Professor Dissonantis, der dem Stößenzapfer-Or-
chester stabführend und einstudierend, wie auch
der Erledigung seiner sonst noch anfallenden Ge-
schäfte obwaltend vorstand — eine Tätigkeit, die
seinen physischen Wohlbefund oft sehr ins Arge
setzte — dieser bestprädestinierte Interpret Leber-
transcher Tonspaltung also, hatte sich, privatim
und vollgänzlich auf eigene Hand (er war des Bei-
falls des Intendanten Ried von Maulesel noch un-
versichert) wider Vorletztgenannten dahin ver-
nehmen lassen, er sei willens und disponiert, des-
sen Moll-Oratorium „Oh wehe, weh!", Opus 4711,
das^er, Einfachheit und sprachlicher Trefflichkeit
halber, abbrevierend das „Moratorium" nannte,
am fünfzehnten Tage des sechsten Mondes allhier,
so recht eigentlich im Zentrum künstlerisch-aufge-
schlossener Belebsamkeit, einem selekten, erwar-
tungsbangen Personenkreise zu Gehör zu bringen.
Darüber war des Jubilierens und Triumphierens
in dem kleinen, doch hinlangend illustren Kreide-
weiß-Zirkel kein Ende gewesen, und auch Prälat
Vordertürl war, als ich ihr. der froh-haften Zei-
tung in seinem Asketenstüblein teilhaftig werden
)ieß, über die Maßen befreudigt. Säbelfegern gar,
dem in dem übergewöhnlichen Opus ein eigener
Stehgeigen-Part zubemessen war, konnte man das
genugtuliche Pläsier über das geglückte Unter-
fangen am Antlitz ablesen.
Es ist meiner rekapitulierenden Erinnerung wie
mit einem güldenen Griffel eingegraben, und die
technisch vortrefflich konstruierte Füllfeder will ob
des Zitterns meiner Hand mir den nimmermüden
Dienst versagen, wenn ich mich des Empfanges
vergegenwärtige, der Florianen, für ein kurzes
das traulich-stilie Zwitschering mit den Schreibe-
viels und dem kaltgewässerten „Gumpenweiher"
per Eilzug (denn die hurtigeren Schnellzüge waren
ja nicht gesonnen, in Zwitschering sich rastend zu
verschnaufen) hinter sich gelassen habend, in dem
Schwabinger Domizil der Maroddes bereitet wurde,
allwo einer vielgesichtiger Menge gewahr zu wer-
den ihm vergönnt war. Um Florian gratulierender
und bewundernder Weise die feingegliederte Ton-
setzerhand schütteln zu können, hatten ihre Prä-
senz bei Maroddes zu bewerkstelligen sich be-
müßigt gefunden: Zuvörderst Uta Nackefrosch,
welche bei Lebertrans Anblick gar lieblich zu er-
röten sich nicht entschlagen konnte, dann Walt-
purgis Veilchenstengel, die die Darm-, will sagen:
Wursthüllenindustrie repräsentierende Tochter
Zions, des ferneren Dr. Nuttenbauch Privatdozent
Dr. Imitatoris, selbstredend auch Kommerzienrat
Stieringer, der — Pappe manufaktierend — Leber-
Zum Thema: Todesstrafe
Eine Untersuchung der öffentlichen Meinung über
Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe er-
gab 74 °/o für Beibehaltung!
Wie friedlich sind die Deutschen heute,
die Umerziehung ist geglückt!
Wer im Gesetzesc,arten strauchelt,
dem wird die Birne abgepflückt.
Herunter mit der morschen Rübe!
Auf ein paar Dutzend kommt's nicht an!
Wir beten an die Macht der Liebe ...
Hut ab (nebst Kopf), wir sind human!
Das Volk der Dichter und der Denker
erspart sich durch die Axt, wenn's geht,
als Volk der Richter und der Henker
den Zimmermann aus Nazareth.
Beim Strafen sind wir die Gestrengen,
die Blut sehn können und sehn woll'n.
Wir lassen nie die Köpfe hängen;
wir lassen stets die Köpfe roll'n!
Gesetzesgeber und Juristen!
Tut eure Pflicht in Schuldigkeit.
Ihr seid bei uns des Beifalls sicher,
wenn ihr des Fallbeils sicher seid!
