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gebern genährte Hoffnung und zugleich Befürchtung, daß unseres Bleibens
hier doch nicht mehr lange und bei dem Bückzug unserer Truppen das Land
einer abermaligen Verwüstung ausgesetzt sei. Ja, an einzelnen Stellen,
wie in Löwen, tauchte sogar der phantastische Gedanke auf, die zerstörten
Stadtteile überhaupt nicht wieder aufzubauen und die Buinen als dauerndes
Schandmal deutscher Barbarei der Nachwelt zu erhalten!
Mangels Aufwendung eigener Mittel wird also die Tätigkeit der deut-
schen Verwaltung in Belgien auf dem Gebiete des Hochbauwesens keine
aktive sein können, das heißt: wir werden selbst voraussichtlich k e i n e Bauten
ausführen. Unsere Aufgabe ist vielmehr die, deren Ausführung auf jede
nur mögliche Weise zu fördern und alle Grundlagen dafür zu schaffen, daß
all das, was an Stelle des durch die Kriegsereignisse Zerstörten von den
Belgiern neu geschaffen wird, in ästhetischer Hinsicht dem Verschwundenen
mindestens gleichwertig, in technischer und hygienischer Beziehung jeden-
falls besser werde. Dieses Ziel aber zu erreichen ist nach Lage der Dinge
ein langer und mühevoller Weg.
Da das belgische Wohnungswesen einen großen Buf genießt und es
diesen, wenigstens was die Entwicklung und Verbreitung des Einfamilien-
hauses angeht, ja auch zweifellos verdient, so ist man zu leicht geneigt, auf
eine gute Fassung und Handhabung der Bauordnungen zu schließen. Aber
das gerade Gegenteil ist der Fall. Wer als Fachmann hineinschaut in die
Trümmer der zerstörten Städte, der wird mit Staunen sehen, was hier alles
möglich war: die unglaublichsten Konstruktionen, die, wie Schwedler einst
sagte, „nur aus Gewohnheit“ gehalten haben können, keinerlei Vorkehrungen
für die Feuersicherheit — (der Besuch eines der kleinen Brüsseler Theater
z. B. ist glaube ich fast so gefährlich wie der Aufenthalt in einem unter-
minierten Schützengraben!) —, die sanitären Einrichtungen vorsintflutlich,
die Baustelle ausgenutzt bis zum letzten Quadratmeter! Den Belgiern
selbst sind bei diesem Anblick die Augen aufgegangen, und hier und da
wird selbst bei ihnen, die doch in jedem Gesetz und in jeder Verordnung
eine Beschränkung ihrer berühmten persönlichen Freiheit erblicken, schon
der Buf nach einer Beform der Bauordnung laut. Und da haben wir nun
kürzlich das auf uns Deutsche erheiternd wirkende Schauspiel erlebt, daß
eine Gemeindebehörde zwar die dringende Notwendigkeit des Erlasses einer
Bauordnung anerkennt, diesen Schritt aber aus Angst vor ihren Wählern
nicht wagt und schließlich den Vertreter der deutschen Verwaltung bittet,
diese Bauordnung doch durch den Herrn Generalgouverneur befehlen zu
lassen! Ich glaube, solchen Leuten kann und wird geholfen werden, und
die deutsche Verwaltung wird auch dafür sorgen, daß die erlassenen Be-
stimmungen auch befolgt werden, was sonst nicht zu den Gepflogenheiten
der Belgier gehörte. Es fällt damit der deutschen Verwaltung eine große
und schwierige Aufgabe zu, denn es wird nicht angängig sein, für ganz
Belgien eine einheitliche Bauordnung zu erlassen, sondern es wird, abgesehen
von den allgemeingültigen technischen und hygienischen Bichtlinien, die
Eigenart der Bauweise in den verschiedenen Provinzen Berücksichtigung
finden müssen. Ferner müssen sich die zu erlassenden Verordnungen ganz
auf die bestehenden Gesetze aufbauen, weil diese gemäß Artikel 43 der
Haager Konvention in den besetzten Gebieten Beachtung finden müssen,
„soweit kein zwingendes Hindernis besteht“.
gebern genährte Hoffnung und zugleich Befürchtung, daß unseres Bleibens
hier doch nicht mehr lange und bei dem Bückzug unserer Truppen das Land
einer abermaligen Verwüstung ausgesetzt sei. Ja, an einzelnen Stellen,
wie in Löwen, tauchte sogar der phantastische Gedanke auf, die zerstörten
Stadtteile überhaupt nicht wieder aufzubauen und die Buinen als dauerndes
Schandmal deutscher Barbarei der Nachwelt zu erhalten!
