Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 1): Das Altertum — Leipzig, 1895

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27217#0197
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die letzten Regungen der griechischen Skulptur.

179

ein einfaches Grabmonument und stellt schlicht eine Abschiedsszene von Mutter und Sohn dar.
Sie zeichnet sich durch eine Vertiefung der Empfindung und eine edle einfache Ruhe aus, die
den meisten gleichzeitigen Werken abgeht, aber ganz wohl der klassischen Richtung entspricht,
die gleichzeitig Horaz in der Poesie vertritt.

Neben dieser an älteren Jdealformen sich auffrischenden Richtung tauchen auch Versuche
anf, der Plastik durch Steigerung der sinnlichen Reize, durch ein anziehendes Spiel mit Kontrasten
neue Wirkungen abzugewinnen und sie dadurch dem in Wohlleben und Ueppigkeit wachsenden
Geschlechte anziehender zn gestalten. Naturalistischer im Ausdrnck, koketter in Stellung und
Bewegung werden nackte Frauengestalten (Venusbilder) geschildert, bei Gewandfiguren der Kleider-
stoff so dünn und lcicht dargestellt, daß die Körperformen durchscheinen. Die ans Goethes
italienischer Reise bekannte Tänzerin im Vatikan und die kolossale farnesische Flora (Fig. 280)
mögen als Beispiele dieser Tendenz gelten.

Noch einmal rafft sich im Zeitalter Hadrians die Phantasie griechisch gebildeter Künstler
wenigstens zu einer Scheinschöpfung auf und macht in den Statuen nnd Reliefs (das bedeu-
tendste in der Villa Albani) des schönen Lieblings des Kaisers, des in der Jugend verstorbenen
Antinons den Versuch einer idealischen Porträtfigur (Fig. 281). Die göttliche Heiterkeit der
ächten hellenischen Kunst ist verschwunden, auch im Schmerze keine Kraft. Ein schwermütiger,
sast sentimentaler Zug bricht durch, gleichsam symbolisch das nahe Ende der antiken Kunstherr-
lichkeit andeutend. Jn anderer Weise macht sich der Niedergang des antiken Geistes und zugleich
die Wiederannäherung an den Orient in der Vorliebe für kostbares, die technische Virtuosität
herausforderndes Material geltend, z. B. in zwei Statuen des kapitolinischen Mnsenms,
von denen die eine in schwarzem Marmor (die Augen sind aus farbigen Steinen eingesetzt)
einen Kentauren (mit dem Amor auf dem Rücken) darstellt, der im Gegensatz zn einem
mürrischen von Amor gefesselten älteren Genossen fröhlich einhersprengt, während die andere,
aus dem leuchtenden roten Marmor (rosso antioo) gearbeitet, einen Trauben naschenden Satyr
berkörpert. Jn der auf griechische Jdeale znrückblickenden Richtung spricht sich übrigens nur eine
Strömnng der römischen Kunst aus. Eine zweite Strömung wird durch die italisch-römische
Natur und Geschichte bestimmt.

23*
 
Annotationen