Im Namen des Volkes! H. Hartwig
„Der SIMPL" erscheint im Monat zweimal
Bezugspreis pro Monat DM 1.— zuzüglich 6 Pfg. Zustellgebühr
Das Führen unserer Zeitschriften in Lesemappen ist nur mit
ausdrücklicher Zustimmung des Verlages zulässig! Verlag
„Der SIMPL" (Freitag-Verlag!. München 23. Werneckstraße 15a
Fernruf: 362072. Postscheckkonto: München. — Freitag-Verlag
G.m.b.H. 91930. — Herausgeber u. allein verantwortl. Chefredak-
teur: Willi Ernst Freitag. — Redalstion: M. Schrimpf. — Sprech-
stunden: Dienstag u. Donnerstag v. 9 bis 12 Uhr. — Für unver-
langt eingesandte Manuskripte u. Zeichnungen wird keine Gewähr
übernommen. Freiumschlag ist beizulegen. — Anzeigen nach
Preisliste 1 vom 1. 9. 1948. Anze'gen-Verwaltung: Neue Haasen-
stein & Vogler Gesellschaft für Wirtschaftswerbung m.b.H., Mün-
chen 1, Roman-Mayr-Haus fKaufingerstraße 1/2). Tel. 2558. —
Klischees: Brend amour. Simhart & Co., Graphische Kunstanstalt,
München. — Drucl: Süddeutscher Verlag G.m.b.H.. MU-chen 2.
Sendlinger Str 80. — Copyright by Freitag Verlag 1946.
Published under Military-Government Information Control License
No US-E-148
Ein Romankapitel aus:
gokt<»r gojrttt*
Das Leben des deutschen Notenfügers Florian
Lebertran, erzählt von seinem Freunde
SEVERINUS HALBZEIT
XXXVI
trän in Fragen der Musik geistesverwandtschaftet
war, und eine lange Reihe den Maroddeschen
Haushalt frequentierender Gestaltlichkeiten, deren
Erwähnung ich mir jedoch, so sehr es mich dazu
auch drängen mag, immer eingedenk der biographi-
schen Pflichten, die zu erfüllen mir eine liebe und
unmißbare Beschäftigung, eine d e umweltbedingte
Vereinsamung meiner Alterstage auf das Ange-
nehmlichste belebende Abwechslung geworden ist,
— deren Erwähnung ich mir also, so füge ich, die
Lizenz des Lesers dazu in schriftstellerischer Frei-
heit voraussetzend und vorwegnehmend, an das
oben Ausgeführte an, aus dem soeben, wie ich
hoffe, mit adäquater Eloquenz dargestellten Grunde
versagen muß. (Anmerk. für den Setzer: Punkt.)
Man konnte also die an jenem Abend im Hause
der Maroddes vorherrschende Stimmung befugter-
maßen eine hohe und beflügelte nennen; dies um
so mehr, als Florians Betragen, das von der ver-
wunderlichsten Aufgeblättcitheit war, mir, dem
Wissenden, davon zeugte, daß dieses Mal die Im-
pulsivkräfte der Heiterkeit in seinem Gemüt die
obere Hand behalten hatten. Nicht lange währte
es, und aus der Gäste Mitte wurde, vielkehlig und
beredt sekundiert, das Ersuchen an ihn adressiert,
aus seinem neuen Opus, diesem kreatürlichen Aus-
fluß seines werkenden Genius, der der vieltönigen
Befreiung aus der ungemäßen Bändigung des No-
tenpapieres harre — eine Aufgabe, der Dr. Disso-
nantis in aller ziemlichen Bescheidenheit seine
Kräfte zu leihen sich erboten habe — aus diesem
Werk, dessen Erstverlautbarung man mit einhelli-
ger Ungeduld erwarte, auf dem altehr würdigen
Tafelklaviere der Senatorin einige passende Par-
tien zum allgemein dienlichen Vortrag zu bringen.
Was half es, daß Lebertran den Bittenden wehrte,
auf den fatal unförderlichen Zustand des Geräts
hinweisend, das, der harmonischen Stimmigkeit so
offensichtlich entbehrend, wenn nicht sein Spiel
beeinträchtigend erschweren, so doch ihren, der Zu-
hörer, Genuß nicht unerheblichen Maßes mindern
werde. Kommerzienrat Stieringer machte sich zum
Sprecher der kunstbeflissenen Gemeinde, indem er
unter allseitig beifälligem Gemurmel ausführte,
Dr. Joseph Müller wird sich in nächster Zeit auf
eine Weltreise begeben, da die Möglichkeilen des
Kontinents für seine politische Aktivität erschöpft
scheinen und er sich nicht im Kleinkram sachlicher
Arbeit zu Hause verzetteln möchte.
Aus den Fenstern der Hörspielabteilung des Baye-
rischen Rundfunks quoll am vergangenen Freitag
eine dunkle Masse, die von Passanten zunächst
für die drängende Fülle neuer Einfälle gehalten
wurde. Es stellte sich jedoch rasch heraus, daß es
sich nur um ein überströmen unerledigter Manu-
skript-Einsendungen handelte.
Einer Ubereinkunft sämtlicher deutschen Stellen
entsprechend, soll bei allen Festessen in behörd-
lichem, kulturellem oder wirtschaftlichem Rahmen,
zu denen Vertreter der Besatzungsmacht geladen
sind, die übermenge an Delikatessen und Geträn-
ken den Besuchern zeigen, wie man bei uns zu
feiern gewohnt ist und was man unter einem klei-
nen kalten Büfett zu verstehen hat
Uber die Schwierigkeit, das deutsche Volk zu dis-
kussionsfrohen Demokraten zu erziehen, berichtot
ein Friedensfreund, der die Umfrage gestartet hatte
..Wünschen Sie, daß Europa gegen den Osten an
der Elbe oder am Rhein verteidigt werde?" Nicht
weniger als 33 Prozent der Befragten hatten darauf
die rüde Antwort gegeben „Meinetwegen am Arsch.'
Um einem dringenden Bedürfnis unserer Frauen-
welt abzuhelfen, bringt eine Lederfirma endlich den
tragbaren Schrankkoffer für die Straßenbahn, der
noch raumgreifender ist als die derzeit modernen
Riesentaschen und noch weniger etwas in ihm Ge-
suchtes finden läßt
Von den derzeit in Deutschland lebenden ehe-
maligen Sowjetbürgern sind 98 Prozent mit der
Abfassung von Tatsachenberichten über ihre Flucht
aus der Sowjetunion beschäftigt Die Berichte
werden laufend in der deutschen Presse veröffent-
licht werden, die damit bis zum Jahre 1997 mit
sensationellen Enthüllungen aus der nächsten Um-
gebung des Kremls eingedeckt ist.
keineswegs wolle er der Anmaßung bezichtigt sein,
ein Werturteil über des Meisters genialisches Ton-
system zu fällen, doch wisse er dieses: Das Ton-
gerüst, das in einem ob seiner Kühnheit geradezu
bestürzenden Gegensatz zu den Schöpfungen an-
derer zeitgenössischer Neuerer, auf der Potenz —
er betone: Potenz — der arithmetischen Einheit
Zwölf fundiere, einer Zahl also, die er, Sprecher,
in der ihm gemäßen, merkantilen Diktion mit der
sonst nur auf mindere Dinge, wie Hosenknöpfe,
Schuhbänder, Haarnadeln usw. Anwendung finden-
den Bezeichnung „Gros" zu belegen pflege — die
aber Florianen sicher n lr ihrer hintergründig-ma-
gischen Influenz wegen gelegen gewesen sei —,
das solcherart gefügte Tonsystem sei der Befäng-
nis der starren Klaviatur so weit entschlüpft, daß
die an sich bedauerliche Indisposition des Klang-
werkzeuges nicht notwendig eine Genuß-Schmäle-
rung auf Seiten des Auditoriums im Gefolge zu
haben brauche.
