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ist, sind in den Hauptformen von Mund, Nase und Augen durch Flecke in
malerischer Weise und nicht durch Striche in zeichnerischem Sinn geformt.
Besonders charakteristisch für Tizian ist das geschickte Aufsetzen eines
rundlichen helleren Farbenflecks zur Andeutung von hohen Lichtern. Ich
nenne als Beispiele die Höhungen auf dem Degengriff des Strada in der
Wiener Galerie. Diese Lichter sehen aus wie Farbentropfen, die mit leich-
tester Handbewegung mehr hingezaubert als hingemalt sind. Diese Eigen-
tümlichkeit ist bei keinem anderen Venezianer des 16. Jahrhunderts nach-
zuweisen. Die Höhungen z. B. bei Tintoretto (als Beispiele seien der Venier
und das Susannabild in der Wiener Galerie hervorgehoben) sind plumper
und zeigen viel deutlicher die Pinseltechnik an als die ähnlichen hohen
Lichter bei Tizian. Sogar der feinfühlige Veronese setzt seine Höhungen
nicht ebenso virtuos hin wie Tizian die seinen.
Auf der vorliegenden Farbenskizze finden wir sie nun in virtuoser
Weise angewendet auf der Kapuze des fliehenden Dominikaners. Der Farben-
tropfen dort kann geradeswegs als Tiziansches Monogramm gelten. In bezug
auf rote Höhungen dieser Art bei Tizian gebrauchte Palma giovane den
Ausdruck, daß sie wie ein Bluttröpfchen ausgesehen hätten („quasi gocciola
di sangue“, Boschini, Rieche minere della pittura veneziana, 2. Druck, 1674).
Aus dem Zusammenhang der Mitteilungen Palmas erhellt, daß diese Art
von Lichtern nicht mit dem Pinsel, sondern mit dem Finger hingesetzt
wurden.
Noch andere Merkmale sprechen für die Eigenhändigkeit des Entwurfs
und gegen die Möglichkeit einer Kopie. So z. B. ein Reuezug (ein Pentiment)
am linken Unterschenkel des Mörders. Die Schienbeinbegrenzung ist noch
vor Abschluß der Arbeit verschoben worden. Reuezüge ähnlicher Art deuten
fast immer auf Originalität hin.
Im großen Bilde waren ferner rechts im Walde zwei fliehende Reiter
zu sehen, wie es die Stiche und alten Kopien ausweisen. In der Skizze nur
verständnisvolle Andeutungen. Jeder Kopist hätte mehr geboten, um deut-
lich zu sein.
Weiterhin ist der Dominikaner links im Entwurf an manchen Stellen
anders umrissen, als er im großen Bild erscheint. Ich habe zu diesem Zweck
die Reste des Dominikaners auf dem alten Bruchstück bei Zatzka genau ver-
glichen. Besonders im Kontur der Kapuze und in der flatternden Gewandung
ist das festzustellen. Auch ist die Verkürzung des Gesichtes noch merklich
geringer als im fertigen Altarbild. Kleine Abweichungen auch im Vorder-
grund, besonders in der Form des Baumstrunkes.
Überdies ist es sicher beachtenswert, daß in dem blauen Band, das
sich schief über den Rücken des Mörders hinzieht, zwei schief liegende
Kreuze: X X nur >m großen Gemälde vorkommen, wogegen sie in der
Farbenskizze noch nicht angedeutet sind. Dieses Kreuzornament ist recht
auffallend und wäre von einem Kopisten kaum übersehen und ausgelassen
worden.
Was aber noch schwerer in die Wagschale fällt, ist der Umstand, daß
im Farbenentwurf noch nicht die Lichtbüschel vorkommen, die im fertigen
Werk als maßgebende Lichtquelle behandelt sind, und daß dementsprechend
auch keine auffallend starke Beleuchtung von oben in den Bäumen rechts
und an der liegenden Figur des Petrus Martyr angedeutet ist. Im großen
ist, sind in den Hauptformen von Mund, Nase und Augen durch Flecke in
malerischer Weise und nicht durch Striche in zeichnerischem Sinn geformt.
