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Lankheit, Klaus; Galerie Otto Stangl (München) [Contr.]; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe [Contr.]; Marc, Franz [Ill.]
Franz Marc: Aquarelle und Zeichnungen; Ausstellung 1949 - 1950; [Ausstellungsorte München, Moderne Galerie Otto Stangl ... Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle ... Göttingen, Kunstsammlungen der Universität] — München: Moderne Galerie Otto Stangl, 1949

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68246#0007
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FRANZ MARC

Einführung in Leben und Werk

Wie die revolutionäre Gestalt Philipp Otto Runges die deutsche Kunst-
geschichte des vergangenen Jahrhunderts einleitet, so steht Franz Marc als
Sucher und Seher am Beginn des gegenwärtigen. „Zeitgeist“ und „Umwelt“
des heraufziehenden 20. Jahrhunderts stellen der Schöpferkraft des Künst-
lers die Probleme und bezeichnen Ausgangspunkt und Richtung seiner for-
malen Mittel. Erst der Grundzug des Charakters aber, an den die bild-
nerische Intuition unlösbar gebunden bleibt, prägt die Eigenart eines
Werkes. Das immanente Gesetz immer reiner zum Ausdruck zu bringen,
immer mehr er selbst zu werden, war die Aufgabe Franz Marcs.
Sein Weg vollendete sich in zunehmend freierer Entfaltung und kla-
rerer Durchsetzung seiner idealistischen und ganzheitlichen Grund-
tendenz; nicht geradlinig und ohne Hemmnisse, in Stufen persönlichen
Wachstums, zugleich von den besten Kräften der Zeit getragen und wie-
derum sie selbst mittragend und vorwärtsreißend. Äußere Einflüsse und
Anregungen wurden dabei ohne Zögern, jedoch nur insofern aufgenommen
und anverwandelt, als sie dem eigenen inneren Gesetz dienstbar zu machen
waren.
Bei dem frühen Marc liegt die Eigenart noch unter dem Erbe des
19. Jahrhunderts verborgen. Der 1880 in wohlgeordneten Verhält-
nissen und behüteter Häuslichkeit geborene Münchner Malersohn, welcher
zwanzigjährig die Akademie seiner Heimatstadt bezieht, sieht sich in die
verbindlichen Traditionen eines tonigen, dezenten Atelier-Naturalismus
und der Ausläufer einer realistischen Geschichts- und Genremalerei
hineingestellt. Auf einer Reise des Jahres 1903 nach Paris und in
die Bretagne bricht zum ersten Male die Sonnenhelle französischen Lebens-
und Kunstgefühls in seine „provinzielle“ Welt. Marc genießt es in voller
jugendlicher Begeisterung. Die Zeichnung, mit der unsere Ausstellung
beginnt, zeigt, wie begierig der junge Deutsche sich die impressionistische
Sehweise angeeignet und wie spielend und treffsicher er den Charme des
Pariser Sommertages eingefangen hat.
Doch hält die weltoffene, freudige Stimmung, die ein solcher Impressio-
nismus voraussetzt, nach der Rückkehr nicht vor. Der sensibel und tief
religiös Veranlagte, der sich ursprünglich mit der Absicht getragen hatte,
Theologie zu studieren, wird — auch dies letzten Endes noch eine Erb-
schaft des vergangenen Jahrhunderts — von einer Periode der Melancholie
und des Weltschmerzes heimgesucht, den die Irrungen und Wirrungen
eigener Liebessehnsucht und der ständige teilnehmende Anblick des jahre-
lang gelähmten Vaters und philosophischen Lehrers zu Verzweiflung und
sinnbetörender Lebensangst steigern können. Sein seelischer Zustand
drückt sich aufschlußreich genug in den Titeln der in diesen Jahren ent-
standenen Arbeiten aus, in denen der eigene Stil durch die naturalistische

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