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Sponsel, Jean Louis; Haenel, Erich [Hrsg.]; Grünes Gewölbe <Dresden> [Hrsg.]
Das Grüne Gewölbe zu Dresden: eine Auswahl von Meisterwerken der Goldschmiedekunst ; in vier Bänden (Band 4): Gefässe und Bildwerke: aus Elfenbein, Horn und anderen Werkstoffen ; Stein, Holz, Bronze, Eisen ; mit 64 Lichtdrucktafeln, davon 3 farbig — Leipzig, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.37406#0033
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und die Stutzuhr (ebenda, Tafel 27) feststeht, so gehört doch seine Hauptwirksam-
keit der Zeit Friedrich Augusts II., also dem beginnenden Rokoko an. Das be-
weisen auch die zahlreichen Montierungen, Sockel, Rahmen, sowohl für Elfen-
bein- wie für Perlenfigürchen, die in der Verteilung der Massen, der Verwendung
asymmetrischer Zierelemente über die elegante, aber stets von dem Tektonischen
geleitete Dekoration Dinglingers, der als sein Lehrer bezeichnet wird, hinaus-
gehen. Die zahlreichen Miniaturfigürchen, die bisher unter seinemNamen gingen,
sind ganz gewiß nicht von einer Hand, und ebensowenig alle von der Hand eines
Meisters. Auch nicht die meistgenannten „Bettler der Gräfin Königsmarck“
(Tafel 28f—i), die man deutlich als je ein Paar differenzieren kann. Daß der Klari-
nettenbläser (Tafel 30g) ebenso wie sein sitzender Kunstgenosse (Tafel 32h) auf
einen „altdeutschen“ Stich zurückgeht, kann ihren künstlerischen Reiz nicht
herabsetzen. Wer eine Figur von so sprühender Lebenskraft wie den Fischer
(Tafel 30b), von der humorigen Energie der Bewegung wie den Koch (Tafel 3of)
so bis in die fast mikroskopischen Einzelheiten auf die Beine zu stellen vermag,
ohne bei allem Realismus je ins Kleinliche zu verfallen, der verdient auch als
selbständiger Schöpfer den Platz in dem bescheideneren Reich der schmuck-
haften Kleinkunst, den andere, in großem Format Arbeitende sich schon längst
errungen haben. Ob Wilhelm Krüger aus Danzig, der seit 1711 für den
Dresdner Hof arbeitete, auf diesen Platz Anspruch hat, dem wir die glänzende
Reiterfigur Augusts des Starken in Gotha verdanken, ist heute kaum mehr als
eine Vermutung.
Die Frage, wie die Kunst des Elfenbeinschnitzens in die Handwerksverfassung
der deutschen Städte eingespannt war, ist für die Zeit der Renaissance und des
beginnenden Barock nur unvollständig zu beantworten. In dem Nürnberger
Handwerksbuch von 1357/58, dem ältesten bekannten, sind die Beinschnitzer den
Nadelmachern zugezählt, da es sich hier hauptsächlich um die Herstellung von
beinernen Nadeln handelte. Im Jahre 1602 wird dann das „paindrehen“ dem
Holzdrechslerhandwerk „anhengig und incorporirt“. Da die Handwerksord-
nungen weiterhin die Bein- oder Elfenbeinbearbeitung nicht mehr erwähnen, so
dürfte diese wohl wie die Bildschnitzerei zu den „freien Künsten“ gerechnet
worden sein. Eine „freie Kunst“ war eine Hantierung, die nicht nach Gesetzen
und Verordnungen geregelt war, und fast nie in ein „geschworenes Handwerk“
verwandelt werden durfte. Eine gewisse Ordnung wurde hier von „Vorgehern“
überwacht. So wurde z. B. die Gesellenzeit, früher auf vier Jahre bemessen.

4 Sponsel

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