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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0151
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s. Julius II.

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ss5. Der Prophet Jeremias.

weiter päpstlichen Zornes zu zerstreuen, das sich drohend über seinem Haupte
zusammengezogen hatte. Die Lage des Herzogs war schwierig; der aufs höchste
gereizte Papst verlangte nicht weniger und nicht mehr, als die Abtretung von
Ferrara, und der Gemahl der Lucrezia Borgia entwich schließlich, ohne die Ent-
scheidung abzuwarten, im geheimen aus der Stadt. Und doch sand er Lust und
Müße, mit Erlaubnis Sr. Heiligkeit die Gemächer Alexanders VI. zu besehen
und Michelangelo in der Sixtinischen Aapelle aufzusuchen. ,Se. Excellenz, der
Herzog/ schrieb damals ein Vertrauter der Isabella d'Este an seine Herrin, die
Mutter des kleinen Federico Gonzaga, der als Geisel am päpstlichen Hofe weilte,
,Se. Excellenz wünschte sehr die Decke der großen Aapelle zu sehen, die Michel-
angelo malt, und stieg mit mehreren Personen hinauf. Bald kehrten sie einer
nach den: anderen zurück, und nur der Herr
Herzog blieb oben bei Michelangelo nnd
konnte sich nicht sättigen an seinen Gestalten.
Als aber Signor Federico sah — er war
längst der Liebling des alten Papstes ge-
worden, der ihn nicht mehr von seiner Seite
ließ —, daß Se. Excellenz so lange oben
blieb, führte er die Edelleute, die Gemächer
des Papstes zu sehen und die Räume, welche
Raphael von Urbino ausmalt. Als dann der
Herzog endlich herabgestiegen war, wollten sie
ihn auch begleiten, die Aammer des Papstes
zu sehen und die Gemächer, die Raphael
malt, aber er wollte nicht gehen, und seine
Edelleute sagten, daß er die größte Scheu
gehabt habe, das Zimmer zu betreten, wo
der Papst schlief?
Wir besitzen kein zweites Bild aus jenen
glorreichen Tagen, das uns die gemeinsame
Thätigkeit Raphaels und Michelangelos im
Vatican so nahe brächte, wie dieser Bericht von: Zuli s3f2, wir haben keine Ueber-
lieferung erhalten, die uns so ohne weiteres in die Werkstätten einführt, wo die zwei
größten Maler aller Zeiten in gewaltigem Wettkampfe ihrem Genius die größten
Schöpferthaten abgerungen haben. Daß sich die Naturen des menschenscheuen, arg-
wöhnischen Florentiners und des liebenswürdigen, von aller Welt bewunderten Urbi-
naten nicht verstanden, würden wir vermuten, auch wenn es Vasari und Eondivi nicht
ausgesprochen hätten, daß sie einander aber in persönlicher Feindschaft gegenübertraten,
entsprach weder der herben Zurückhaltung des einen, noch der heiteren Anmut des
anderen. Nur ein einziges Mal, so berichtet eine spätere Quelle, begegneten sich
Raphael und Michelangelo am Eingänge des Vaticans, der eine, allein, wie
immer, der andere, von einer Schar von Schülern und Bewunderern begleitet.
,Vornehm, wie ein Fürsth höhnte Michelangelo ganz laut, ,einsam wie ein Henkers
lautete des Urbinaten grausame Antwort.
Steinmann, Rom in der Renaissance. 18
 
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