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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0083
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erfahren konnte, läßt nicht gerade auf irgendeinen Schwindel schließen.
Die Spuren des Feuers habe ich vor Jahren selbst noch deutlich genug
gesehen, auch die stark durch den Brand geschädigten Reliefs von Torretti.
Überdies gibt es ein Schriftchen „La Capella del Rosario distrutta dal fuoco
il 16 Agosto 1867“, das ich freilich jetzt nicht wieder aufschlagen kann.
Diese Angelegenheiten werden sich gewiß nach endlicher Einkehr des Frie-
dens und geordneter Arbeit genügend aufklären lassen. Weniger Aussicht
auf Klarstellung ist dafür vorhanden, daß man die ohne Zweifel sorgsam
verschwiegenen Namen der Leute ermitteln werde, durch deren Hände die
noch erhaltenen Teile des angebrannten Bildes gewandert sind.
Längst, schon seit mehr als zwei Jahrhunderten war das berühmte
Altarbild durch Waschungen und Übermalungen entstellt, und in der Zeit
kurz vor dem Brand konnte man keinen ungetrübten Eindruck mehr von dem
Meisterwerk erwarten. Schon in der Einleitung zu Boschinis Riehe minere
della pittura veneziana von 1674 wird vermerkt, das Bild sei nicht mehr
gut erhalten gewesen. (In der ersten Ausgabe der „Minere“ von 1664 gibt
es keine sachlichen Vorbemerkungen.) Die Reise nach Frankreich zur Zeit
der Franzosenkriege, davon war schon im vorigen Heft die Rede bei Ge-
legenheit der Erörterungen über die Skizze zum Petrus Martyr, hat dann
dem Altarblatt noch recht übel bekommen. Dazu gesellten sich die bösen
Schäden durch den Brand von 1867. Der größte Teil der Fläche wurde
überhaupt vernichtet, und die Reste, die jetzt, zu Galeriebildern zugeschnitten
und hergerichtet, in der Sammlung des Herrn Stadtrats Ludwig Zatzka in
Wien hängen, zeigen an ungezählten Stellen die Spuren der verschiedensten
Insulten, nicht zuletzt des Brandes, Verkohlungen verschiedenen Grades, un-
zählige kleine Fehlstellen, alte Restaurierungen.
Aus den Verletzungen der zwei Bilderreste läßt sich mancherlei ablesen,
das für die Beurteilung ihrer Schicksale von Wert ist.
Die Sprungbildung der Farbenschicht ist überaus reichlich. An einigen
Stellen, die noch gute alte Farbe ohne Übermalungen aufweisen, zeigen
sich die Sprünge so angeordnet, wie sie auf alten Holzbildern vorkommen.
Daneben reichliche Krakelüren, die auf Leinwand als Malgrund schließen
lassen.*) Derlei Vermengungen kommen vor auf Gemälden, die ursprünglich
auf Holz gemalt waren und später auf Leinwand übertragen worden sind.
Dies war denn auch beim Petrus Martyr des Tizian der Fall. Die Sprung-
bildung der Leinwand ist besonders deutlich an verkitteten Stellen. Daraus
kann man den Schluß ableiten, daß diese Verkittungen erst trocken ge-
worden, wohl auch erst aufgelegt worden sind, als das Gemälde schon auf
Leinwand übertragen worden war.
Weiter zeigt sich die Farbenschicht der beiden Bilderreste gepreßt
oder gebügelt, in ihrem Relief beeinträchtigt. Das hängt ebenfalls wieder

*) In bezug auf Sprungbildung an Gemälden verweise ich auf mein „Handbuch
der Gemäldekunde“ (Leipzig, J. J. Weber). Darin ist, wie ich behaupten darf, zum
erstenmal die Angelegenheit der Farbenrisse und Bildersprünge auf eine wissenschaft-
liche Grundlage gestellt worden, so daß wenigstens Physiker seither bei jedem Bild in
bezug auf Sprungbildung ihren Weg zu finden wissen. Menschen aus der vierten Di-
mension sind natürlich durch physikalische Erörterungen nicht zu belehren und lassen
das Od-pendelchen über ihren Bildern schwingen, um das Alter der Malerei zu er-
mitteln.
 
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