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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0034
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Erster Abschnitt: 1750-1819.

sehen, noch lange in der Restaurationsperiode bewahrte er seinen Rust die glänzendste Wirksam-
keit aber entfaltete er unter Napoleons Regierung. Während die anderen Künstler die heroische
Seite des Napoleonischen Regiments verherrlichten, schilderte er (z. B. in seinem Bilde: General
Bonaparte im Garten zu Malmaison) den Mächtigen mehr in seinem privaten Leben. Obgleich
er auch als Dekorateur sehr geschätzt war, so haftet doch sein Nachruhm zumeist an den
zahllosen Miniaturporträts, die er von den vornehmen Persönlichkeiten eines halben Jahr-
hunderts zierlich und treffend auf Elfenbein entwarf (Abb. 15). Sein Sohn und Schüler
Louis Gabriel Eugene Jsabey (1804—1886) malte brillante Marinestücke und romantische
Kostümbildchen von flotter Art und geistreicher Lichtbehandlung (Abb. 16). Er wirkte durch die
Verve und die tonige Feinheit seines Kolorits auf verschiedene deutsche Künstler, wie Ed. Hilde-
brandt und Carl Spitzweg.
5. (Larstsns und Thorwaldsen.
Mit nicht geringerem Eifer als in Frankreich wurde auch in Deutschland der Weg des
Klassizismus eingeschlagen, in der Anlehnung an die Antike, für die Winckelmanns Schilderungen
die höchste Begeisterung geweckt hatten, das Heil der Kunst gefunden. Doch nur die Anfänge
erscheinen gleich, Fortgang und Ziel der künstlerischen Bewegung sind vollkommen verschieden.
Bereits die Wahl der Stoffkreise, in denen sich die Gedanken der französischen und deutschen
Künstler vertiefen, bekundet einen Gegensatz. Wie allen romanischen Völkern, stand auch
den Franzosen die römische Welt näher als die griechische, in der sie vorwiegend nur die
Anmut und die Grazie verkörpert sahen. Die Deutschen fühlten sich viel mehr von den
Griechen angezogen, füllten mit sichtlicher Vorliebe ihre Phantasie mit Gestalten der griechischen
Heroenwelt und horchten mit Begeisterung aus die Erzählungen hellenischer Dichter. Schon
dadurch trat ihnen die künstlerische Tradition, in der das.^Griechentum wenig gepflegt worden
war, ferner. Aber auch sonst waren sie nicht in der Lage, an sie anzuknüpfen und sie als
Schule zu verwenden. Es gab in Deutschland keinen Mittelpunkt gesellschaftlicher und künstle-
rischer Kultur, der in die Richtung und das Ziel namentlich der Malerei einen gemeinsamen
Zug gebracht hätte; es fehlte an einem größeren Publikum, an zahlreichen und liberalen Bilder-
bestellern; es fehlte vor allem an einem regen öffentlichen Leben und damit an mächtigen An-
regungen für die Künstler und an Gelegenheit, die Kunst mit den allgemeinen Interessen in
Verbindung zu bringen. Das Wort Schillers: „Wir sind genötigt, unser Jahrhundert zu
vergessen, wenn wir nach unserer Überzeugung arbeiten wollen", trifft am stärksten bei der
deutschen Kunst im Zeitalter Winckelmanns zu. Die ästhetische Anschauungsweise deckte sich nicht
mit dem Volksbewußtsein, der Künstler schuf eigentlich wieder nur für Künstler, am liebsten
und besten für sich selbst. Zwischen den tief verkommenen Zunftmalern, die nur darauf sannen,
wie sie den „Amtsverderbern", den freien, nicht zünftigen Künstlern, das Handwerk legen
könnten, und die Kunst ausschließlich als ein Gewerbe, eine bürgerliche Nahrung ansfaßten, und
zwischen den meist von Ausländern geleiteten, jedenfalls nach ausländischen Mustern arbeitenden
Akademien befanden sich die jungen Männer eingezwängt, die den neueren klassischen Idealen
huldigten. Auf literarischem Wege waren sie mit ihnen bekannt geworden, aus Büchern
hatten sie sich zunächst für die Größe der Antike begeistert. Während David zwar gegen die
ältere akademische Manier leidenschaftlich ankämpfte, aber bald wieder in neue Schulgeleise ein-
lenkte, blieb bei uns der Bruch mit der Schule und Routine dauernd. Man darf in Deutsch-
land mit größerem Rechte von einer Kunstrevolution reden als in Frankreich, obschon hier ein
politischer „Erzrevolntionär" an der Spitze stand. Dadurch wurde der Gang der Entwicklung
der deutschen Kunst für ein ganzes Menschenalter unwiderruflich bestimmt. Auf den Weg des
 
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