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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0124

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102

Zweiter Abschnitt: 1819 — 1850.


106. Standbild Corneilles,
von P. I. David d'Angers. Rouen.

denen Barye die Modelle lieferte (Abb. 108). Da-
mit war sein Wirkungskreis noch lange nicht er-
schöpft. Außer zahlreichen Tierbildern von monumen-
taler Größe (der Tiger und das Krokodil, der Löwe im
Kampfe mit der Schlange, der Jaguar) schuf er auch
größere Gruppen, unter denen Theseus im Kampf mit
dem Kentauren (Abb. 107) durch die Kühnheit der
Stellungen und die lebendige Wahrheit der Bewegungen
hervorragt. Theseus ist dem fliehenden Kentaur auf den
Leib gesprungen, Preßt ihm mit der einen Hand die
Gurgel zu und schwingt mit der anderen die Keule, die
im nächsten Augenblick zum tödlichen Schlage niedersallen
wird. Daß selbst Barye sich mit der Modellierung einer
Gruppe der drei Grazien versuchte und in seiner Reiter-
statue Napoleons (in Ajaccio) zum antiken Kostüm griff,
zeigt, daß in der französischen Plastik der Naturalismus
von der klassischen Richtung keineswegs durch eine un-
übersteigliche Scheidewand getrennt war. Auf eiue
Mischung des Naturwahren mit einzelnen der klassischen
Tradition entlehnten Zügen hat es in der Tat die
französische Skulptur auch in ihrer späteren Entwicklung
vielfach abgesehen.

7. Der Ausgang der klassischen und romantischen Richtung in Deutschland.
Der deutschen Kunst blieben sowenig wie der französischen innere Kämpfe und schwere
Krisen erspart. Ihre Entwicklung folgte keineswegs einer scharfgeraden Linie. Der Aufschwung,
den sie seit der Berufung Cornelius' nach München und seit der Ausbreitung der Düsseldorfer
Schule gewonnen hatte, erfuhr bald eine gewaltsame Unterbrechung. Am Anfang der vierziger
Jahre boten die deutschen Kunstzustände ein gar trübes und unerfreuliches Bild. Cornelius'
Weggang von München wurde hier doch tiefer empfunden, als die Gegner und Tadler des
Meisters es erwartet hatten. Die Künstlerschaft entbehrte des angesehenen Hauptes; ihr war
wohl bewußt, daß die von Cornelius eingeschlagene Richtung von nun an nicht weiter gepflegt
werden könne; sie erkannte aber nicht klar, welchen neuen Weg sie einschlagen solle. In Berlin
hatte sich Cornelius noch keinen Wirkungskreis erworben. Die heftigen Anfechtungen, die er
dort anfangs erfuhr, machten sogar eine erfolgreiche große Tätigkeit ganz unwahrscheinlich. Die
friedlich gemütlichen Verhältnisse, die das Leben der Düsseldorfer Kolonie so fröhlich gestaltet
hatten, bestanden gleichfalls nicht mehr. Die einzelnen Gruppen sonderten sich schärfer ab, zu
den inneren künstlerischen Gegensätzen traten vielfach noch konfessionelle Reibungen hinzu. Wohl
erweiterte sich die Stoffwelt, insbesondere auf dem Gebiet der Genre- und Landschaftsmalers.
Einzelne Maler suchten das Interesse an ihren Bildern dadurch zuzuspitzen, daß sie auf poli-
tische Ereignisse, auf die Strömungen in der öffentlichen Meinung unmittelbar Bezug nahmen.
Mit dem größten Erfolge tat dieses Karl Hübner (1814—1879) in Düsseldorf, der in seinen
„Schlesischen Webern", in seinem „Jagdrecht" geradezu soziale Probleme behandelte. Der
große Erfolg des englischen Malers David Wilkie, dessen Werke durch den Kupferstich auf dem
Kontinent weite Verbreitung gefunden hatten, lockte auch deutsche Maler, den Darstellungskreis
der Genrebilder zu erweitern, Volkssitten von allgemeiner Geltung in ihnen widerzuspiegeln,
 
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