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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0109
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^. Jmrocenz VIII. und Alexander VI.

öS


pAnturieäno. Oorträt eines Bnffalini.

des größten Schülers des hl. Franz von Assisi. So konnten die alten Rivalen,
Dominikaner und Franziskaner, sich rühmen, auch in Rom ihrem Orden und seinen
größten Vertretern würdige Ault- und Ruhmesstätten gegründet zu haben.
Wenn jAnturicchio seine wohlerhaltenen Malereien in der ersten Aapelle rechts
der legendenreichen Franziskanerkirche von Araceli wirklich, wie heute angenommen
wird, gleich nach Vollendung der Sistina gemalt hat, so begegnet uns hier der
umbrische Aünstler, der zehn Fabre später alle Dialer in Rom in der Gunst
Alexanders VI. überflügeln sollte, zum ersten Male als selbständiger Meister. Der
volle Zauber einer Jugendarbeit, wo der Aünstler noch so unbewußt gestaltet und
mit höchstem Eifer auch das Neben-
sächliche selber malt, erfreut in den Fresken
von Araceli, und wenn die Abendsonne
durch das gotische Fensterlein dringt und
ihre letzten Strahlen die Farbenpracht an
den Wänden verklären, dann ruht eine
unsagbar feierliche Stimmung über den:
kleinen Heiligtum, und die freundlichen
Gestalten Pinturicchios beleben sich mit
einem wunderbaren Schein der Wirklich-
keit. Oben in den vier Gewölbefeldern
sieht man die vier Evangelisten, liebens-
würdige Fdealtypen alter und junger
Männer, welche lesen und schreiben,
forschen, sinnen und schauen.
Auf dem schmalen Felde der Fenster-
wand zur Rechten ist das Wunder von
Alverna dargestellt: knieend empfängt
der hl. Franziscus von den: Aruzifir in
den Wolken die Nägelmale Ehristi, und
in seinen idealisierten Zügen lesen wir
trotz aller Zerstörung noch deutlich den

Ausdruck höchster, unaussprechlicher Verzückung. Ein Ordensbruder nimmt au der
Vision teil, um sie vor den Menschen zu bezeugen, wie Fosua den Moses auf den
Berg Sinai begleiten mußte, und im kleinen Fresko unter dem Fenster scheint ein
Franziskaner schon erstaunten Zuhörern das große Wunder zu erzählen, dessen einfach
innige Schilderung die Grundstimmung angiebt für den ganzen Freskencyklus.
Links vom Fenster gegenüber empfängt Bernardin das Ordenskleid des
hl. Franz. Sein ganzer weltlicher Besitz an Aleidern, Büchern und Geräten liegt
zerstreut am Boden, während er sich selber nackt und bloß dem Dienste Gottes weiht.
Die Darstellung der Lünettenwand gegenüber ist nicht so sorgfältig gemalt
und wenig übersichtlich komponiert. Rechts sehen wir St. Bernardin, weltflüchtig,
in heilige Lektüre vertieft, im Walde fich ergehen, dessen grünen Boden ein bunter
Teppich von Frühlingsblumen deckt, während ein Wässerlein leise vom Felsen
herabplätschert. Die guten Bürger von Siena haben sich in gemessener Entfernung
 
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