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Rom in der Renaissance.
allegorische Schilderung fort. Was lag auch näher, als der größten der vier
Aardinaltugenden ihre drei Schwestern zuzugesellen: die Stärke, die Alugheit und die
Mäßigung (Abb. s20)? Auch hier gelang es Raphael in unvergleichlicher Meise, drei
Allegorieen in klarer geschlossener Aomposition innerlich und äußerlich zusammen-
zuführen lind jeder von ihnen individuelles Leben einzufläßen. Leun Anblick dieser
gedankenvollen Frauengestalten, die, von den süßesten Engelskindern umspielt, sich
so zwanglos auf einer Marmorbank niedergelassen haben, vergessen wir überhaupt,
von ihrer Schönheit bezaubert, nach ihrer Bedeutung zu fragen. Die riesenhafte,
helmgeschmückte Stärke liebkost einen zähnefletschenden Löwen und hält in der
Rechten einen Stamm mit üppigen: Eichenlaub in sinnvoller Anspielung aus das
kraftvolle Geschlecht der Rovere. Ein wenig erhöht, in der Mitte, sitzt die doppel-
köpfige Alugheit und blickt in einen Spiegel, den ein Autto trägt, während ein
anderer dienstbeflissen hinter ihr die Fackel emporhält. Beide Allegorieen haben
^20. Stanza della Segnatura. Mäßigkeit, Klugheit und Stärke.
ihre Herkömmlichen Attribute beibehalten, nur die Temperantia mischt nicht mehr
Wein und Wasser, wie in älteren Bildwerken, sondern, einen Zaum emporhaltend,
mit dem Zeigefinger aus ihre Gefährtinnen deutend, blickt sie auf den unter ihr
thronenden j?apst hernieder, als wollte sie ihm zurufen: Richte mit Alugheit,
Mäßigung und Araft!
Die endgültige Regelung geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit wird hier
unten links und rechts vom Fenster geschildert. Aaiser Justinian überreicht dem
Trebonian seine Gesetzessammlung (Abb. s2s), Gregor IX. Händigt einen: Aonsistorial-
advokaten die Dekretalien ein (Abb. s22). Niemals völlig unterdrückte Leidenschaften,
bittere Lebenserfahrungen, Harte Aämpfe haben ihre Spuren in den hinfälligen Zügen
des greisen Papstes zurückgelassen, der die Züge Julius' ll. trägt. Aber dies Fresko
ist fast ebenso arg zerstört, wie die Verherrlichung Justinians gegenüber, und nur
die Eharakterköpfe einiger Aardinäle — es sollen die drei Nachfolger des Rovere-
papstes sein, Giovanni und Giuliano de' Medici und Alessandro Farnese — erfreuen
sich besserer Erhaltung.
Der Umstand, daß Raphael auf der Schule von Athen sein eigenes Bildnis
Rom in der Renaissance.
allegorische Schilderung fort. Was lag auch näher, als der größten der vier
Aardinaltugenden ihre drei Schwestern zuzugesellen: die Stärke, die Alugheit und die
Mäßigung (Abb. s20)? Auch hier gelang es Raphael in unvergleichlicher Meise, drei
Allegorieen in klarer geschlossener Aomposition innerlich und äußerlich zusammen-
zuführen lind jeder von ihnen individuelles Leben einzufläßen. Leun Anblick dieser
gedankenvollen Frauengestalten, die, von den süßesten Engelskindern umspielt, sich
so zwanglos auf einer Marmorbank niedergelassen haben, vergessen wir überhaupt,
von ihrer Schönheit bezaubert, nach ihrer Bedeutung zu fragen. Die riesenhafte,
helmgeschmückte Stärke liebkost einen zähnefletschenden Löwen und hält in der
Rechten einen Stamm mit üppigen: Eichenlaub in sinnvoller Anspielung aus das
kraftvolle Geschlecht der Rovere. Ein wenig erhöht, in der Mitte, sitzt die doppel-
köpfige Alugheit und blickt in einen Spiegel, den ein Autto trägt, während ein
anderer dienstbeflissen hinter ihr die Fackel emporhält. Beide Allegorieen haben
^20. Stanza della Segnatura. Mäßigkeit, Klugheit und Stärke.
ihre Herkömmlichen Attribute beibehalten, nur die Temperantia mischt nicht mehr
Wein und Wasser, wie in älteren Bildwerken, sondern, einen Zaum emporhaltend,
mit dem Zeigefinger aus ihre Gefährtinnen deutend, blickt sie auf den unter ihr
thronenden j?apst hernieder, als wollte sie ihm zurufen: Richte mit Alugheit,
Mäßigung und Araft!
Die endgültige Regelung geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit wird hier
unten links und rechts vom Fenster geschildert. Aaiser Justinian überreicht dem
Trebonian seine Gesetzessammlung (Abb. s2s), Gregor IX. Händigt einen: Aonsistorial-
advokaten die Dekretalien ein (Abb. s22). Niemals völlig unterdrückte Leidenschaften,
bittere Lebenserfahrungen, Harte Aämpfe haben ihre Spuren in den hinfälligen Zügen
des greisen Papstes zurückgelassen, der die Züge Julius' ll. trägt. Aber dies Fresko
ist fast ebenso arg zerstört, wie die Verherrlichung Justinians gegenüber, und nur
die Eharakterköpfe einiger Aardinäle — es sollen die drei Nachfolger des Rovere-
papstes sein, Giovanni und Giuliano de' Medici und Alessandro Farnese — erfreuen
sich besserer Erhaltung.
Der Umstand, daß Raphael auf der Schule von Athen sein eigenes Bildnis