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Steinraths, Felix J. F.
Albrecht Dürers Memorialtafeln aus der Zeit um 1500: Holzschuher-Epitaph - Glimm'sche Beweinung - Paumgartner-Altar; Rezeption, Forschungsstand und offene Fragen — Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Lang, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.74231#0125
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Einfluß des Dürerschülers stand. In Band 37 (»Meister mit Notnamen und Mo-
nogrammisten«) zu Thieme/Becker findet sich bezüglich des »Meisters W.S. mit
dem Malteserkreuz«997 der Hinweis998, daß eine »Grablegung Christi« von 1518
in jener genannten Straßburger Kirche eine im Format größere »Variante« einer
in Nancy999 aufbewahrten »Grablegung Christi« dieses oberrheinischen Meisters
sei. In dem Band erfahren wir in knapper Form, daß jenes 1536 datierte Bild aus
Nancy »kompositionell« auf »Dürers bekanntes Nürnberger Gemälde zurück-
greife«.'°°° Wenn die Datierungen ihre Richtigkeit haben, so dürfte es wohl eher
umgekehrt gewesen sein: Denn bereits auf der hochformatigen Tafel der Jung
St. Peter Kirche ist es vornehmlich die Bildkomposition, die an das Dürer 'sehe
Vorbild erinnert; diese wurde nicht unmittelbar übernommen, sondern sie nimmt
nur Bezug auf kompositorische Hauptmotive der Dürertafel: Hier wie dort fin-
den wir die [bohnenförmige] Gruppe um den Oberkörper Christi und am Ende
der bildparallelen Beine Christi - gleichsam als Anfangs- bzw. als Schlußpunkt
- sehen wir, nach einer Zäsur, die ergriffene Figur der Maria Magdalena mit ei-
ner Tasche. Hier wie dort ist es noch Johannes, der die Aufgabe übernimmt, den
Leichnam Christi von hinten zu stützen; wie auf den Gedächtnisbildern für
Holzschuher und Glimm wurde dabei das Leichentuch vom Helfenden unter die
Achseln des Toten hochgenommen; der Künstler griff dabei jedoch nur das Mo-
tiv der Holzschuher-Tafel auf, bei welchem die Falten des Tuches - einem
Strom von Tränen vergleichbar - nach unten fließen; auch das hellere Scham-
tuch Christi ist hier wieder zwischen den Beinen des Toten zusammengeknotet.
Die Anordnung der vier am Boden um den toten Körper niedergeknieten Figu-
ren ist auf dem Straßburger Bild spiegelverkehrt; Nikodemus mit dem großen
Salbgefäß mußte noch etwas nach links rücken, da ihm rechts noch Josef von
Arimathäa an die Seite gestellt wurde, dessen »ursprüngliche« Position durch ei-
ne klagende Frau mit hochgeworfenen, gefalteten Händen ersetzt wurde; für die
Figur der Maria Magdalena konnte der Künstler daher eine neue Geste verwen-
den, die es ihm erlaubte auf eine Darstellung des Gesichtes zu verzichten: Maria
Magdalena mit den langen Haaren, in ihrer großen Trauer auf die Knie gesun-
ken, verbirgt fast ihr ganzes Gesicht in einem weißen Tuch, um damit ihre Trä-
nen zu trocknen. In der oberen linken Ecke des Bildes sehen wir (im Bildmittel-
grund) den Golgatha-Hügel; in der von Bäumen von dieser Zone abgegrenzten
Bildmitte wird der Blick über ein Wasser bis zu den Bergen in die Tiefe geführt;
rechts oben erblicken wir wieder einen bewaldeten Hügel. So fällt der Blick des
Betrachters auch hier, gerahmt von Landschaft und Stehfiguren über das Wasser
weit in die Tiefe. Wie auf dem Nürnberger Bild, so finden sich auch hier (wenn
auch eine gänzlich anders gestaltete) Stadt im Hintergrund und Spiegelungen im
 
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