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wenn er in der Tafel den Höhepunkt der Darstellungen der Beweinung Christi
bei Dürer sieht, der seit 1495 fünf Fassungen1640 des Themas vorausgegangen
waren; auch in den graphischen Blättern1641 habe er keine besseren Lösungen
mehr gefunden."1642 Salvini1643 weist zu Recht darauf hin, daß bis auf die Zeich-
nung (W.193) jede dieser Darstellungen als selbständiges Werk ausgeführt wor-
den sei, die man jedoch als Zeugnisse einer tiefen Beschäftigung Dürers mit dem
Thema der Beweinung ansehen müsse, gewissermaßen als Schritte, die in der
Glimm'sehen Beweinung ihre endgültige Gestalt annehmen und ihren Abschluß
finden. Dies wird augenscheinlich, wenn man die darauffolgenden Darstellungen
des gleichen Themas betrachtet, die - was Ikonographie und Komposition an-
geht - von den Kompositionen unserer Serie (aber auch untereinander) grund-
sätzlich verschieden sind.
In enger Beziehung, besonders im Aufbau der Pyramidenkomposition, steht
die Münchner Tafel zu Dürers Holzschnitt1644 B.13.
Der von Flechsig1645 vertretenen Ansicht, die Londoner Kohlezeichnung1646 ei-
nes Männerkopfes (L.230) von 1503 sei eine "Naturstudie" zu dem sehr realisti-
schen Kopf Christi der Glimm'sehen Beweinung, bei der er sich Dürer an ein
bestimmtes Modell gehalten habe, wurde von Winkler1647 widersprochen; auch
der Katalog1648 des Britischen Museums bezeichnet den Vorschlag Flechsigs, der
zuvor wieder von Anzelewsky1649 aufgenommenen wurde, als gar nicht überzeu-
gend. Gegen die Annahme, daß es sich um eine Studie für den Christus der
Glimm'schen Beweinung handelt spricht v.a., daß jene Figur eine für Christus
undenkbare Kopfbedeckung trägt, auch Dürers »Christustypus« ist ein anderer.
Die Kopfstudie, in der Winkler eine der ersten und zugleich großartigsten Stu-
dien sah, in denen Dürer mit eindringlicher Gewalt den Ausdruck des Leidens
im menschlichen Antlitz studiert habe, fällt jedoch in jene Zeit, in die ich auch
die Glimm'sehe Beweinung setze. Eine Gemeinsamkeit ist im besonderen Inter-
esse am Ausdruck, der deutlichen Veranschaulichung seelischer Zustände im
menschlichen Gesicht zu sehen.
5. Zu Umformungen von Motiven der Glimm'schen Beweinung
Karl Voll1650 ging von »mehreren Kopien und Nachbildungen« des Bildes aus,
woraus er schloß, daß dieses in alter Zeit für ein Hauptwerk des Künstlers gegol-
ten habe; leider erwähnte Voll dabei nicht, an welche Werke er dachte. Wahr-
scheinlich ging aber auch er noch davon aus, daß es sich bei der »ähnlichen« Ta-
fel im Germanischen Nationalmuseum um »eine leicht veränderte Wiederho-
lung« der Münchener Tafel handelte, denn noch im Katalog1651 der Alten Pinako-
wenn er in der Tafel den Höhepunkt der Darstellungen der Beweinung Christi
bei Dürer sieht, der seit 1495 fünf Fassungen1640 des Themas vorausgegangen
waren; auch in den graphischen Blättern1641 habe er keine besseren Lösungen
mehr gefunden."1642 Salvini1643 weist zu Recht darauf hin, daß bis auf die Zeich-
nung (W.193) jede dieser Darstellungen als selbständiges Werk ausgeführt wor-
den sei, die man jedoch als Zeugnisse einer tiefen Beschäftigung Dürers mit dem
Thema der Beweinung ansehen müsse, gewissermaßen als Schritte, die in der
Glimm'sehen Beweinung ihre endgültige Gestalt annehmen und ihren Abschluß
finden. Dies wird augenscheinlich, wenn man die darauffolgenden Darstellungen
des gleichen Themas betrachtet, die - was Ikonographie und Komposition an-
geht - von den Kompositionen unserer Serie (aber auch untereinander) grund-
sätzlich verschieden sind.
In enger Beziehung, besonders im Aufbau der Pyramidenkomposition, steht
die Münchner Tafel zu Dürers Holzschnitt1644 B.13.
Der von Flechsig1645 vertretenen Ansicht, die Londoner Kohlezeichnung1646 ei-
nes Männerkopfes (L.230) von 1503 sei eine "Naturstudie" zu dem sehr realisti-
schen Kopf Christi der Glimm'sehen Beweinung, bei der er sich Dürer an ein
bestimmtes Modell gehalten habe, wurde von Winkler1647 widersprochen; auch
der Katalog1648 des Britischen Museums bezeichnet den Vorschlag Flechsigs, der
zuvor wieder von Anzelewsky1649 aufgenommenen wurde, als gar nicht überzeu-
gend. Gegen die Annahme, daß es sich um eine Studie für den Christus der
Glimm'schen Beweinung handelt spricht v.a., daß jene Figur eine für Christus
undenkbare Kopfbedeckung trägt, auch Dürers »Christustypus« ist ein anderer.
Die Kopfstudie, in der Winkler eine der ersten und zugleich großartigsten Stu-
dien sah, in denen Dürer mit eindringlicher Gewalt den Ausdruck des Leidens
im menschlichen Antlitz studiert habe, fällt jedoch in jene Zeit, in die ich auch
die Glimm'sehe Beweinung setze. Eine Gemeinsamkeit ist im besonderen Inter-
esse am Ausdruck, der deutlichen Veranschaulichung seelischer Zustände im
menschlichen Gesicht zu sehen.
5. Zu Umformungen von Motiven der Glimm'schen Beweinung
Karl Voll1650 ging von »mehreren Kopien und Nachbildungen« des Bildes aus,
woraus er schloß, daß dieses in alter Zeit für ein Hauptwerk des Künstlers gegol-
ten habe; leider erwähnte Voll dabei nicht, an welche Werke er dachte. Wahr-
scheinlich ging aber auch er noch davon aus, daß es sich bei der »ähnlichen« Ta-
fel im Germanischen Nationalmuseum um »eine leicht veränderte Wiederho-
lung« der Münchener Tafel handelte, denn noch im Katalog1651 der Alten Pinako-