plenum), sondern halb-drei-
viertel leer ist. Die meisten Abgeordneten halten
sich in den Wandelhallen (s d.) auf. die der Presse
wegen im Saal bleibenden Abgeordneten verkür-
zen sich die Zeit durch Zeitungslesen, Brotzeit-
machen oder Schlafen.
PRÄSIDENT: Glockenschwingender, mit dem lau-
testen Organ begabter Parlamentariel, der mit
allen Mitteln gegebenenfalls die Ruhe wieder her-
stellen soll. Muß gewöhnlich naß füttern, da sonst
bei dem anstrengenden unablässigen Herunter-
leiern der protokollarischen Formeln die Gefahr
der Heiserkeit gegeben ist.
WANDELHALLEN: Nach den Gaststätten der wich-
tigste Teil des Parlamentsgebäudes, da hier ge-
raucht werden darf. Aufenthaltsoit der Abgeord-
neten während der nerven tötenden Sitzungen. Hier
ist der Ort, an dem neue Beleidigungsklagen aus-
gedacht und auch sonst Politik gemacht wird. Die
Räumung der W geht meist plötzlich vor sich,
wenn auf den Pfiff des Fraktionsführers hin die Ab-
geordneten fluchtartig in den Plenarsaal zur Ab-
stimmung stürzen. m—
Ansprache eines Heidelberger
Studenten an das Schelfel-Denkmal
Von Rudolf Ernst
Ja, ja. Da stehst du nun, aus Stein gehauen,
Und blickst auf dein Alt-Heidelberg herab.
Du siehst die fremden Autos und die schicken Frauen,
Und ich — ich muß zum Frühstück trockne Semmeln
kauen.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Was da für Menschen durcheinanderlaufen!
Der Bart von wegen „Musenstadt" ist ab.--
Ich möcht' mich mal so schrecklich gern, wie du,
besaufen
Und kann mir nicht mal meine zwei Sack Kohlen
kaufen.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Nun sag' bloß, dir gefällt das ganze Treiben!
Dein Herr von Rodenstein liegt längst im Grab;
Frühmorgens, wenn er umgeht, putz' ich Fenster-
scheiben
Und hacke Holz — an Stelle Salamanderreiben.
Das liegt am Kleingeld — das ist heute knapp.
Doch nun muß ich mich schleunigst retirieren.
Nimm mir's nicht übel, alter Herr. Ich hab'
Da grad mal eine freie Stunde zum Studieren.
Ich möcht' ja eines Tages auch mal promovieren;
Zeit kostet Geld — und Geist ist heute knapp!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Da ist Bonner Rat teuer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 5, S. 51.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg