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EINLEITUNG

§ 1·
Stellung der Aufgabe. Methode der Bearbeitung.

Mythus, Poesie und bildende Kunst bilden, wenn bei irgend einem
Volke, bei dem hellenischen eine in sich mit Nothwendigkcit verbundene
Gruppe unter den Faktoren des höheren Culturlebens, ja sie haben dasselbe
überhaupt lange Zeit in sich dargestellt, ehe die nüchterne Auffassung des
Geschichtlichen, wie des Naturobjektes, ehe die methodische Bearbeitung
der Begriffe zu einer selbständigen Geltung gelangt sind. Aber erst das letzte
Jahrhundert hat die innere Zusammengehörigkeit jener drei Geistesthätig-
keiten des Volkes und dabei die innere Natur jeder einzelnen zum wissen-
schaftlichen Bewusstsein und zwar nur sehr alhnälig gebracht. Der Mythus
erschien wesentlich nur als P o e s i e, als Produkt der Dichter; man begnügte
sich, seine Variationen aus dem Munde der Dichter und Fabelsammler in
bunter Reihe zusammenzustellen ohne Rücksicht auf Zeit und Culturstellung
derselben, und ihn mit Zugrundelegung eines Ovid und Ilygin in all seiner
Buntheit als ein reiches Phantasiespiel an sich vorüberziehen zu lassen. Erst
seitdem die Poesie in ihrem Verhältnisse zu dem Nationalgeiste des einzelnen
Volkes, seitdem der Gegensatz von Kunst- und Volkspoesie, antiker und
moderner Dichtung von einem Herder, Goethe, Schiller erkannt und be-
handelt worden ist, seitdem man von der Copie zu den Originalen, von der
späteren Kunstpoesie zu dem Urquell der nationalen Poesie, zu Homer und
überhaupt zu den grössten Meistern jeder Gattung sich zurückgewandt, seit-
dem das Studium der neueren Literaturen vor allem der germanischen grosse
und treffende Parallelen zur Seite gestellt, ist das Verhältniss der ältesten
Dichtung zu Mythus und Sage, ist der Gedanke an eine Fortbildung dessel-
ben Grundstoffes mit dem Heranziehen mannigfachster Nebenquellen, mit
dem freien Ausdichten des im Volksmunde Gegebenen, der Gedanke einer
Geschichte des poetischen Stoffes, des Mythus lebendig geworden. Und wir
müssen es vor allem als ein nicht hoch genug anzuerkennendes Verdienst
Weickers bezeichnen, dass er den Mythen- und Sagenstoff des griechischen
Stark, Niobe. 1
 
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