Schwerlich befähigt, solch wohlgesetzter Rede zu
widerstehen, und weiteren Drärgens sich ver-
sehend, bestieg denn Florian, nicht ohne das für
solche Begebnisse diarakteristische Hochziehen sei-
nes rechten Ohrläppchens, den in zweckdienli-
chem Abstände dem Klavier vorgesetzten Dreh-
stuhl, dessen abs-inderlichem Bau ich früher schon
eine erschöpfende Würdigung angedeihen ließ. Mit
weit ausholender Geste in die von bürgerlich-alt-
ehrwürdigem Staub nicht mehr rechtzeitig gesäu-
berten Tasten greifend, vermittelte er dem gebannt
lauschenden Zuhörerkreis einen Vorgeschmack je-
nes köstlichen Werkes, das für eine mit gebräuch-
lichen Maßstäben nicht erfaßbare Zeitspanne nicht
nur die zünftige Kritik, sondern darüber hinaus die
gesamte musikalisch interessierte Bewohnerschaft
unseres Planeten in Atem halten sollte.
Die Bewegung, die sich meines Gemüts bemäch-
tigte, wenn ich die einem besonders teuren Winkel
meines Unterbewußtseins anvertraute Erinnerung
an jenen Abend, dem Impulse des Chronisten ge-
horchend, in den Vordergrund meines Geistes
zwinge, windet mir den Giiffel aus der Hand. Noch
von bangen Zweifeln erfüllt, ob es mir vergönnt
sein werde, die ekstatische Verzückung und einem
hypnotischen Zustande nicht unähnliche Gefesselt-
heit zu schildern, welche die Maroddesche Ge-
meinde bei Florians Vortrag in ihren Bann schlug,
finde ich mich genötigt, das ohnehin über Gebühr
angeschwollene Kapitel alljetzo zu beschließen.
Uber ein kleines, nach würzigem Schlafe und be-
kömmlichem Mahle, hoffe ich, der Entledigung
obenerwähnter Aufgabe — ein Werkprozeß, der
sich dem Leser als ein sien selbst ge*nügsames Ka-
pitel darbieten wird — besser gewappnet gegen-
über zu stehen
Infolge des Frauenüberschusses, der sich bei ge-
sellschaftlichen Veranstaltungen in einer heftigen
Jagd auf Männer im allgemeinen und Tänzer im
besonderen geltend macht, haben sich in M. meh-
rere Junggesellen in gesicherter Stellung zu einem
„Verein der erotisch Verfolgten" zusammen-
geschlossen. Vim
Verm ischte Nachrichten
67
chester stabführend und einstudierend, wie auch
der Erledigung seiner sonst noch anfallenden Ge-
schäfte obwaltend vorstand — eine Tätigkeit, die
seinen physischen Wohlbefund oft sehr ins Arge
setzte — dieser bestprädestinierte Interpret Leber-
transcher Tonspaltung also, hatte sich, privatim
und vollgänzlich auf eigene Hand (er war des Bei-
falls des Intendanten Ried von Maulesel noch un-
versichert) wider Vorletztgenannten dahin ver-
nehmen lassen, er sei willens und disponiert, des-
sen Moll-Oratorium „Oh wehe, weh!", Opus 4711,
das^er, Einfachheit und sprachlicher Trefflichkeit
halber, abbrevierend das „Moratorium" nannte,
am fünfzehnten Tage des sechsten Mondes allhier,
so recht eigentlich im Zentrum künstlerisch-aufge-
schlossener Belebsamkeit, einem selekten, erwar-
tungsbangen Personenkreise zu Gehör zu bringen.
Darüber war des Jubilierens und Triumphierens
in dem kleinen, doch hinlangend illustren Kreide-
weiß-Zirkel kein Ende gewesen, und auch Prälat
Vordertürl war, als ich ihr. der froh-haften Zei-
tung in seinem Asketenstüblein teilhaftig werden
)ieß, über die Maßen befreudigt. Säbelfegern gar,
dem in dem übergewöhnlichen Opus ein eigener
Stehgeigen-Part zubemessen war, konnte man das
genugtuliche Pläsier über das geglückte Unter-
fangen am Antlitz ablesen.
