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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0094
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Rom in der Renaissance.

Manna erblickt, der greise Patriarch, von seinem lauschenden Volke umringt, links em-
pfängt der knieende Josua den Hirtenstab. Im Hintergründe, oben auf dem Berge Nebo,
erblickt man eine seltsam ergreifende Gruppe, einen Engel und einen Menschen, den
lebensmüden Moses und den Boten Gottes, der mit gesenktem Finger dem Greise
die ganze Herrlichkeit des gelobten Landes zeigt, das sein Fuß nicht mehr betreten
soll. Dann sehen wir den alten Mann einsam und gedankenvoll vom Berge
herniederschreiten, und hinten im Thalgrunde haben sich schon die Juden wehklagend


68. Signorelli. Der Stamm Levi. (Detail aus dem Testament des Moses.)

um den Leichnam ihres Führers geschart. Mas aber bedeutet der Jüngling, der
fast völlig nackt, nur mit einem leichten Mantel über der Schulter in der Mitte des
Vordergrundes auf einem Baum sitzend erscheint (Abb. 68)? Ein vornehmer, fast ganz
von hinten gesehener Jüngling steht vor ihm und hat die Rechte redend erhoben, ein
alter Rahlkopf beugt sich über ihn und ist im Begriff, an den Fingern irgend eine
Sache zu demonstrieren, eine junge Frau steht etwas abseits mit eiuem Knaben
auf der Schulter und redet mit dem Blick des Auges, wo die anderen Worte ver-
schwenden. Aber der Jüngling giebt auf niemand acht. Leicht nach vorne gebeugt,
das Auge mit dem Blick unendlicher Sehnsucht, bedingungsloser Hingabe auf den
lesenden Moses gerichtet, hat er die Welt um sich vergessen, die es vergebens ver-
sucht, ihn ihren Interessen wieder zuzuwenden. Es ist der Stamm Levi, den hier
 
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