Besonders charakteristisch für Tizian ist das geschickte Aufsetzen eines
rundlichen helleren Farbenflecks zur Andeutung von hohen Lichtern. Ich
nenne als Beispiele die Höhungen auf dem Degengriff des Strada in der
Wiener Galerie. Diese Lichter sehen aus wie Farbentropfen, die mit leich-
tester Handbewegung mehr hingezaubert als hingemalt sind. Diese Eigen-
tümlichkeit ist bei keinem anderen Venezianer des 16. Jahrhunderts nach-
zuweisen. Die Höhungen z. B. bei Tintoretto (als Beispiele seien der Venier
und das Susannabild in der Wiener Galerie hervorgehoben) sind plumper
und zeigen viel deutlicher die Pinseltechnik an als die ähnlichen hohen
Lichter bei Tizian. Sogar der feinfühlige Veronese setzt seine Höhungen
nicht ebenso virtuos hin wie Tizian die seinen.
Auf der vorliegenden Farbenskizze finden wir sie nun in virtuoser
Weise angewendet auf der Kapuze des fliehenden Dominikaners. Der Farben-
tropfen dort kann geradeswegs als Tiziansches Monogramm gelten. In bezug
auf rote Höhungen dieser Art bei Tizian gebrauchte Palma giovane den
Ausdruck, daß sie wie ein Bluttröpfchen ausgesehen hätten („quasi gocciola
di sangue“, Boschini, Rieche minere della pittura veneziana, 2. Druck, 1674).
Aus dem Zusammenhang der Mitteilungen Palmas erhellt, daß diese Art
von Lichtern nicht mit dem Pinsel, sondern mit dem Finger hingesetzt
wurden.
Noch andere Merkmale sprechen für die Eigenhändigkeit des Entwurfs
und gegen die Möglichkeit einer Kopie. So z. B. ein Reuezug (ein Pentiment)
am linken Unterschenkel des Mörders. Die Schienbeinbegrenzung ist noch
vor Abschluß der Arbeit verschoben worden. Reuezüge ähnlicher Art deuten
fast immer auf Originalität hin.
Im großen Bilde waren ferner rechts im Walde zwei fliehende Reiter
zu sehen, wie es die Stiche und alten Kopien ausweisen. In der Skizze nur
verständnisvolle Andeutungen. Jeder Kopist hätte mehr geboten, um deut-
lich zu sein.
Weiterhin ist der Dominikaner links im Entwurf an manchen Stellen
anders umrissen, als er im großen Bild erscheint. Ich habe zu diesem Zweck
die Reste des Dominikaners auf dem alten Bruchstück bei Zatzka genau ver-
glichen. Besonders im Kontur der Kapuze und in der flatternden Gewandung
ist das festzustellen. Auch ist die Verkürzung des Gesichtes noch merklich
geringer als im fertigen Altarbild. Kleine Abweichungen auch im Vorder-
grund, besonders in der Form des Baumstrunkes.
Überdies ist es sicher beachtenswert, daß in dem blauen Band, das
sich schief über den Rücken des Mörders hinzieht, zwei schief liegende
Kreuze: X X nur >m großen Gemälde vorkommen, wogegen sie in der
Farbenskizze noch nicht angedeutet sind. Dieses Kreuzornament ist recht
auffallend und wäre von einem Kopisten kaum übersehen und ausgelassen
worden.
Was aber noch schwerer in die Wagschale fällt, ist der Umstand, daß
im Farbenentwurf noch nicht die Lichtbüschel vorkommen, die im fertigen
Werk als maßgebende Lichtquelle behandelt sind, und daß dementsprechend
auch keine auffallend starke Beleuchtung von oben in den Bäumen rechts
und an der liegenden Figur des Petrus Martyr angedeutet ist. Im großen