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Springer, Anton
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 1): Das Altertum — Leipzig, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.27217#0067
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Kleinasiatische Kunst.

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Midas in Phrygien, erinnern sie an TePPichwände oder ahmcn dielleicht Metallarbeiten nach,
bald, wie in Lykicn, wird iin Steine eine offcnbare Holzkonstruktion wiederholt (Fig, 83). Die
Uebertragung von Formen, welche einem bestimmten Materiale angehören, in einen fremden
Stoff deutet kaum auf ein sehr hohes Alter; primitiv erscheint aber allerdings die Benützung
des lebendigcn Felsens als Hintergrund der Kunstwerke.

Der mesopotamischen Knnst stehen am nächsten die Bauten und Skulpturen in Kappadozien.
Jn Boghaz-Köi (Pterion) wurden die Restc eines Palastcs ausgcgraben, dessen Grundriß mit dem
assyrischer Pläste übereinstimmt. Auch die dortigen Felsenreliefs, ebenso jene iu Uejük und
Giaur-Kalessi, schrcitende Gestalten, vom gewöhnlichen Meuschenmaße bis zur Riesengröße sich
erhebend, einzelne auf Tieren oder auf den Schulteru von Männeru stehend (Fig. 84), lassen
trotz der Verschiedenheit in der Tracht die Abhängigkeit von babylonischeu Werken erkennen.

Der Versuch, alle diese in Kleinasien wcitverbreiteten Felsskulpturen dem Volke der Hit-
titen und dcm 12. Jahrh. v. Chr. zuzuschreiben, hat vielfachen Widerspruch erfahren. Unbe-
stritten bleibt nur, daß sich einzelne Kulturwellen, namentlich von Phrygien, bis nach Griechen-
land fortpflanzten. So begegnet man wiederholt über den Eingängeu zu phrygischen Gräbern
zwei steigenden Löweu zur Seite eincs Pfeilers. Es besteht kein Zweifel, daß von hier das
Bild nach Mykenae übertragen wurde (s. Seite 56). Ein anderes Beispiel der Langlebigkeit
einzelner Darstellungen bietet der doppelköpfige Adler in dcn Felsenreliefs vou Boghaz-Köi
(Fig. 84). Durch die Krcuzzüge wurde er im Occideut bekannt und hier als Wappenbild verwertet.

Jn Kleinasicn sind wir bereits uumittelbar in den Vorhof unserer Kunst getreten. Die
uralten Traditioneu werden hier niemals vollständig abgeschüttelt, ein Mischstil bleibt in Gel-
tung, aber gleichzeitig werden auch der jüngeren griechischen Kultur zahlreiche Anreguugen zu-
geführt.

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