96
Wasser des Flusses; der Holzschuher-Tafel vergleichbar liegt die Dornenkrone
[unterhalb des Toten] »in nächster Nähe« eines gedachten Betrachters. Die ange-
schnittene Grabeshöhle wanderte in den linken Bereich des Bildes (hinter die
rote Mantelfigur), wohl da der Maler rechts die Figur des Josef von Arimathäa
eingefügt hatte.
Die Unterschiede sind offensichtlich und müssen nicht im Einzelnen benannt
werden. Eine gute Beschreibung der Tafel und eine grobe Skizze hätten wohl
genügt, um den Straßburger Künstler seine eigene Form finden zu lassen; cha-
rakteristische Einzelelemente1001 und Einzelformen1002 des Nürnberger Bildes
wurden hier nicht übernommen. Es bleibt noch hervorzuheben, daß der Künstler,
was die starke Verdunklung des Himmels über Golgatha angeht, seinem Vorbild
nicht nachfolgte. Auch Übernahmen von Dürers Holzschnitt B.13 der Bewei-
nung ließen sich nicht1003 feststellen. Dies ist bemerkenswert, da der »Meister
W.S. mit dem Malteserkreuz« sich bei einer 1521 datierten "Ecce-Homo-Tafel"
(ebenfalls in Nancy1004) bereits kompositionell an Dürers Holzschnitt1005 B.9 aus
der Großen Passion anknüpfte1006. Allein die Gestaltung des Mantels des Johan-
nes (roter Mantel mit gelbem Innenfutter) auf der Straßburger Kirchentafel hatte
auf eine vage Kenntnis der Farben des Bildes hingedeutet; die Spiegelverkeh-
rung der knieenden Figuren um Jesus hatte Johannes vor die stehende Frau mit
dem roten Haubenmantel und blauem Untergewand gebracht, was es für den
Künstler wohl notwendig machte, einen anderen Rotton für das Gewand dieser
Frau zu finden.
Ein sehr viel späterer Versuch einer getreuen Umsetzung der Holzschuher-
Tafel sollte mit der Aufnahme in Strixner's Lithographie-Werk erfolgen: Die
Brüder Boisseree hatten bereits früh die von Aloys Senefelder um das Jahr 1800
entdeckte Technik der Lithographie als ein wirksames Mittel erkannt, um die
einzelnen Werke ihrer angesehenen Sammlung durch qualitativ hochstehende
Vervielfältigungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und somit
auch deren Wert zu erhöhen. Der Ruhm der Galerie Boisseree hatte den Künstler
Johann Nepomuk Strixner1007 (1782-1855) angezogen, der für die früheste Publi-
kation Senefelders zum ersten Mal im Steindruckverfahren ein Kunstwerk der
Vergangenheit (Dürers Randzeichnungen1008) in die Gegenwart zurückgeholt
hatte; er unterbrach, auf Einladung Boisserees, seine Arbeiten in München (Li-
thographie-Folge nach Gemälden des »Königlich Baierischen Gemälde-Saals zu
München und Schleißheim«™") und bot den Brüdern seine Dienste an. Im Okto-
ber 1820 begann er in Stuttgart1010 (zunächst »mit einem Zeichner und zwei
Druckern«1011), die besten Werke der Sammlung in Kreidemanier auf Stein zu
zeichnen. Im eigenen Haus ließen die Boisseree dafür eine eigene »Reprogra-
Wasser des Flusses; der Holzschuher-Tafel vergleichbar liegt die Dornenkrone
[unterhalb des Toten] »in nächster Nähe« eines gedachten Betrachters. Die ange-
schnittene Grabeshöhle wanderte in den linken Bereich des Bildes (hinter die
rote Mantelfigur), wohl da der Maler rechts die Figur des Josef von Arimathäa
eingefügt hatte.
Die Unterschiede sind offensichtlich und müssen nicht im Einzelnen benannt
werden. Eine gute Beschreibung der Tafel und eine grobe Skizze hätten wohl
genügt, um den Straßburger Künstler seine eigene Form finden zu lassen; cha-
rakteristische Einzelelemente1001 und Einzelformen1002 des Nürnberger Bildes
wurden hier nicht übernommen. Es bleibt noch hervorzuheben, daß der Künstler,
was die starke Verdunklung des Himmels über Golgatha angeht, seinem Vorbild
nicht nachfolgte. Auch Übernahmen von Dürers Holzschnitt B.13 der Bewei-
nung ließen sich nicht1003 feststellen. Dies ist bemerkenswert, da der »Meister
W.S. mit dem Malteserkreuz« sich bei einer 1521 datierten "Ecce-Homo-Tafel"
(ebenfalls in Nancy1004) bereits kompositionell an Dürers Holzschnitt1005 B.9 aus
der Großen Passion anknüpfte1006. Allein die Gestaltung des Mantels des Johan-
nes (roter Mantel mit gelbem Innenfutter) auf der Straßburger Kirchentafel hatte
auf eine vage Kenntnis der Farben des Bildes hingedeutet; die Spiegelverkeh-
rung der knieenden Figuren um Jesus hatte Johannes vor die stehende Frau mit
dem roten Haubenmantel und blauem Untergewand gebracht, was es für den
Künstler wohl notwendig machte, einen anderen Rotton für das Gewand dieser
Frau zu finden.
Ein sehr viel späterer Versuch einer getreuen Umsetzung der Holzschuher-
Tafel sollte mit der Aufnahme in Strixner's Lithographie-Werk erfolgen: Die
Brüder Boisseree hatten bereits früh die von Aloys Senefelder um das Jahr 1800
entdeckte Technik der Lithographie als ein wirksames Mittel erkannt, um die
einzelnen Werke ihrer angesehenen Sammlung durch qualitativ hochstehende
Vervielfältigungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und somit
auch deren Wert zu erhöhen. Der Ruhm der Galerie Boisseree hatte den Künstler
Johann Nepomuk Strixner1007 (1782-1855) angezogen, der für die früheste Publi-
kation Senefelders zum ersten Mal im Steindruckverfahren ein Kunstwerk der
Vergangenheit (Dürers Randzeichnungen1008) in die Gegenwart zurückgeholt
hatte; er unterbrach, auf Einladung Boisserees, seine Arbeiten in München (Li-
thographie-Folge nach Gemälden des »Königlich Baierischen Gemälde-Saals zu
München und Schleißheim«™") und bot den Brüdern seine Dienste an. Im Okto-
ber 1820 begann er in Stuttgart1010 (zunächst »mit einem Zeichner und zwei
Druckern«1011), die besten Werke der Sammlung in Kreidemanier auf Stein zu
zeichnen. Im eigenen Haus ließen die Boisseree dafür eine eigene »Reprogra-