Das Motiv der Mantik im antiken Drama
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„Stabwunder", wenn ich recht sehe, nur von sehr wenigen
antiken Zeugnissen. Eine Lokalsage aus Trozen1 erzählt,
die Keule, die Herakles in den Boden gesteckt, habe zu
grünen angefangen und Wurzel gefaßt. Nach Vergil Aeneis
III 19 ff. faßten die Speere, mit denen Polydoros getötet worden
war, Wurzel und ließen, als Aeneas die Schößlinge abbrechen
wollte, Blut entströmen 2. Eine römische Sage3 erzählt, die
von Romulus bei der Besitzergreifung des Palatin auf diesen
Hügel geworfene Lanze sei im Boden stecken geblieben und
der Schaft (aus Kornelkirschholz) habe eine Kornelkirsche ge-
trieben. Das Motiv ist auch anderen Völkern nicht fremd,
wie die Tannhäusersage4 und eine mecklenburgische Sage5
beweisen. Ähnliche Sagen, die zwar davon zu reden wissen,
daß ein dürrer Ast oder Baum wieder ausgeschlagen und
Schößlinge getrieben habe, begegnen uns zahlreich 6, aber es
fehlt ihnen allen das Charakteristische, daß die Teile wieder
in die Erde gesteckt werden und Wurzel fassen 7.
1 Pausanias II 31, 10: H^os tovzco t@ dydl^au (sc. TOV 'Eo^oe tov
Ho^vylov) 70 @6nalov 3elvai ^aoiv 'H^aAea" xal - — fo yd^ xorirov — tovto
fier o7cp Ttiozd, evegv 7r yfl zat dveßXdGTgG&v a.u3ts xal eortv d zoruvos
negvxcos ET!.
2 Nach Servius (zu III 46) gehört diese Erzählung Vergils zu den
figmenta poetica des Dichters, um derentwillen er getadelt wurde. Nach
Norden (Kommentar zu VI 166 f.) geht die Erzählung auf eine hellenistische
Verwandlungssage zurück. Siehe auch Heinze, Virgils epische Technik 102 ff.
3 Servius zu Vergil Aeneis III 46.
4 Vgl. Diels, Die Scepter der Universität, Rede zum Antritt des
Rektorats, Berlin 1905, 8. Hier fehlt allerdings der Zug, daß der Stab in
die Erde gesteckt wird.
5 Mitgeteilt bei K. Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus
Mecklenburg (Wien 1879) I 463 Nr. 649. Hier wird die Unschuld eines
Hingerichteten durch das Grünen seines eichenen, in die Erde gesteckten
Stabes sofort nach der Exekution erwiesen. Durch Eisler aaO. 581 Anm. 4
werde ich auf eine Stelle bei Synkellos 202 (Bonner Ausgabe) aufmerksam,
wo es von der Eiche in Sichern heißt: ^acd de Tires odßdov Ewaimos tcov
ctl^ev&)&&ftcov dyyelcov reo Äßoaaa ^vrelaav avTo3t. Die Arbeit von
v. Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik (Abhdlgn. d. Bayr.
Akad. XXV 1) bietet nichts, was für uns hier in Betracht käme.
6 Z. B. Wiederausschlagen des heiligen Ölbaums auf der Akropolis
nach dem Brand der Burg 480 v. Chr. (Herodot VIII 55); Grünen eines
dürren Zweiges durch die Zauberkraft der Medeia (Ovid Metam. VII 279 ff.).
7 Wenn Murr, Die Pflanzenwelt in der griechischen Mythologie
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„Stabwunder", wenn ich recht sehe, nur von sehr wenigen
antiken Zeugnissen. Eine Lokalsage aus Trozen1 erzählt,
die Keule, die Herakles in den Boden gesteckt, habe zu
grünen angefangen und Wurzel gefaßt. Nach Vergil Aeneis
III 19 ff. faßten die Speere, mit denen Polydoros getötet worden
war, Wurzel und ließen, als Aeneas die Schößlinge abbrechen
wollte, Blut entströmen 2. Eine römische Sage3 erzählt, die
von Romulus bei der Besitzergreifung des Palatin auf diesen
Hügel geworfene Lanze sei im Boden stecken geblieben und
der Schaft (aus Kornelkirschholz) habe eine Kornelkirsche ge-
trieben. Das Motiv ist auch anderen Völkern nicht fremd,
wie die Tannhäusersage4 und eine mecklenburgische Sage5
beweisen. Ähnliche Sagen, die zwar davon zu reden wissen,
daß ein dürrer Ast oder Baum wieder ausgeschlagen und
Schößlinge getrieben habe, begegnen uns zahlreich 6, aber es
fehlt ihnen allen das Charakteristische, daß die Teile wieder
in die Erde gesteckt werden und Wurzel fassen 7.
1 Pausanias II 31, 10: H^os tovzco t@ dydl^au (sc. TOV 'Eo^oe tov
Ho^vylov) 70 @6nalov 3elvai ^aoiv 'H^aAea" xal - — fo yd^ xorirov — tovto
fier o7cp Ttiozd, evegv 7r yfl zat dveßXdGTgG&v a.u3ts xal eortv d zoruvos
negvxcos ET!.
2 Nach Servius (zu III 46) gehört diese Erzählung Vergils zu den
figmenta poetica des Dichters, um derentwillen er getadelt wurde. Nach
Norden (Kommentar zu VI 166 f.) geht die Erzählung auf eine hellenistische
Verwandlungssage zurück. Siehe auch Heinze, Virgils epische Technik 102 ff.
3 Servius zu Vergil Aeneis III 46.
4 Vgl. Diels, Die Scepter der Universität, Rede zum Antritt des
Rektorats, Berlin 1905, 8. Hier fehlt allerdings der Zug, daß der Stab in
die Erde gesteckt wird.
5 Mitgeteilt bei K. Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus
Mecklenburg (Wien 1879) I 463 Nr. 649. Hier wird die Unschuld eines
Hingerichteten durch das Grünen seines eichenen, in die Erde gesteckten
Stabes sofort nach der Exekution erwiesen. Durch Eisler aaO. 581 Anm. 4
werde ich auf eine Stelle bei Synkellos 202 (Bonner Ausgabe) aufmerksam,
wo es von der Eiche in Sichern heißt: ^acd de Tires odßdov Ewaimos tcov
ctl^ev&)&&ftcov dyyelcov reo Äßoaaa ^vrelaav avTo3t. Die Arbeit von
v. Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik (Abhdlgn. d. Bayr.
Akad. XXV 1) bietet nichts, was für uns hier in Betracht käme.
6 Z. B. Wiederausschlagen des heiligen Ölbaums auf der Akropolis
nach dem Brand der Burg 480 v. Chr. (Herodot VIII 55); Grünen eines
dürren Zweiges durch die Zauberkraft der Medeia (Ovid Metam. VII 279 ff.).
7 Wenn Murr, Die Pflanzenwelt in der griechischen Mythologie