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Sonntags-Blatt: Gratisbeilage zum General-Anzeiger für Heidelberg und Umgegend — 1894

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Nr. 45 - Nr. 48 (4. November - 25. November)
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Auch ihm war die Rückkehr Egons keineswegs erwünscht;
was er vom Oberförster vernommen hatte, stimmte ihn sehr
nachdenklich, und die Erklärungen seines zukünftigen Schwieger-
sohnes konnten seine Bedenken nicht ganz beseitigen.
Gleichwohl war er weit davon entfernt, zu glauben
oder auch nur zu vermuthen, daß fein Schwiegersohn durch
Betrug und Fälschung das Erbe erschlichen haben könne, er
hielt den Baron Werner von Eichenfels für einen Mann
von Ehre, zudem kannte er ja auch das feindselige Verhältniß,
das Jahre lang zwischen Vater und Sohn bestanden und
sich mehr und mehr zugespitzt hatte!
Er selbst hegte Groll gegen Egon, denn wenn er auf-
richtig sein wollte, so mußte er gestehen, daß dieser ihm
als Schwiegersohn lieber gewesen wäre, und schon aus diesem
Grunde ging er über die Enterbung desselben leichter hin-
weg, die vielleicht unter anderen Umständen ihn empört
haben würde.

„Hm, ich weiß doch nicht, ob Sie das mit voller Be-
stimmtheit behaupten dürfen. Comtesse Natalie scheint mir
noch immer nicht sehr gewogen zu sein —"
„Meine Schwester? Bah, die hat keine Stimme!"
„Aber sie übt einen Einfluß auf Sabine —"
„Machen Sie sich keine unnöthigen Sorgen!" sagte der
Graf mit einem geringschätzenden Achselzucken, „in meinem
Hause gilt nur das, was ich will, das müßten Sie längst
wissen! Sie haben nur den Hochzeitstag zu bestimmen,
alles Weitere dürfen Sie mir getrost überlassen."
„Nah der Hochzeit würde ich mit meiner Gemahlin
die Reise nach Berlin antreten," fuhr Baron Werner in
heiterem Tone fort, „ich weiß nicht, wie lange ich in der
Residenz bleiben werde, ich habe dort viele befreundete
Familien, da werden die Feste sich drängen; zudem will
ich auch Sabine am Hofe vorstellen."
„Das dürfen Sie freilich nicht unterlassen; die Gunst


Der Letzte des Bataillons.

Seiner Majestät kann Ihnen in dem Erbschaftsprozesse von
großem Vvrtheil sein."
„Für die Dauer meiner Abwesenheit würden Sie wohl
die Verwaltung meines Gutes übernehmen?"
„Sehr gern!"
„So wäre auch das schon abgemacht!" sagte der Baron.
„Ich komme heute Nachmittag zu Ihnen, wir setzen alsdann
den Tag fest."
Sie waren stehen geblieben, die Wege trennten sich hier;
Grai Waldringcn reichte dem Baron die Hand und warf
nach einmal einen Prüfenden Blick auf den Förster, der in
kurzer Entfernung ihnen gefolgt war.
„Ich will Sie nun nicht länger abhalten," versetzte er.
„Sie haben noch einen ziemlich weiten Weg bis zur Förster-
wohnung. Ich glaube, Sie noch einmal vor jenem Manne
warnen zu müssen, schenken Sie ihm nicht zu großes Ver-
trauen, ich habe allen Respect vor rothen Haaren! Also
auf Wiedersehen heute Nachmittag!"
„Gleich nach der Tafel werde ich ausbrechen; bitte,
bringen Sie den Damen meine besten Grüße; ich würde
am liebsten Sie begleiten, aber Geschäfte gehen dem Ver-
gnügen vor."
„Natürlich!" nickte Graf Waldringen, und mit der Hand
noch einmal freundlich winkend, schlug er den Heimweg ein.

Seine Interessen lagen auf der Seite Werners, seine
Gläubiger warteten ungeduldig auf die Vermähluug Sabinens,
die beiden großen Güter sollten alsdann miteinander ver-
schmolzen und die darauf ruhenden Schulden getilgt werden.
Der Tilgungsplan war bereits fertig und von den
Gläubigern genehmigt; ein großer Theil der Wälder sollte
abgeholzt werden, jetzt nach dem Kriege konnte man das
Holz zu guten Preisen verkaufen, der Erlös reichte hin, die
ungeduldigsten Gläubiger zu befriedigen.
Diesen schönen Plan drohte nun die Heimkehr Egons
zu durchkreuzen; da konnte Niemand es dem Grafen ver-
">'geu, daß er die Partei seines Schwiegersohnes ergriff.
Er dachte darüber nach, während er den Weg verfolgte,
er sah sich schon im Geiste als Verwalter der beiden Güter;
der Gedanke war zu schön, als daß er auf ihn hätte ver-
zichten mögen.
Nach einer ziemlich langen Wanderung hatte er endlich
sein Haus erreicht.
Es war kein großes Schloß, wie Eichenfels, sondern
nur ein langgestrecktes, niedriges Wohnhaus, an das seitwärts
einige Oekonomiegebäude stießen, die insgesammt deutliche
Spuren des Verfalls trugen.
Hinter diesen Gebäuden lag ein Obst- und Gemüse-
Garten, der im Sommer dem Ganzen einen freundlichen
 
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