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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0141
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5. Julius II.

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Himmelfahrtstages Marias deckte Michelangelo die ganze Mittelwölbung auf, um
dann noch einmal an die Arbeit zu gehen, den Best der Malereien, vor allein die
Vorfahren Christi, zu vollenden.
Am Vorabend des Allerheiligenfeftes s5s2 war endlich das große Werk
vollbracht, und Julius erschien noch einmal in der Aapelle Sixtus' IV., wo das
ganze Aardinalkollegium feiner harrte, diesmal als Sieger über innere und äußere
Feinde, von feinem Volk vergöttert als Befreier Italiens. Er konnte diese feierliche
Stunde in dem nun erst ganz vollendeten Heiligtum seines Gheims (Abb. 9?) als
den Höhepunkt seines Daseins betrachten. Ein Leben zielbewußten Strebens, glor-


100. Die Schöpfung Evas.

reicher Aämpfe, wunderbarer Siege war vollbracht, ein willensftarker, in Haß und
Liebe gleich gewaltiger Eharakter hatte sich geläutert. Den: priesterlichen Ariegshelden
war als höchster Triumph seines Lebens der Anblick der Herrlichsten Aunstschöpfung
vorbehalten, die jemals eine Menschenhand geschaffen. Wie der sterbende Moses
vorn Berge Nebo herab die Herrlichkeit des gelobten Landes schauen durfte, so sollten
sich auch die Augen Julius' II. nicht schließen, ohne daß sich seine Seele wenigstens
ein einziges Mal am vollen Anblick der ganz vollendeten Gemälde Michelangelos
gelabt hätte, die ohne ihn niemals entstanden wären. Seit jenem 3s. Oktober hat
der Papst die Aapelle nicht wieder betreten, das Licht seines Lebens war Herab-
gebrannt, und kaum vier Monate später, in den letzten Februartagen sös3, ist cs
erloschen.
Ein feierlicher Aultusakt mit seinem Lichterglanz und seiner Farbenpracht
läßt uns erst die Bedeutung der Wandfresken der Florentiner Meister ganz verstehen,
 
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