Es ist meiner rekapitulierenden Erinnerung wie
mit einem güldenen Griffel eingegraben, und die
technisch vortrefflich konstruierte Füllfeder will ob
des Zitterns meiner Hand mir den nimmermüden
Dienst versagen, wenn ich mich des Empfanges
vergegenwärtige, der Florianen, für ein kurzes
das traulich-stilie Zwitschering mit den Schreibe-
viels und dem kaltgewässerten „Gumpenweiher"
per Eilzug (denn die hurtigeren Schnellzüge waren
ja nicht gesonnen, in Zwitschering sich rastend zu
verschnaufen) hinter sich gelassen habend, in dem
Schwabinger Domizil der Maroddes bereitet wurde,
allwo einer vielgesichtiger Menge gewahr zu wer-
den ihm vergönnt war. Um Florian gratulierender
und bewundernder Weise die feingegliederte Ton-
setzerhand schütteln zu können, hatten ihre Prä-
senz bei Maroddes zu bewerkstelligen sich be-
müßigt gefunden: Zuvörderst Uta Nackefrosch,
welche bei Lebertrans Anblick gar lieblich zu er-
röten sich nicht entschlagen konnte, dann Walt-
purgis Veilchenstengel, die die Darm-, will sagen:
Wursthüllenindustrie repräsentierende Tochter
Zions, des ferneren Dr. Nuttenbauch Privatdozent
Dr. Imitatoris, selbstredend auch Kommerzienrat
Stieringer, der — Pappe manufaktierend — Leber-
Zum Thema: Todesstrafe
Eine Untersuchung der öffentlichen Meinung über
Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe er-
gab 74 °/o für Beibehaltung!
Wie friedlich sind die Deutschen heute,
die Umerziehung ist geglückt!
Wer im Gesetzesc,arten strauchelt,
dem wird die Birne abgepflückt.
Herunter mit der morschen Rübe!
Auf ein paar Dutzend kommt's nicht an!
Wir beten an die Macht der Liebe ...
Hut ab (nebst Kopf), wir sind human!
Das Volk der Dichter und der Denker
erspart sich durch die Axt, wenn's geht,
als Volk der Richter und der Henker
den Zimmermann aus Nazareth.
Beim Strafen sind wir die Gestrengen,
die Blut sehn können und sehn woll'n.
Wir lassen nie die Köpfe hängen;
wir lassen stets die Köpfe roll'n!
Gesetzesgeber und Juristen!
Tut eure Pflicht in Schuldigkeit.
Ihr seid bei uns des Beifalls sicher,
wenn ihr des Fallbeils sicher seid!
Im Namen des Volkes! H. Hartwig
„Der SIMPL" erscheint im Monat zweimal
Bezugspreis pro Monat DM 1.— zuzüglich 6 Pfg. Zustellgebühr
Das Führen unserer Zeitschriften in Lesemappen ist nur mit
ausdrücklicher Zustimmung des Verlages zulässig! Verlag
„Der SIMPL" (Freitag-Verlag!. München 23. Werneckstraße 15a
Fernruf: 362072. Postscheckkonto: München. — Freitag-Verlag
G.m.b.H. 91930. — Herausgeber u. allein verantwortl. Chefredak-
teur: Willi Ernst Freitag. — Redalstion: M. Schrimpf. — Sprech-
stunden: Dienstag u. Donnerstag v. 9 bis 12 Uhr. — Für unver-
langt eingesandte Manuskripte u. Zeichnungen wird keine Gewähr
übernommen. Freiumschlag ist beizulegen. — Anzeigen nach
Preisliste 1 vom 1. 9. 1948. Anze'gen-Verwaltung: Neue Haasen-
stein & Vogler Gesellschaft für Wirtschaftswerbung m.b.H., Mün-
chen 1, Roman-Mayr-Haus fKaufingerstraße 1/2). Tel. 2558. —
Klischees: Brend amour. Simhart & Co., Graphische Kunstanstalt,
München. — Drucl: Süddeutscher Verlag G.m.b.H.. MU-chen 2.
Sendlinger Str 80. — Copyright by Freitag Verlag 1946.
Published under Military-Government Information Control License
No US-E-148
Ein Romankapitel aus:
gokt<»r gojrttt*
Das Leben des deutschen Notenfügers Florian
Lebertran, erzählt von seinem Freunde
SEVERINUS HALBZEIT
XXXVI
trän in Fragen der Musik geistesverwandtschaftet
war, und eine lange Reihe den Maroddeschen
Haushalt frequentierender Gestaltlichkeiten, deren
Erwähnung ich mir jedoch, so sehr es mich dazu
auch drängen mag, immer eingedenk der biographi-
schen Pflichten, die zu erfüllen mir eine liebe und
unmißbare Beschäftigung, eine d e umweltbedingte
Vereinsamung meiner Alterstage auf das Ange-
nehmlichste belebende Abwechslung geworden ist,
— deren Erwähnung ich mir also, so füge ich, die
Lizenz des Lesers dazu in schriftstellerischer Frei-
heit voraussetzend und vorwegnehmend, an das
oben Ausgeführte an, aus dem soeben, wie ich
hoffe, mit adäquater Eloquenz dargestellten Grunde
versagen muß. (Anmerk. für den Setzer: Punkt.)
