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Steinraths, Felix J. F.
Albrecht Dürers Memorialtafeln aus der Zeit um 1500: Holzschuher-Epitaph - Glimm'sche Beweinung - Paumgartner-Altar; Rezeption, Forschungsstand und offene Fragen — Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Lang, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.74231#0250
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Oberschicht erhielt, weitgehend selbständig in Malerei auszuführen, ohne dabei
überhaupt mit der üblichen »Dreiheit« in irgendeinen Konflikt zu geraten. Meine
These geht daher dahin, den sog. Paumgartner-»Altar« von der Bildgattung des
Epitaphs her zu verstehen; dabei wird zu erklären sein, wie das einst als flügello-
ses Epitaph geplante Werk zu einem Epitaphaltar wurde: Offen geblieben war
bisher auch die Frage, in welchem Auftrag und für welchen Ort Hans Baldung
etwa 1505/06 die auf den Paumgartner-Altar hin konzipierten Standflügel ge-
malt haben soll.
Als ein Versuch zur Lösung verschiedener »offener Fragen« mag die These
dienen, die Kurt Löcher2417 1986 im Katalog der Nürnberger / New Yorker Aus-
stellung Nürnberg 1300-1550: Kunst der Gotik und Renaissance »wagte« und
welche noch weitgehend2418 unbeachtet geblieben ist. Die Hauptargumente
Löchers werde ich im Folgenden in meine Argumentation einbeziehen:
Demnach sei der Paumgartner-Altar nicht in einem "Guß" entstanden, son-
dern die Folge einer "Klitterung". Dürer habe 1503/04 für die vier Paumgartner-
"Kinder", zum Gedächtnis an ihre Eltern, ein Bild der Geburt Christi geschaffen.
Dabei sei das Bild ursprünglich von Dürer als »Epitaph« und nicht als ein Flü-
gelaltar2419 geplant gewesen. Es sei vergleichbar mit jenen Epitaphien, die Dürer
für Holzschuher2420 und Glimm2421 gemalt hatte, welche sich auch in ihrer Größe
kaum2422 von Dürers "Geburt" unterscheiden. Dem sei hinzu gefügt, daß auch das
hochrechteckige Format der Tafel in keiner Weise der in Nürnberg üblichen2423
Form für gemalte Epitaphien widerspricht.
In derartigen Gedächtnisbildern, die in die Kirchen gestiftet wurden, gedach-
ten die wohlhabenden Nürnberger Familien (dazu zählten auch Bürger aus dem
gehobenen Handwerkerstand) ihrer Toten; häufig wurde dabei eine Darstellung
aus der Heilsgeschichte2424 gewählt. Eine Vielzahl dieser Nürnberger Epitaphien
finden sich noch heute in den Nürnberger Kirchen und in den entsprechenden
Sammlungen. Dürer stand, als Schüler Michael Wolgemuts (1434/37 - 1519),
ganz in dieser Bildtradition, denn als in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahr-
hunderts Wolgemut seine große Werkstatt in Nürnberg gegründet hatte, waren
die gemalten Epitaphien2425 meist bei ihm bestellt worden.2426 So mag es nicht
verwundern, wenn in der für Epitaphien üblichen Weise auch auf der Paumgart-
ner-Tafel jene kleinfigurigen Stifter - ganz ähnlich wie bei den Gedächtnistafeln
für Holzschuher und Glimm - in den unteren Bildecken auftreten. Solche Fami-
liengruppen in kleinem Maßstab waren bei Nürnberger Epitaphien die Regel,
wenngleich diese ihren Platz meist weiter unten im Bild - von einem gemalten
oder plastischen Steg getrennt - in einem eigenen »Sockelstreifen«2427 fanden;
dabei hatte es jedoch immer auch gewisse vermittelnde Übergänge2428 zwischen
 
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