AUF GRUND GESETZT
Ißmjerifdiet gdimollmmhel
HOHEIT UM) SCHWAGER
Wenn man ein altes Stück zur Erinnerung in die
Rumpelkammer stellt, belegt es der Zahn der Zeit
mit einer Staubschicht. Je länger die Zeit, desto
dichter die Schicht. Betritt man die Kammer zum
andern einmal und bläst aus vollen Backen über
den Staub, wird dieser aufgewirbelt. Das alte
Stück indessen wird davon nicht neu.
Dies ist die Geschichte der jüngsten monarchisti-
schen Bestrebungen in Bayern.
*
Schloß Nymphenburg in München genießt Mu-
seumswert. Der Baedeker bringt es unter Sehens-
würdigkeiten. Der Name Nymphenburg ist be-
kannter als durch das Schloß durch das dort manu-
fakturierte Porzellan.
Für zwei Nachmittage erwachte Schloß Nymphen-
burg lemurenhaft. Ohne Geisterstundenspuk. Der
bayerische Kronprinz hat Geburtstagsempfänge.
Und alle, alle kamen, die sich einst in der Herr-
schersommersonne tümmelten, einen Strahl der
spärlichen Novembersonne zu erhaschen. Bildlich
gesprochen. Denn es war Mai.
*
Für zwei Nachmittage war in Nymphenburg nicht
mehr das Porzellan dominierend. Sondern der
Kalk. Der rieselnde. Im Schloß.
*
Wer bürgerlicher Abkunft sich glückwünschend
nahete, wurde ausgezeichnet. Früher hätte man ihn
geadelt. In unseren finsteren republikanischen Zei-
ten geht das nicht mehr. Man wurde dafür ge-
nadelt. Mit der Erinnerungsnadel des Kronprinzen.
„Kronprinzlich Bayerisch genadelter Bäcker-
meister."
Für alles gibt es ein Symbol. Als der achtzigjäh-
rige Kronprinz, von dünnen Hochrufen begleitet,
die Treppe des Schlosses herabstieg, blus in voller
malerisch-romantischer Montur der letzte baye-
rische Postillon. Hoheit und Schwager unterhielten
sich kurz. Reliquien einer Zeit, die nie mehr wie-
derkehrt.
Denn Eisenbahn, Auto und Flugzeug machen den
Postillon überflüssig. Er steht gewissermaßen nur
noch unter Denkmalschutz.
Das ist das Schicksal der jüngsten monarchistischen
Bestrebungen in Bayern. m—
Schüler der Demokratie!
Gesetzt den Fall, wir hätten keinen Grund, hier
Grundsätze zu vertreten, so müßten wir heut doch
hier etwas Grundsätzliches über das Grundgesetz
hinsetzen. Setzen!
Der Grund und Boden, in den wir alles gewirt-
schaftet haben und auf den wir nun unser neues
Haus und unsere Hoffnung setzen, ist wankend,
gewiß, und im Hintergrund sitzt die Sorge um die
Dauerhaftigkeit der Konstruktion. Aber im Grunde
genommen müssen sich auch Besetzte eben mal
durchsetzen. Gehen wir also den Dingen auf den
Grund und nehmen wir die bisherigen Sätze nicht
wichtiger als sie sind.
In Bonn am Rhein setzten sich die Gründer der
Bundesrepublik an den Tisch, um den durch die
Parteien gehenden Grund-Riß aufzusetzen. Dabei
setzten sie die Militärgouverneure grundlegend in
Harnisch, dem politischen Gegner grundlos die
Pistole auf die Brust, sich selbst ohne Grund ins
rechte Licht und schließlich die Paragraphen mit
Winke — Winke für die Hausfrau
Schlagen Sie um sich
ein schmackhaftes Frühstück zu bereiten, sechs
Eier in Pfanne und bereiten Sie dieses Rührei nicht
ohne Rührung!
Sehen Sie sich vor
jedem Ausgang noch einmal im Spiegel an, viel-
leicht haben Sie unter Ihrer Drei-Viertel-Jacke
aus Cordsamt den Rock vergessen!
Denken Sie nicht zu viel
über die Jugendsünden Ihres Mannes nach, seien
Sie froh, daß er sein Vorleben hinter sich hat!
Legen Sie sich hin
und wieder auch am Vormittag ein paar Minuten
zur Ruhe, wenn Ihnen danach zumute ist! Wonach
Ihnen zumute ist, müssen Sie selber wissen.
Nehmen Sie Gift
darauf, daß jede Ihrer Freundinnen Ihr richtiges
Alter kennt. Wenn eine es nicht kennt, ist es
keine richtige Freundin.
Reden Sie laut nach
Ihrer Überzeugung, was Sie von der Politik halten!
Viel wird es sowieso nicht sein.
den Grund-Rechten und -Linken in Kraft.
Uns geht vor Entsetzen einiges mit Grund-Eis.
Mancher Gesetzteil entbehrt jeder Grundlage und
liegt uns wie ein Grund-Stein vorsätzlich im
Magen. Aber die Herren im gesetzten Alter hatten
sich in den Kopf gesetzt, uns einen hieb- und stich-
festen staatsrechtlichen Grund (eine Art gesetz-
licher Untergrundbewegung) zu geben und das
Staatsschiffchen nicht auf Grund fehlender Grund-
sätze auf Grund zu setzen.
Dies alles am 8. Mai fünf Minuten vor Zwölf!
Unser früh'rer Gesetz- und Angeber hatte bis
fünf Minuten nach zwölf gewartet. Das ist der
Grund, weshalb es jetzt solange gedauert hat.
Immerhin: Gebt uns vier Jahre Zeit. Na also.
Die Verunstaltung ist beendet, das Grundgesetz
ist verabschiedet. Falls es Ihnen nicht gefällt,
dann denken Sie an den Grundsatz: Der Ge-
schmack ist verschieden. Nach langem,
schwerem Leiden. Am 8 Mai 1949. H. Hartwig
(Eine Zeile ist eine Schlagzeile, wenn sie den Leser
solange betäubt, bis er die Besinnung wiedererlangt.)
Lassen Sie einen
guten Freund nicht länger als eine Viertelstunde
warten! Sie kommen sonst in den Geruch der
Unpünktlichkeit.
Kaufen Sie sich tot
oder besser lebendig einen Fluß-Aal und bereiten
Sie ihn in Hamburger Dillsauce! Sie werden über-
rascht sein, wie teuer Sie das Gericht zu stehen
kommt!
Werfen Sie sich weg
en einer kleinen Party nicht in Ihren besten Staatl
Heben Sie sich Ihre beste Garderobe für festliche
Gelegenheiten auf.
Sprechen Sie von sich
nicht so viel wie die andern, es hört ohnehin nie-
mand zu.
Spielen Sie sich auf
dem Flügel dann und wann „Das Gebet einer
Jungfrau"! Auch die Erinnerung kann erquicken.
Schreiben Sie uns
nicht, wenn Sie sonst noch einen Rat brauchen!
Wir wissen uns selber keinen. H. Augustin
139!
Ißmjerifdiet gdimollmmhel
HOHEIT UM) SCHWAGER
Wenn man ein altes Stück zur Erinnerung in die
Rumpelkammer stellt, belegt es der Zahn der Zeit
mit einer Staubschicht. Je länger die Zeit, desto
dichter die Schicht. Betritt man die Kammer zum
andern einmal und bläst aus vollen Backen über
den Staub, wird dieser aufgewirbelt. Das alte
Stück indessen wird davon nicht neu.
Dies ist die Geschichte der jüngsten monarchisti-
schen Bestrebungen in Bayern.
*
Schloß Nymphenburg in München genießt Mu-
seumswert. Der Baedeker bringt es unter Sehens-
würdigkeiten. Der Name Nymphenburg ist be-
kannter als durch das Schloß durch das dort manu-
fakturierte Porzellan.
Für zwei Nachmittage erwachte Schloß Nymphen-
burg lemurenhaft. Ohne Geisterstundenspuk. Der
bayerische Kronprinz hat Geburtstagsempfänge.
Und alle, alle kamen, die sich einst in der Herr-
schersommersonne tümmelten, einen Strahl der
spärlichen Novembersonne zu erhaschen. Bildlich
gesprochen. Denn es war Mai.
*
Für zwei Nachmittage war in Nymphenburg nicht
mehr das Porzellan dominierend. Sondern der
Kalk. Der rieselnde. Im Schloß.
*
Wer bürgerlicher Abkunft sich glückwünschend
nahete, wurde ausgezeichnet. Früher hätte man ihn
geadelt. In unseren finsteren republikanischen Zei-
ten geht das nicht mehr. Man wurde dafür ge-
nadelt. Mit der Erinnerungsnadel des Kronprinzen.
„Kronprinzlich Bayerisch genadelter Bäcker-
meister."
Für alles gibt es ein Symbol. Als der achtzigjäh-
rige Kronprinz, von dünnen Hochrufen begleitet,
die Treppe des Schlosses herabstieg, blus in voller
malerisch-romantischer Montur der letzte baye-
rische Postillon. Hoheit und Schwager unterhielten
sich kurz. Reliquien einer Zeit, die nie mehr wie-
derkehrt.
Denn Eisenbahn, Auto und Flugzeug machen den
Postillon überflüssig. Er steht gewissermaßen nur
noch unter Denkmalschutz.
Das ist das Schicksal der jüngsten monarchistischen
Bestrebungen in Bayern. m—
Schüler der Demokratie!
Gesetzt den Fall, wir hätten keinen Grund, hier
Grundsätze zu vertreten, so müßten wir heut doch
hier etwas Grundsätzliches über das Grundgesetz
hinsetzen. Setzen!
Der Grund und Boden, in den wir alles gewirt-
schaftet haben und auf den wir nun unser neues
Haus und unsere Hoffnung setzen, ist wankend,
gewiß, und im Hintergrund sitzt die Sorge um die
Dauerhaftigkeit der Konstruktion. Aber im Grunde
genommen müssen sich auch Besetzte eben mal
durchsetzen. Gehen wir also den Dingen auf den
Grund und nehmen wir die bisherigen Sätze nicht
wichtiger als sie sind.
In Bonn am Rhein setzten sich die Gründer der
Bundesrepublik an den Tisch, um den durch die
Parteien gehenden Grund-Riß aufzusetzen. Dabei
setzten sie die Militärgouverneure grundlegend in
Harnisch, dem politischen Gegner grundlos die
Pistole auf die Brust, sich selbst ohne Grund ins
rechte Licht und schließlich die Paragraphen mit
Winke — Winke für die Hausfrau
Schlagen Sie um sich
ein schmackhaftes Frühstück zu bereiten, sechs
Eier in Pfanne und bereiten Sie dieses Rührei nicht
ohne Rührung!
Sehen Sie sich vor
jedem Ausgang noch einmal im Spiegel an, viel-
leicht haben Sie unter Ihrer Drei-Viertel-Jacke
aus Cordsamt den Rock vergessen!
Denken Sie nicht zu viel
über die Jugendsünden Ihres Mannes nach, seien
Sie froh, daß er sein Vorleben hinter sich hat!
Legen Sie sich hin
und wieder auch am Vormittag ein paar Minuten
zur Ruhe, wenn Ihnen danach zumute ist! Wonach
Ihnen zumute ist, müssen Sie selber wissen.
Nehmen Sie Gift
darauf, daß jede Ihrer Freundinnen Ihr richtiges
Alter kennt. Wenn eine es nicht kennt, ist es
keine richtige Freundin.
Reden Sie laut nach
Ihrer Überzeugung, was Sie von der Politik halten!
Viel wird es sowieso nicht sein.
den Grund-Rechten und -Linken in Kraft.
Uns geht vor Entsetzen einiges mit Grund-Eis.
Mancher Gesetzteil entbehrt jeder Grundlage und
liegt uns wie ein Grund-Stein vorsätzlich im
Magen. Aber die Herren im gesetzten Alter hatten
sich in den Kopf gesetzt, uns einen hieb- und stich-
festen staatsrechtlichen Grund (eine Art gesetz-
licher Untergrundbewegung) zu geben und das
Staatsschiffchen nicht auf Grund fehlender Grund-
sätze auf Grund zu setzen.
Dies alles am 8. Mai fünf Minuten vor Zwölf!
Unser früh'rer Gesetz- und Angeber hatte bis
fünf Minuten nach zwölf gewartet. Das ist der
Grund, weshalb es jetzt solange gedauert hat.
Immerhin: Gebt uns vier Jahre Zeit. Na also.
Die Verunstaltung ist beendet, das Grundgesetz
ist verabschiedet. Falls es Ihnen nicht gefällt,
dann denken Sie an den Grundsatz: Der Ge-
schmack ist verschieden. Nach langem,
schwerem Leiden. Am 8 Mai 1949. H. Hartwig
(Eine Zeile ist eine Schlagzeile, wenn sie den Leser
solange betäubt, bis er die Besinnung wiedererlangt.)
Lassen Sie einen
guten Freund nicht länger als eine Viertelstunde
warten! Sie kommen sonst in den Geruch der
Unpünktlichkeit.
Kaufen Sie sich tot
oder besser lebendig einen Fluß-Aal und bereiten
Sie ihn in Hamburger Dillsauce! Sie werden über-
rascht sein, wie teuer Sie das Gericht zu stehen
kommt!
Werfen Sie sich weg
en einer kleinen Party nicht in Ihren besten Staatl
Heben Sie sich Ihre beste Garderobe für festliche
Gelegenheiten auf.
Sprechen Sie von sich
nicht so viel wie die andern, es hört ohnehin nie-
mand zu.
Spielen Sie sich auf
dem Flügel dann und wann „Das Gebet einer
Jungfrau"! Auch die Erinnerung kann erquicken.
Schreiben Sie uns
nicht, wenn Sie sonst noch einen Rat brauchen!
Wir wissen uns selber keinen. H. Augustin
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Bayerischer Schmollwinkel" / "Was man sich so alles an den Kopf wirft ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
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Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
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Künstler/Urheber (GND)
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Der Simpl, 4.1949, Nr. 12, S. 139.
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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg