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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0265
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4. Das Erwachen der Farbe in Deutschland.

223

kam oft viel kalte, spitze Buntheit in seine Arbeiten, in denen das gegenständliche Element und
eine den Gesamteindruck gefährdende Kleinmalerei immer anspruchsvoller auftraten. Doch die
Nachwelt wird ihm nicht vergessen, was er im Dienste der Farbe für die deutsche Kunst getan
hat. Sie wird mehr Interesse für die soliden künstlerischen Qualitäten seiner Bilder haben als
sür das, was zu ihrer Entstehungszeit die Zeitgenossen entzückte: ihren ironischen oder humo-
ristischen anekdotischen Inhalt. Und wie bei Spitzweg wird sie bei Knaus den ungetrübtesten
Genuß vor denjenigen seiner Werke finden, die sich im Stofflichen eine wohltuende Reserve
auserlegen, nicht zum mindesten auch vor seinen kleinen Porträts, die, namentlich wieder in der
älteren Zeit, trotz einer häufig beliebten genreartigen Zuspitzung, Charakterstudien von seltener Feinheit
sind (Abb. 234). Gerade in den Gemälden, die seinem Ruhm am förderlichsten waren, erscheint
Knaus ganz im landläufigen Stil seiner Zeit befangen, die im Sittenbilde gern mit einer für
feiner empfindende Augen allzu plumpen Absichtlichkeit und Überdeutlichkeit verfuhr. Er über-
läßt hier nichts dem Beschauer, sondern sagt alles, auch das Letzte, mit einer Fabulierlust, die
ost in Geschwätzigkeit umschlägt, und behängt dabei seine Bilder mit einer erdrückenden Fülle
charakterisierender Kleinzüge, die heute als ein Zuviel störend berühren. Die Unbefangenheit
der Beobachtung des Lebens geht dabei nur zu leicht verloren und weicht einem Arrangement,
das bei allem Geschick gekünstelt erscheint, und zwischen den Gestalten und dem Beschauer steht
allzu sichtbar der Künstler, der seine Anekdote erklärt, wodurch sie vieles von ihrem Reiz einbüßt.
Es konnte nicht ausbleiben, daß man bei so viel Absicht schließlich verstimmt ward. Vor dreißig
und vierzig Jahren aber dachte man anders. Der junge „Dorfprinz", der, eine Blume zwischen
den Zähnen und die Hände in den Westentaschen, so welterobernd kühn dreinschaut, der kleine
Hebräer, der mit innigem Behagen den „Ersten Profit" einstreicht (Abb. 235), und der andere,
der vom Munde des lächelnden Alten so eifrig „Salomonische Weisheit" abliest, die karten-
spielenden Schusterjungen, die „Goldene Hochzeit", die für einen enormen Preis nach Amerika
verkauft wurde, oder die seinerzeit so berühmte Schilderung „Seine Hoheit auf Reisen", dann
Knaus' Erzählungen aus dem Leben der Bauern und besonders der Kinder, von denen


289. Pferds der Pußta, von T. Schmitson. Karlsruhe, Großherzogl. Kunsthalle.
(Phot, der Verlagsanstalt Bruckmann, A.-G-, München)
 
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