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Staehlin, Rudolf
Das Motiv der Mantik im antiken Drama — Giessen: Toepelmann, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.74897#0170
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160

Rudolf Staehlin

Altar erfolgt. Der Gedanke, eine solche Freveltat als Opfer
anzusehen, ist also gut griechisch und in den „Thyestes"
schwerlich erst von Seneca hineingetragen 1
Auch bei der Vorführung des nun folgenden Thyestes-
mahles fehlt das Motiv der Mantik nicht: Thyestes wird mitten
in heiterer Stimmung von bangen Ahnungen und Angst-
zuständen überfallen; ein unbestimmtes Etwas zwingt ihn zu
Tränen und Klagen (942 ff.). Das ist ein von Seneca sehr
fein beobachteter und sehr wirksam verwendeter Zug. Als
Ergänzung zu diesen Ahnungen treten äußere Zeichen (985 ff.):
die Hände versagen den Dienst, der Wein weicht vor den
Lippen zurück, der Tisch springt in die Höhe, der Himmel
verfinstert sich, die von Thyestes genossenen Speisen erhalten
Bewegung (999 ff.). Das führt zur Entdeckung des furcht-
baren Frevels.
Welches griechische Vorbild Seneca benutzt hat, ist noch
nicht ermittelt2. Auf den euripideischen „Thyestes" 3 weisen
manche Anzeichen, so die Überstimmung mit der Parodie bei
Aristophanes (CAF Aristophanes fr. 461), wenn auch die An-
sicht, die Habrucker aaO. 34 zu vertreten scheint, der ganze
„Thyestes" sei nur eine Kopie des euripideischen, von Strauß
aaO. 70 wohl mit Recht als zu weitgehend abgelehnt wird.
Ferner scheint der „Thyestes" des Sophokles benützt zu sein
(im Dialog mit dem satelles)4; schwerlich ist auch der hoch-
berühmte „Thyestes" des Varius ohne Einfluß gewesen5.
§ 37. Hercules Oetaeus
In dieser Tragödie ist auf die Anwendung des von So-
phokles in den „Trachinierinnen" so wirkungsvoll und für die
enge Verbindung der beiden Handlungen so wichtigen ersten

1 Vergil Aeneis II 550 ff. hat die, wie Heinze aaO. 44 bemerkt, sonst
nicht belegte Variante, den Priamos von Neoptolemos an den Altar zerren
zu lassen, „ihn dort gleichsam als Opfer zu schlachten" (Heinze aa0.). Auch
dieser Zug wird wohl aus griechischer Sage genommen sein.

2 Leo Observationes criticae 173 und Strauß aaO. 58.

3 Leo aa0.; Strauß aaO. 69. 4 Strauß aaO. 71 ff.

5 Leo aa0.; Strauß aaO. 66.
 
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