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Rudolf Staehlin
hätten jetzt die aldola der Mandaue im Traum durch das
Analogon bei Agamemnon ersetzt werden können, wobei
Sophokles sich sicherlich auf geläufige Vorstellungen und
Sagen 1 hätte stützen können. Wenn dies Sophokles nicht
getan hat, so ist das leicht verständlich; als Astyages träumt,
ist sein Enkel von Mandaue noch nicht geboren, er ist das
Reis, das erst hervorkeimen soll. Dagegen ist Orestes im
Zeitpunkt des Traumes schon längst zur Welt gekommen, es
kann sich also bei ihm nicht um ein Geborenwerden, sondern
nur um die Neubegründung der Herrschaft seines Vaters (und
mit um die Beseitigung des Aigisthos und der Klytaimestra)
handeln2; dafür eignet sich das Bild des grünenden Szepters3
ausgezeichnet. Man beachte, daß der Tragiker, offenbar um
die Amphibolie zu steigern, statt des bei Herodot erwähnten
Weinstockes den unbestimmten Ausdruck 3a)16g eingesetzt
hat. Wenn Sophokles in den Traum das Mirakel des grünenden
Stabes einführt, so hat er für diese Version gewiß Vorbilder
in griechischen Sagen gehabt. In erster Linie denkt man an
A 234 4, wo das Grünen eines abgeschnittenen Stabes — des
Skeptron eines Heroldes — als ein Adynaton5 zur Be-
kräftigung des von Achilleus abgelegten Schwures verwendet
wird. Aber Kaibel sagt aaO. ganz richtig: „Zum Bilde mag
Achills Schwur A 234 mitgewirkt haben", denn sicherlich war
die Homerstelle nicht die einzige Quelle. Direkt erwähnt ist das
1 Pausanias VII 17, lüf. erzählt die pessinuntische Sage: ^ia vnvco-
pc^vov dcpetvac OTiEpua EG yfo, x^v de dvd %povov dvelvai dai^ova octIcZ
eyorxa aldoza, zd fiev dvdpos, za de avxwv yvvaczos" dvo^a de 'Ayduruv
avrep xidevrat. ®eo\ de "Aydearev deioane^ xd aldoza ol xd dvdpds djto-
Komovoiv. cos de an avrcov dva^pioa d^vydalfi ei%ev copaZov Tor
xapnov Xil. Gerade diesen Zug, der uns hier interessiert, hat Arnobius ad-
versus nationes V 6 in seiner breiten Darstellung desselben Mythos verwischt.
2 Wie Classen (Verhandlungen der Kieler Philologenversammlung
1869, 114) richtig gesehen hat.
3 Nach Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt 581 Anm. 5 liegt hier
die von ihm aaO. 581 erörterte Vorstellung vom Weltenbaum und vom
kosmischen Szepter zugrunde.
4 Kaibel im Kommentar zur Stelle 137.
5 Ameis-Hentze zur Stelle. — In Nachahmung der Homerstelle läßt
Vergil Aeneis XII 205 ff. den König Latinus beim Stab mit dem gleichen
Adynaton den Vertrag beschwören.
Rudolf Staehlin
hätten jetzt die aldola der Mandaue im Traum durch das
Analogon bei Agamemnon ersetzt werden können, wobei
Sophokles sich sicherlich auf geläufige Vorstellungen und
Sagen 1 hätte stützen können. Wenn dies Sophokles nicht
getan hat, so ist das leicht verständlich; als Astyages träumt,
ist sein Enkel von Mandaue noch nicht geboren, er ist das
Reis, das erst hervorkeimen soll. Dagegen ist Orestes im
Zeitpunkt des Traumes schon längst zur Welt gekommen, es
kann sich also bei ihm nicht um ein Geborenwerden, sondern
nur um die Neubegründung der Herrschaft seines Vaters (und
mit um die Beseitigung des Aigisthos und der Klytaimestra)
handeln2; dafür eignet sich das Bild des grünenden Szepters3
ausgezeichnet. Man beachte, daß der Tragiker, offenbar um
die Amphibolie zu steigern, statt des bei Herodot erwähnten
Weinstockes den unbestimmten Ausdruck 3a)16g eingesetzt
hat. Wenn Sophokles in den Traum das Mirakel des grünenden
Stabes einführt, so hat er für diese Version gewiß Vorbilder
in griechischen Sagen gehabt. In erster Linie denkt man an
A 234 4, wo das Grünen eines abgeschnittenen Stabes — des
Skeptron eines Heroldes — als ein Adynaton5 zur Be-
kräftigung des von Achilleus abgelegten Schwures verwendet
wird. Aber Kaibel sagt aaO. ganz richtig: „Zum Bilde mag
Achills Schwur A 234 mitgewirkt haben", denn sicherlich war
die Homerstelle nicht die einzige Quelle. Direkt erwähnt ist das
1 Pausanias VII 17, lüf. erzählt die pessinuntische Sage: ^ia vnvco-
pc^vov dcpetvac OTiEpua EG yfo, x^v de dvd %povov dvelvai dai^ova octIcZ
eyorxa aldoza, zd fiev dvdpos, za de avxwv yvvaczos" dvo^a de 'Ayduruv
avrep xidevrat. ®eo\ de "Aydearev deioane^ xd aldoza ol xd dvdpds djto-
Komovoiv. cos de an avrcov dva^pioa d^vydalfi ei%ev copaZov Tor
xapnov Xil. Gerade diesen Zug, der uns hier interessiert, hat Arnobius ad-
versus nationes V 6 in seiner breiten Darstellung desselben Mythos verwischt.
2 Wie Classen (Verhandlungen der Kieler Philologenversammlung
1869, 114) richtig gesehen hat.
3 Nach Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt 581 Anm. 5 liegt hier
die von ihm aaO. 581 erörterte Vorstellung vom Weltenbaum und vom
kosmischen Szepter zugrunde.
4 Kaibel im Kommentar zur Stelle 137.
5 Ameis-Hentze zur Stelle. — In Nachahmung der Homerstelle läßt
Vergil Aeneis XII 205 ff. den König Latinus beim Stab mit dem gleichen
Adynaton den Vertrag beschwören.