Mangels Aufwendung eigener Mittel wird also die Tätigkeit der deut-
schen Verwaltung in Belgien auf dem Gebiete des Hochbauwesens keine
aktive sein können, das heißt: wir werden selbst voraussichtlich k e i n e Bauten
ausführen. Unsere Aufgabe ist vielmehr die, deren Ausführung auf jede
nur mögliche Weise zu fördern und alle Grundlagen dafür zu schaffen, daß
all das, was an Stelle des durch die Kriegsereignisse Zerstörten von den
Belgiern neu geschaffen wird, in ästhetischer Hinsicht dem Verschwundenen
mindestens gleichwertig, in technischer und hygienischer Beziehung jeden-
falls besser werde. Dieses Ziel aber zu erreichen ist nach Lage der Dinge
ein langer und mühevoller Weg.
Da das belgische Wohnungswesen einen großen Buf genießt und es
diesen, wenigstens was die Entwicklung und Verbreitung des Einfamilien-
hauses angeht, ja auch zweifellos verdient, so ist man zu leicht geneigt, auf
eine gute Fassung und Handhabung der Bauordnungen zu schließen. Aber
das gerade Gegenteil ist der Fall. Wer als Fachmann hineinschaut in die
Trümmer der zerstörten Städte, der wird mit Staunen sehen, was hier alles
möglich war: die unglaublichsten Konstruktionen, die, wie Schwedler einst
sagte, „nur aus Gewohnheit“ gehalten haben können, keinerlei Vorkehrungen
für die Feuersicherheit — (der Besuch eines der kleinen Brüsseler Theater
z. B. ist glaube ich fast so gefährlich wie der Aufenthalt in einem unter-
minierten Schützengraben!) —, die sanitären Einrichtungen vorsintflutlich,
die Baustelle ausgenutzt bis zum letzten Quadratmeter! Den Belgiern
selbst sind bei diesem Anblick die Augen aufgegangen, und hier und da
wird selbst bei ihnen, die doch in jedem Gesetz und in jeder Verordnung
eine Beschränkung ihrer berühmten persönlichen Freiheit erblicken, schon
der Buf nach einer Beform der Bauordnung laut. Und da haben wir nun
kürzlich das auf uns Deutsche erheiternd wirkende Schauspiel erlebt, daß
eine Gemeindebehörde zwar die dringende Notwendigkeit des Erlasses einer
Bauordnung anerkennt, diesen Schritt aber aus Angst vor ihren Wählern
nicht wagt und schließlich den Vertreter der deutschen Verwaltung bittet,
diese Bauordnung doch durch den Herrn Generalgouverneur befehlen zu
lassen! Ich glaube, solchen Leuten kann und wird geholfen werden, und
die deutsche Verwaltung wird auch dafür sorgen, daß die erlassenen Be-
stimmungen auch befolgt werden, was sonst nicht zu den Gepflogenheiten
der Belgier gehörte. Es fällt damit der deutschen Verwaltung eine große
und schwierige Aufgabe zu, denn es wird nicht angängig sein, für ganz
Belgien eine einheitliche Bauordnung zu erlassen, sondern es wird, abgesehen
von den allgemeingültigen technischen und hygienischen Bichtlinien, die
Eigenart der Bauweise in den verschiedenen Provinzen Berücksichtigung
finden müssen. Ferner müssen sich die zu erlassenden Verordnungen ganz
auf die bestehenden Gesetze aufbauen, weil diese gemäß Artikel 43 der
Haager Konvention in den besetzten Gebieten Beachtung finden müssen,
„soweit kein zwingendes Hindernis besteht“.