Man konnte also die an jenem Abend im Hause
der Maroddes vorherrschende Stimmung befugter-
maßen eine hohe und beflügelte nennen; dies um
so mehr, als Florians Betragen, das von der ver-
wunderlichsten Aufgeblättcitheit war, mir, dem
Wissenden, davon zeugte, daß dieses Mal die Im-
pulsivkräfte der Heiterkeit in seinem Gemüt die
obere Hand behalten hatten. Nicht lange währte
es, und aus der Gäste Mitte wurde, vielkehlig und
beredt sekundiert, das Ersuchen an ihn adressiert,
aus seinem neuen Opus, diesem kreatürlichen Aus-
fluß seines werkenden Genius, der der vieltönigen
Befreiung aus der ungemäßen Bändigung des No-
tenpapieres harre — eine Aufgabe, der Dr. Disso-
nantis in aller ziemlichen Bescheidenheit seine
Kräfte zu leihen sich erboten habe — aus diesem
Werk, dessen Erstverlautbarung man mit einhelli-
ger Ungeduld erwarte, auf dem altehr würdigen
Tafelklaviere der Senatorin einige passende Par-
tien zum allgemein dienlichen Vortrag zu bringen.
Was half es, daß Lebertran den Bittenden wehrte,
auf den fatal unförderlichen Zustand des Geräts
hinweisend, das, der harmonischen Stimmigkeit so
offensichtlich entbehrend, wenn nicht sein Spiel
beeinträchtigend erschweren, so doch ihren, der Zu-
hörer, Genuß nicht unerheblichen Maßes mindern
werde. Kommerzienrat Stieringer machte sich zum
Sprecher der kunstbeflissenen Gemeinde, indem er
unter allseitig beifälligem Gemurmel ausführte,
Dr. Joseph Müller wird sich in nächster Zeit auf
eine Weltreise begeben, da die Möglichkeilen des
Kontinents für seine politische Aktivität erschöpft
scheinen und er sich nicht im Kleinkram sachlicher
Arbeit zu Hause verzetteln möchte.
Aus den Fenstern der Hörspielabteilung des Baye-
rischen Rundfunks quoll am vergangenen Freitag
eine dunkle Masse, die von Passanten zunächst
für die drängende Fülle neuer Einfälle gehalten
wurde. Es stellte sich jedoch rasch heraus, daß es
sich nur um ein überströmen unerledigter Manu-
skript-Einsendungen handelte.
Einer Ubereinkunft sämtlicher deutschen Stellen
entsprechend, soll bei allen Festessen in behörd-
lichem, kulturellem oder wirtschaftlichem Rahmen,
zu denen Vertreter der Besatzungsmacht geladen
sind, die übermenge an Delikatessen und Geträn-
ken den Besuchern zeigen, wie man bei uns zu
feiern gewohnt ist und was man unter einem klei-
nen kalten Büfett zu verstehen hat
Uber die Schwierigkeit, das deutsche Volk zu dis-
kussionsfrohen Demokraten zu erziehen, berichtot
ein Friedensfreund, der die Umfrage gestartet hatte
..Wünschen Sie, daß Europa gegen den Osten an
der Elbe oder am Rhein verteidigt werde?" Nicht
weniger als 33 Prozent der Befragten hatten darauf
die rüde Antwort gegeben „Meinetwegen am Arsch.'
Um einem dringenden Bedürfnis unserer Frauen-
welt abzuhelfen, bringt eine Lederfirma endlich den
tragbaren Schrankkoffer für die Straßenbahn, der
noch raumgreifender ist als die derzeit modernen
Riesentaschen und noch weniger etwas in ihm Ge-
suchtes finden läßt
Von den derzeit in Deutschland lebenden ehe-
maligen Sowjetbürgern sind 98 Prozent mit der
Abfassung von Tatsachenberichten über ihre Flucht
aus der Sowjetunion beschäftigt Die Berichte
werden laufend in der deutschen Presse veröffent-
licht werden, die damit bis zum Jahre 1997 mit
sensationellen Enthüllungen aus der nächsten Um-
gebung des Kremls eingedeckt ist.
keineswegs wolle er der Anmaßung bezichtigt sein,
ein Werturteil über des Meisters genialisches Ton-
system zu fällen, doch wisse er dieses: Das Ton-
gerüst, das in einem ob seiner Kühnheit geradezu
bestürzenden Gegensatz zu den Schöpfungen an-
derer zeitgenössischer Neuerer, auf der Potenz —
er betone: Potenz — der arithmetischen Einheit
Zwölf fundiere, einer Zahl also, die er, Sprecher,
in der ihm gemäßen, merkantilen Diktion mit der
sonst nur auf mindere Dinge, wie Hosenknöpfe,
Schuhbänder, Haarnadeln usw. Anwendung finden-
den Bezeichnung „Gros" zu belegen pflege — die
aber Florianen sicher n lr ihrer hintergründig-ma-
gischen Influenz wegen gelegen gewesen sei —,
das solcherart gefügte Tonsystem sei der Befäng-
nis der starren Klaviatur so weit entschlüpft, daß
die an sich bedauerliche Indisposition des Klang-
werkzeuges nicht notwendig eine Genuß-Schmäle-
rung auf Seiten des Auditoriums im Gefolge zu
haben brauche.
Schwerlich befähigt, solch wohlgesetzter Rede zu
widerstehen, und weiteren Drärgens sich ver-
sehend, bestieg denn Florian, nicht ohne das für
solche Begebnisse diarakteristische Hochziehen sei-
nes rechten Ohrläppchens, den in zweckdienli-
chem Abstände dem Klavier vorgesetzten Dreh-
stuhl, dessen abs-inderlichem Bau ich früher schon
eine erschöpfende Würdigung angedeihen ließ. Mit
weit ausholender Geste in die von bürgerlich-alt-
ehrwürdigem Staub nicht mehr rechtzeitig gesäu-
berten Tasten greifend, vermittelte er dem gebannt
lauschenden Zuhörerkreis einen Vorgeschmack je-
nes köstlichen Werkes, das für eine mit gebräuch-
lichen Maßstäben nicht erfaßbare Zeitspanne nicht
nur die zünftige Kritik, sondern darüber hinaus die
gesamte musikalisch interessierte Bewohnerschaft
unseres Planeten in Atem halten sollte.
Die Bewegung, die sich meines Gemüts bemäch-
tigte, wenn ich die einem besonders teuren Winkel
meines Unterbewußtseins anvertraute Erinnerung
an jenen Abend, dem Impulse des Chronisten ge-
horchend, in den Vordergrund meines Geistes
zwinge, windet mir den Giiffel aus der Hand. Noch
von bangen Zweifeln erfüllt, ob es mir vergönnt
sein werde, die ekstatische Verzückung und einem
hypnotischen Zustande nicht unähnliche Gefesselt-
heit zu schildern, welche die Maroddesche Ge-
meinde bei Florians Vortrag in ihren Bann schlug,
finde ich mich genötigt, das ohnehin über Gebühr
angeschwollene Kapitel alljetzo zu beschließen.
Uber ein kleines, nach würzigem Schlafe und be-
kömmlichem Mahle, hoffe ich, der Entledigung
obenerwähnter Aufgabe — ein Werkprozeß, der
sich dem Leser als ein sien selbst ge*nügsames Ka-
pitel darbieten wird — besser gewappnet gegen-
über zu stehen
Infolge des Frauenüberschusses, der sich bei ge-
sellschaftlichen Veranstaltungen in einer heftigen
Jagd auf Männer im allgemeinen und Tänzer im
besonderen geltend macht, haben sich in M. meh-
rere Junggesellen in gesicherter Stellung zu einem
„Verein der erotisch Verfolgten" zusammen-
geschlossen. Vim
Verm ischte Nachrichten
67
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Träumerei"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Signatur: HEHU
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 6, S. 67.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg