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Slevogt, Max [Ill.]
Ali Baba und die vierzig Räuber: [ein Märchen aus Tausendundeine Nacht] — Berlin, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.25557#0011
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Jeder von den Räubern zäumte sein Pferd ab, band es an, warf ihm einen Sack voll Gerste,
den er hinter sich gehabt hatte, über den Kopf, und packte dann seine Reisetasche ab. Die meisten der--
felben schienen Ali Baba so schwer, daß er schloß, sie müßten voll Gold und Silber sein.

Der siattlichste der Räuber, den Ali Baba für ihren Hauptmann hielt, näherte sich ebenfalls mit
seiner Reisetasche auf der Schulter dem Felsen, der dicht an dem großen Baume war, wohin Ali Baba
sich geflüchtet hatte, und nachdem er sich durch einige Sträuche den Weg gebahnt, sprach er die Worte:
„Sesam, öffne dich!" so laut und deutlich, daß Ali Baba sie hörte. Kaum hatte der Räuberhauptmann
diese Worte ausgesprochen, so öffnete sich eine Türe, durch die er alle seine Leute vor sich her eintreten
ließ; er selbst ging zuletzt hinein und die Türe schloß sich wieder.

Die Räuber blieben lange in dem Felsen, nnd Ali Baba mußte geduldig auf dem Baume bleiben
und warten; denn er fürchlete, es möchten einzelne oder auch alle zusammen in dem Augenblick, wo er
seinen Posten verlassen und fliehen wollte, herauskommen. Gleichwohl geriet er in Versuchung, herab-
zusteigen, sich zweier Pferde zu bemächtigen sich auf das eine zu setzen, das andere am Zügel nebenher
zu führen, und so, indem er seine drei Esel vor sich hertriebe, in die Stadt zu reiten; doch war dieses
Unternehmen zu gewagt, und er beschloß daher, den sicheren Teil zu wählen.

Endlich öffnete sich die Türe wieder, die vierzig Räuber traten heraus und der Hauptmann, der
zuletzt hineingegangen war, war jetzt der erste, der herauskam und die übrigen alle an sich vorbeiziehen
ließ. Ali Baba hörte, daß auf seine Worte: „Sesam schließe dich" die Türe sich wieder schloß. Jeder
kehrte zu seinem Pferde zurück, zäumte es, band seine Tasche über den Sattel und schwang sich wieder hinauf.
Als der Hauptmann endlich sah, daß sie alle zum Ritte gerüstet waren, stellte er sich an ihre Spitze und
schlug wieder denselben Weg ein, auf dem sie gekommen waren.

Ali Baba stieg nicht sogleich vom Baume herab. „Sie könnten," sprach er bei sich selbst, „etwas
vergessen haben, das sie wieder umzukehren nötigte und dann würden sie mich ertappen." Er verfolgte
sie mit den Augen, bis er sie aus dem Gesicht verloren hatte, und stieg zur größeren Sicherheit erst lange
nachher herab. Da er die Worte, kraft deren der Räuberhauptmann die Türe geöffnet und wieder
geschlossen, wohl in seinem Gedächtnisse behalten hatte, so wandelte ihn die Lust an, einen Versuch zu
machen, ob sie vielleicht dieselbe Wirkung haben würden, wenn er sie ausspräche. Er drängte sich daher
durch das Gesträuch, fand die Türe, die es verdeckte, siellte sich vor sie hin, sprach die Worte: „Sesam,
öffne dich!" und siehe da, im Augenblick sprang die Türe angelweit auf.

Ali Baba hatte einen dnnkeln und finstern Ort erwartet, aber wie groß war sein Erstaunen, als
er das Jnnere des Felsens sehr hell, weit und geräumig und von Menschenhänden zu einem hohen Gewölbe
ausgehölt sah, das von oben herab durch eine künsilich angebrachte Öffnung sein Licht empfing. Er
erblickte hier große Mundvorräte, Ballen von köstlichen Kaufmannswaren, Seidensioffen und Brokat,
besonders auch wertvolle Teppiche, haufenweise aufgetürmt; was ihn aber am meisten anzog, war eine
Masse geprägtes Gold und Silber, daß teils in Haufen aufgeschüttet, teils in ledernen Säcken und Beuteln
immer einer nach dem andern dalag. Bei diesem Anblick kam es ihm vor, als ob diese Felsenhöhle nicht

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