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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0159
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5. Julius II.

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;2p Stanza della Segnatura. Justinian
überreicht dem Trebonian seine Gesetzes-
sammlung.

anbrachte mit dem des Sodoma und hier das Porträt des kleinen Federico Gonzaga
gemalt hat, welches Julius II. erst in: August s5ss in der Stanza della Segnatura
anzubringen befahl, beweist ohne weiteres, daß mit der Schule von Athen der
ganze Freskencyklus vollendet worden ist. Die Disputa also wird der Meister
zuuächst iu Angriff genommen haben, nachdem er die Fensterwand vollendet hatte;
knüpfte er doch auch in diesem Bilde
am unmittelbarsten an eine frühere
Leistung an, an jene Jugendarbeit in
San Severo, die er schon im Jahre s505
in Perugia begonnen und unvollendet
zurückgelassen hatte. Das Geheinniis
der Dreieinigkeit Gottes, das sich den
Gläubigen auf Erden offenbart, nach
den: sich der Pimmel geöffnet, die
Teilung der Wandstäche in eine obere,
himmlische, in eine untere, irdische,
Pälfte, das ist ein Gedanke, der schon
in San Severo zum Ausdruck kommt,
der in der Disputa (Abb. f2Z) wieder-
holt und nur unendlich viel reicher
und tiefsinniger ausgestaltet wird.
Eine Wiederkunft Ehristi lehrt die
Airche nur, wenn sie vom jüngsten Tage
redet und den zornigen Weltenrichter
beschreibt, vor dem die durch Posaunen-
ton vom Tode erweckte Menschheit
zitternd und in banger Furcht erscheint.
Raphael allein weiß, hier von jeder
Tradition sich lösend, von einer anderen
Gegenwart, von einer anderen Er-
scheinung des Weltheilandes zu berichten.
Ihm hat sich der Pimmel aufgethan,
er sieht den erhöhten Thristus thronen,
die durchbohrten Pände segnend erhoben
(Abb. s2^), von seinen Peiligen um-
ringt, er hat dieselbe unbeschreibliche
Vision geschaut, wie Dante, als er in
Gestalt der weißen Rose die heilige

Uriegsschar erblickte, die Thristus sich mit seinen: Blute erkauft. Zum ersten und
einzigen Male hat sich hier in einer menschlichen Phantasie eine Vorstellung des Pimmels
gebildet, die der Glaube aunehmen kann, zum ersten und einzigen Male ist das
Unbegreifliche gethan, das Unaussprechliche ausgesprochen worden. Warum aber hat
uns Raphael so viel mehr von den Geheimnissen der Ewigkeit verraten, als alle
Uünstler vor ihm und nach ihn:? Warum verstummt vor seiner Schöpfung und
Steinmann, Rom in der Renaissance. 19
 
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